sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung 2025, 13(1), 189-199

doi.org/10.36900/suburban.v13i1.1009

zeitschrift-suburban.de

CC BY-SA 4.0

Superblock für alle?

Das Konzept der Superblocks zwischen Mobilitätswende und neoliberalen Stadtpolitiken in Offenbach am Main

Lena Funk, Luisa Horsch, Ludwig Jäger

1. Ein Superblock für Offenbach?

Im Zuge der Klimakrise stehen Städte vor der Herausforderung, Verkehr, Mobilität und Stadtgestaltung sozial-ökologisch zu transformieren. Dabei gewinnen neuartige Mobilitätskonzepte an Bedeutung, die darauf abzielen, Emissionen zu reduzieren und die Mobilitätswende voranzutreiben. Auch in der unmittelbar an Frankfurt am Main angrenzenden Stadt Offenbach am Main wird seit kurzem über die Umwandlung des Stadtteils Nordend in einen Superblock diskutiert. Dieses aus Barcelona stammende Konzept sieht eine radikale Umgestaltung des Straßenraumes vor, um den motorisierten Individualverkehr umzuleiten und neue Freiflächen für kollektive Nutzungen zu schaffen. Das Interessante ist, dass dieses neuartige Mobilitätskonzept auch in Offenbach auftaucht – einer wirtschaftlich prekär aufgestellten und durch jahrzehntelange Sparpolitik geprägten Stadt. Daher gehen wir am Beispiel Offenbachs der Frage nach, welche Rolle das Konzept der Superblocks in neoliberalen Stadtpolitiken spielt und inwiefern es sich in diese eingliedert oder ihnen entgegensteht. Basierend auf sechs qualitativen Expert_inneninterviews zeigen wir die Ambivalenz von Superblocks zwischen gesteigerter Lebensqualität für alle auf der einen Seite und einer möglichen ökonomischen Inwertsetzung ganz im Sinne einer neoliberalen Städtekonkurrenz auf der anderen. Wir argumentieren, dass die Implementierung eines Superblocks zwar die Chance bietet, die Lebensqualität der zum Großteil einkommensschwache Bevölkerung des Nordends deutlich zu erhöhen, dass im Kontext einer neoliberalisierten und vom Austeritätsparadigma bestimmten Stadtpolitik der Stadt Offenbach allerdings erwartet werden kann, dass die bereits stattfindende Aufwertung des Viertels dadurch weiter vorangetrieben wird.

2. Städte zwischen Neoliberalisierung und Mobilitätswende

Die Neuordnung des Städtischen im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft nach dem Fordismus ist seit Jahrzehnten allgegenwärtig und auch Gegenstand einer intensiven wissenschaftlichen Debatte (vgl. etwa Harvey 1989; Leitner/Peck/Sheppard 2007; Theodore 2020). Städte werden im Zuge der Hinwendung zur unternehmerischen Stadt als Leitbild städtischer Politik im Wettbewerb mit anderen Städten positioniert. Kommunen müssen nun selbst das Wirtschaftswachstum fördern, daher ist zentrales Ziel der Stadtpolitik konsequenterweise die Kapitalakkumulation (Heeg/Rosol 2007: 492 f.). Diese Wettbewerbslogik des neoliberalen Regierens führt zu einem Gefälle zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Städten, wobei Erstere aufblühen, während mittellose Städte starke Probleme haben, ökonomisches Wachstum zu generieren und dem Paradigma der Austerität unterliegen (Mayer 2013: 160 f.). Vielfach wurde auf die Widersprüche, Brüche und Wandelbarkeit solcher Neoliberalisierungsprozesse hingewiesen (vgl. etwa Brenner/Peck/Theodore 2010; Mayer 2013). So zeichnen sich in den letzten Jahren auf lokaler Ebene durchaus gegenläufige Tendenzen ab (vgl. etwa Janoschka/Mota 2020; Kadi/Vollmer/Stein 2021). Trotz dieser Herausforderung der neoliberalen Hegemonie bleibt ein grundlegender Paradigmenwechsel bisher jedoch aus.

