Call for Papers: Stadt, Klima und Krise (Frühjahrsausgabe 2027)
Liebe Leser:innen,
hiermit möchten wir auf unseren Call für die Frühjahrsausgabe 2027 mit dem Schwerpunkt „Stadt, Klima und Krise“ aufmerksam machen.
Herzliche Grüße
die Redaktion von sub\urban
Kristine Beurskens, Laura Calbet i Elias, Nihad El-Kayed, Mina Godarzani-Bakhtiari, Nina Gribat, Stefan Höhne, Johanna Hoerning, Jan Hutta, Michael Keizers, Yuca Meubrink, Boris Michel, Gala Nettelbladt, Lucas Pohl, Nikolai Roskamm, Nina Schuster, Lisa Vollmer
Stadt, Klima und Krise
Einladung zu Beiträgen für einen Themenschwerpunkt von
sub\urban . zeitschrift für kritische stadtforschung
Jüngst wurde in der kritischen Stadtforschung die Frage aufgeworfen, „warum alle denken, Städte könnten den Planeten retten“ (Angelo/Wachsmuth 2020). Ausgehend von dem erstaunlichen Wandel des Diskurses von urbanen Zentren als Treiber einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Gesellschaftsweise und damit auch als zentrale Verursacher und Beschleuniger des Klimawandels hin zu Städten als Ort und Ursprung für die Lösung der Klimakrise, wird dabei die Frage aufgeworfen, wie und ob Städte den Planeten retten können. Angelo und Wachsmuth zufolge, sei diese Frage nur durch eine historische, räumlich differenzierte, politische und diskursive Analyse von Nachhaltigkeitsvorstellungen und -politiken im urbanen Kontext zu beantworten. Sie betonen auch, dass das Narrativ, dass die Städte den Planeten retten könnten, neue blinde Flecken und Dynamiken sozialer und politischer Auseinandersetzungen hervorruft.
Diesen Aufruf nach kritischen Analysen wollen wir mit dem geplanten Themenschwerpunkt aufgreifen und zugleich differenzieren, denn als Laboratorien einer nachhaltigen Gesellschaft sowie als Ausgangspunkte für das Experimentieren mit zirkulären Ökonomien, smarten Infrastrukturen und resilienter Planung entsteht ein neuer „Klimaurbanismus“, der Stadt und Klimawandel zusammenzudenken versucht. Dabei ist zentral zu betonen, dass es nicht „Städte“ per se sind, die CO2-Emissionen verursachen oder für eine Transformation eintreten. Vielmehr sind es unterschiedlich machtvolle und ressourcenstarke Gruppen in Städten, die für beides verantwortlich sind. Diesen Punkt aufgreifend analysiert Holgersen jüngst den Ursprung dieses Wandels (Holgersen 2025): Auf der urbanen Ebene könne die kapitalistische Klasse und der lokale Staat am einfachsten (vermeintlich) „grün“ agieren, ohne das Funktionieren des fossilen Kapitalismus generell zu stören. Er wendet sich damit beispielsweise gegen eine Privilegierung der städtischen Ebene zur Lösung der Klimakrise.
Mit dem geplanten Themenschwerpunkt fragen wir daher nach dem Verhältnis von Stadt, Klima und Krise.
- Welche Rolle spielen städtische Räume, städtische Lebens- und städtische Produktionsweisen bei der Entstehung der Klimakrise? Wo und wie schreibt sich der fossile Kapitalismus und die Wachstumsabhängigkeit des Kapitalismus in städtische Räume ein?
- Welche Konzeptionalisierungen des Städtischen liegen diesen Rollenzuschreibungen zugrunde?
- Wer definiert, welche Arten von Krisen in Bezug auf Klima und Stadt bestehen?
- Inwiefern wirken sich Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise auf die sozialen Ungleichheiten in Städten aus? Entstehen dadurch neue bzw. vertiefen sich existierende Krisen? Inwiefern produziert der Umgang mit einer Krise andere Krisen, blinde Flecken oder Dynamiken sozialer und politischer Auseinandersetzungen?