Die Verkehrs- und Stadtplanung war, gestützt auf die massenhafte Verbreitung des Automobils im Fordismus, lange Zeit auf das Ideal der autogerechten Stadt ausgerichtet. Aktuelle Tendenzen und Trends in den urbanen Zentren des Globalen Nordens deuten darauf hin, dass das Automobil beziehungsweise der automobile Individualverkehr nicht mehr das priorisierte planerische Leitbild zu sein scheint. Als prägendes Element städtischer Mobilität bleibt es jedoch bestehen, gerade weil sich Mobilität und Baukultur global betrachtet nur sehr langsam transformieren (Bernhardt 2017: 540). In der Folge sehen sich Stadtbewohner_innen neben dem Verlust an Raum-, Aufenthalts- und Lebensqualitäten zunehmend mit den Auswirkungen der Klimakrise konfrontiert. Die weitreichende Flächenversiegelung, die unter anderem aus der autozentrierten Stadtplanung der Vergangenheit resultiert, wirkt sich negativ auf Stadtökologie und -klima aus, beispielsweise indem sie die zunehmende Hitzeentwicklung in urbanen Räumen verstärkt (Parlow/Schneider 2020: 282 ff.). Dennoch sind sowohl die Dringlichkeit einer Verkehrswende zugunsten nachhaltiger Mobilität als auch die Maßnahmen zu deren Umsetzung politisch umkämpft (Souris/Stecker/Jungjohann 2023: 52 ff.).

Das Superblock-Konzept könnte eine mögliche Lösung sein, Stadtviertel mit geringen Investitionen so umzugestalten, dass sich der Verkehr reduziert, Emissionen verringern, die Lebensqualität erhöht und der öffentliche Raum neu gestaltet werden kann (vgl. etwa Eggimann 2022; López/Ortega/Pardo 2020; Rueda 2019). Bei einem Superblock werden die inneren Straßenflächen von klassischerweise neun Straßenblöcken umgestaltet, sodass ein Netz entsteht, das für den motorisierten Durchgangsverkehr gesperrt oder durch drastische Geschwindigkeitsreduktionen und Einbahnstraßensysteme eingeschränkt wird (vgl. Abb. 1). Der Pkw-Verkehr soll so auf die umliegenden Hauptstraßen beschränkt werden, wodurch der öffentliche Raum im Innern des Superblocks für eine gemeinsame städtische Nutzung zur Verfügung steht. Dieses in Barcelona entwickelte Konzept hat über die Grenzen Spaniens hinaus viel Beachtung gefunden. Es wurde auch in Deutschland bereits aufgegriffen – etwa in Berlin, wo die Initiative Changing Cities e. V. die Kampagne #Kiezblocks ins Leben rief. Ihr Ziel ist es, 180 Berliner Kieze nach dem Vorbild der Superblocks umzugestalten. Aktuell gibt es in Berlin 73 aktive Initiativen, von denen elf bereits vollständig oder teilweise umgesetzt wurden (Stand: März 2025, vgl. #Kiezblocks o. J.).

Abb. 1 Aktuelle Ansicht eines Wohnblocks vs. Schema eines Superblocks (Quelle: Eigene Darstellung nach Eggimann 2022: 407)
Abb. 1 Aktuelle Ansicht eines Wohnblocks vs. Schema eines Superblocks (Quelle: Eigene Darstellung nach Eggimann 2022: 407)

3. Ein Hauch von Barcelona am Main

Als ehemaliger Industriestandort ist Offenbach am Main seit Beginn der Krise des Fordismus in den 1970er Jahren von einem tiefgreifenden Strukturwandel betroffen. In der Folge stiegen die Sozialausgaben und die Verschuldung der Stadt nahm stetig zu. Darauf reagierte die Stadt seit den 1990er Jahren mit einer strengen Austeritätspolitik. Nach der globalen Finanzkrise 2008 und trotz einer zum Teil erfolgreichen Haushaltskonsolidierung ist die gegenwärtige finanzielle Lage Offenbachs nach wie vor angespannt (Petzold 2024: 184 f.). Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen handelt sich um die ärmste Stadt Hessens (Seils/Baumann 2019), was ihr den Ruf als „Frankfurts arme kleine Schwester“ (Göpfert 2019) einbrachte. Die Stadtverwaltung initiierte daraufhin verschiedene Strategiepapiere mit dem Ziel einer wachstumsorientierten Stadtentwicklung. Dazu gehört der Masterplan Offenbach am Main 2030, den das bekannte und weltweit agierende Architekturbüro Albert Speer und Partner entwickelte (AS&P/Offenbach offensiv/Stadt Offenbach am Main 2015: 11). Trotz Rekordeinnahmen in den letzten Jahren wächst das finanzielle Defizit der Stadt aktuell wieder. Grund dafür sind gestiegene Kosten und dass die Zahlungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich niedriger ausfallen als erwartet. Die Stadt reagiert auf diese Haushaltslücken mit einer Ausgaben- und Stellenbesetzungssperre sowie mit einer Erhöhung der Grundsteuer (Sommer 2024; Stadt Offenbach am Main 2024).

Im Sommer 2023 führten wir sechs qualitative Expert_inneninterviews mit Akteur_innen, die an den Offenbacher Stadtentwicklungsprozessen oder an der Entwicklung eines Superblock-Konzepts für das Nordend beteiligt sind. Die Interviewten arbeiten im Mobilitäts- und Stadtplanungsamt, im Quartiersmanagement, in der Wirtschaftsförderung, in der Mobilitätsgestaltung, in der ansässigen Kunsthochschule und bei einer Bürger_inneninitiative.

In Offenbach brachten neben Einzelpersonen die Hochschule für Gestaltung (HfG) und die Bürger_inneninitative OFBlock das Superblock-Konzept ins Gespräch. Sie führten 2021/2022 zusammen ein Projekt zur Umsetzbarkeit des Konzepts im Nordend durch. Im Stadtplanungsamt ist die Idee bekannt. Dort heißt es aber, sie stamme „überwiegend aus dem akademischen Raum“ (Interview Stadtplanungsamt) und wird von städtischer Seite derzeit nicht verfolgt. Die Bürger_inneninitiative sowie Einzelpersonen engagierten sich für eine Umsetzung, die politische Diskussion darum sei allerdings etwas „eingeschlafen“ (ebd.). So äußern sich die Befragten vom Quartiersmanagement, von der HfG und von OFBlock begeistert zum Superblock-Konzept, während die Vertreter_innen der städtischen Ämter und der Wirtschaftsförderung deutlich zurückhaltender sind. Dennoch sind sich alle Befragten einig, dass das Nordend grundsätzlich für die Implementierung eines Superblocks geeignet ist. Mit seiner dichten Bebauung, seinem linearen Straßennetz und seiner ÖPNV-Anbindung weist der Stadtteil wichtige physische und infrastrukturelle Faktoren auf, die dem Konzept entgegenkommen. Ein Superblock bietet zudem die Chance, dem bisherigen Mangel an Frei- und Grünflächen im Nordend entgegenzuwirken. Außerdem können das verringerte Verkehrs- und Lärmaufkommen und die bessere Luftqualität die allgemeine Lebensqualität steigern. Die Idee wird deshalb als potenzielles Instrument angesehen, die Mobilitätswende anzugehen. Dabei dient den Offenbacher Anhänger_innen des Konzepts Barcelona als Vorbild: „In Barcelona ist es halt so, […] die haben das erstens auch promotet […], aber es sieht schon toll aus. Also ich meine, du siehst es und denkst: ‚Mensch, wenn das bei mir im Viertel so wäre, [das] wäre toll!‘“ (Interview OFBlock). Das öfter genannte Beispiel Barcelona verdeutlicht, dass ein Superblock nicht nur zu einer höheren Lebensqualität beitragen kann, sondern dass sich dies auch ökonomisch in Wert setzen lässt. Bereits aktuell lässt sich eine Aufwertung des Nordends feststellen – nicht zuletzt durch die Entwicklung des angrenzenden hochpreisigen Hafenviertels. Das Nordend gewinnt derzeit bei Studierenden und Besserverdienenden an Beliebtheit, während die Mietpreise steigen. Noch vor etwa zehn Jahren befand sich der Stadtteil in einer „deutlichen Abwärtsspirale“ (Interview Wirtschaftsförderung), weshalb alle Interviewpartner_innen bis auf die befragte Person aus dem Mobilitätsplanungsamt die Aufwertungsprozesse des Nordends durchaus positiv bewerten. Dass im Viertel bereits eine Gentrifizierung einsetzt, streiten allerdings mehrere Befragte ab.

Als zentrales Konfliktfeld machen die Vertreter_innen der städtischen Ämter und der Wirtschaftsförderung bezeichnenderweise das Thema Parkplätze aus. Sie befürchten, dass ein potenzieller Superblock aufgrund einer möglichen Reduzierung der Parkplätze auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen könnte. Das zeigt den mangelnden politischen Mut, notwendige, aber unpopuläre Veränderungen zu kommunizieren und umzusetzen, wenn das bedeuten kann, Wähler_innenstimmen zu verlieren. Die Offenbacher Ampel-Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zwar das Ziel gesetzt, das Superblock-Konzept auszutesten (SPD/Grüne/FDP 2021). Dennoch gab es bislang kein grünes Licht für eine konkrete Umsetzung. Sollten sämtliche Widerstände und politischen Unstimmigkeiten tatsächlich überwunden werden, stünden einer Umsetzung immer noch die „chronisch knappen Kassen“ (Interview Bürger_inneninitiative) im Weg. Jegliche Entwicklungsprojekte stehen in Offenbach unter einem Finanzierungsvorbehalt. Als „Armutsinsel im Rhein-Main[-Gebiet]“ (Interview Wirtschaftsförderung) tut sich die Stadt schwer, Investitionen in allen Sektoren zu tätigen, denn „es gibt viele Aufgaben, die eine Stadt erledigen muss und dazu braucht man Geld und Offenbach hat relativ wenig Geld“ (ebd.). Aus diesem Grund ist „dieses Ergänzen um zuziehende Menschen mit stärkeren Einkommenshintergründen […] gewollte Politik“ (Interview Stadtplanungsamt), um die wirtschaftliche Situation der Stadt zu verbessern.