Ausgehend von diesen Fragen, möchten wir im Themenschwerpunkt nach den Möglichkeiten und Herausforderungen einer kritischen Stadtforschung fragen, die die Klimakrise ins Zentrum ihrer Betrachtung rückt. Während die Klimafrage einerseits bereits seit Längerem Thema der Stadtforschung ist und deshalb zu einer kritischen Bestandsaufnahme dieser Wissensstände einlädt, scheinen manche Facetten der Klimakrise bislang in der kritischen Stadtforschung noch unterrepräsentiert zu sein. Beiden Stoßrichtungen folgend, laden wir zu Beiträgen zu folgenden (und weiteren) Themenkomplexen ein:
- Politische Ökonomie: Verschärfen Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung in Städten soziale Ungleichheit oder sind sie geeignet, diese abzuschwächen? Wer profitiert von den diversen „Wenden“ (Verkehrswende, Wärmewende etc.), wer nicht bzw. für wen haben sie negative Konsequenzen? Wie gestaltet sich das Verhältnis von gesellschaftlichen Klassen und urbaner Nachhaltigkeit?
- Politische Ökologie: Welche Machtverhältnisse strukturieren den Zugang zu städtischen Ressourcen (z. B. Wasser, Energie, Grünflächen) in Zeiten der Klimakrise? Wie werden städtische Natur und Klima als politische Projekte verhandelt und instrumentalisiert?
- Wertekonflikte: Wie werden Stadt und Raum im rechten Kulturkampf gegen Klimapolitik in Stellung gebracht? Welche Vorstellungen von Stadt und Raum spiegeln sich in liberalen oder responsibilisierenden Positionen zum Klimawandel?
- Sozial-ökologische Transformation: Welche Rolle nehmen Konflikte um Raum in ihr ein? Von welchen Faktoren hängt das Gelingen einer Skalierung der zahlreichen kleinräumigen „Experimente“ und „Reallabore“ ab?
- Blockade und Regression der Transformation: Warum gelingt es nicht, die Klimakrise als Problem adäquat zu bearbeiten? Bzw. wer kann die Krise für sich beantworten und wer nicht? Welche räumlichen Vorstellungen und städtischen Faktoren spielen in der derzeitigen Abkehr von klimapolitischen Maßnahmen eine Rolle?
- Kritische Perspektive auf technologischen Solutionismus: Wie sollen zunehmend unlebbare Räume durch technische Hilfsmittel und Innovationen lebbar gemacht werden? Inwiefern werden dabei politische, strukturelle und räumliche Dimensionen ausgeblendet und bestehende sozial-räumliche Ungleichheiten verstärkt?
- Utopie/Dystopie: Welche (Zukunfts-)Erzählungen gibt es in der Auseinandersetzung mit der Klimakrise und der Stadt und welche Funktionen erfüllen sie? Wer erzählt sie und mit welchem Interesse?
Wir freuen uns über Vorschläge zu Aufsätzen ebenso wie zu Debatten- und Magazinbeiträgen oder Rezensionen (mehr Informationen zu den Rubriken hier). Dazu bitten wir um die Einreichung von Abstracts im Umfang von 300-500 Wörtern bis zum 31. Oktober 2025. Vollständige Beiträge bitten wir nach Einladung bis zum 27. Februar 2026 einzureichen; Aufsätze durchlaufen ein Peer-Review-Verfahren. Wir bitten um die Beachtung der Richtlinien für Autor_innen. Einreichungen von Vorschlägen bitte als Word- oder RTF-Datei an info@zeitschrift-suburban.de
Literatur
Angelo, Hilary / Wachsmuth, David (2020): Why does everyone think cities can save the planet? In: Urban Studies 57/11, 2201-2221. https://doi.org/10.1177/0042098020919081.
Holgersen, Ståle (2025): Class, climate and cities. Why is ‘sustainability’ most popular at an urban scale? In: International Journal of Urban and Regional Research 49/4, 741-756. https://doi.org/10.1111/1468-2427.13326.