4. „More happy people“ durch Superblocks?

Offenbach steht im Kontext der Neoliberalisierung der Städte auf der Verliererseite des Städtewettbewerbs. Die Folge dieser misslichen Position ist eine jahrzehntelange Austeritätspolitik mit einer massiven Einsparung von Personalkapazitäten und einer Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. In letzter Zeit bemüht sich die Stadt sichtlich, ihr Krisenimage loszuwerden, die Kapitalakkumulation zu befördern und einkommensstarke Haushalte anzuziehen. Sie will weg vom Bild der Armutsinsel im Rhein-Main und inszeniert sich als „Soul OF Hessen“ (Stadt Offenbach am Main o. J.). Diese Bemühungen zeigen derzeit erste Erfolge. Offenbach und insbesondere innenstadtnahe Viertel wie das Nordend werden zunehmend als attraktive Wohnorte wahrgenommen. Das spiegelt sich auch in der Entwicklung der Mietpreise wider. Beispielsweise ist der Mietpreis einer mittelgroßen Wohneinheit in mittlerer Wohnlage (Baujahr 1979-1994) zwischen 2014 und 2024 von 7,60 Euro pro Quadratmeter auf 9,20 Euro gestiegen (eigene Berechnungen nach Mieterbund Offenbach e. V./Haus & Grund Offenbach am Main/Magistrat der Stadt Offenbach am Main 2024: 4). Zudem gelang der Stadt kürzlich die Ansiedlung des Ventilherstellers Samson und des Biotech-Unternehmens BioSpring auf dem neu entwickelten Innovationscampus im Osten der Stadt sowie der Zentrale des Snackproduzenten Lorenz im ans Nordend angrenzenden Kaiserlei.

Konkrete Maßnahmen des neoliberalen Umbaus der Stadt liegen hingegen in der Vergangenheit. Die Schließung der städtischen Schwimmbäder erfolgte in den 1990er Jahren, das Klinikum wurde 2013 für einen Euro an den Krankenhauskonzern Sana verkauft und so privatisiert und die Haushaltskonsolidierung im Rahmen des hessischen Landesprogramms Kommunaler Schutzschirm dauerte bis 2020. In jüngster Zeit nahm die Stadt scheinbar Abstand von dieser unternehmerischen Privatisierungs- und Austeritätsstrategie. Die Vertretung der Wirtschaftsförderung bewertet die Krankenhausprivatisierung als „versemmelt[es]“ (Interview Wirtschaftsförderung) Projekt der Stadt. Gleichzeitig vertreten Mitarbeitende aus den städtischen Ämtern durchaus ideelle Ansichten, mit denen sie die Stadt lebenswert gestalten wollen. In unseren Interviews ist die anhaltende Sparpolitik dennoch weiterhin allgegenwärtig. Über der gesamten Stadtpolitik schwebt die Maxime, dass es „eben nicht wieder abwärts geht“ (ebd.). Angesichts der Sorge vor politischer und gesellschaftlicher Gegenwehr, finanzieller Engpässe und des Mangels an personellen Kapazitäten in den städtischen Ämtern ist davon auszugehen, dass das Superblock-Konzept in Offenbach in absehbarer Zeit nicht umgesetzt werden wird.

In Offenbach verhält sich das Superblock-Konzept also ambivalent zu neoliberalen Stadtpolitiken. Einerseits würde es die Lebensqualität der Menschen vor Ort durch reduziertes Verkehrsaufkommen, weniger Lärm und die Möglichkeit einer grundlegenden Transformation des öffentlichen Raumes erheblich steigern. Es könnten alternative Möglichkeiten zur Gestaltung des Straßenraums entstehen, die sich stärker an den Bedürfnissen der Bewohner_innen orientiert. Aufgrund der Sozialstruktur im Nordend käme die erhöhte Lebensqualität zu einem großen Teil einkommensschwachen und migrantischen Haushalten zugute. Im Idealfall führten Superblocks dort also zu „more happy people“ (Interview OFBlock). Zusätzlich würden mit dem Konzept Emissionen eingespart. Es könnte also zur Mobilitätswende und zu einer klimafreundlicheren Gestaltung der Städte beitragen. Damit fügt sich das Superblock-Konzept nicht ohne weiteres in eine Neoliberalisierung des Städtischen ein, sondern bietet sogar die Möglichkeit, einen Gegenpol zu einer rein unternehmerischen Gestaltung von Städten zu bilden. Andererseits fungiert das Konzept durchaus auch als Imagefaktor. Das Thema Superblocks sei gerade aktuell, „[w]eil es geil aussieht“ (Interview OFBlock) und ein „cooler Begriff ist“ (Interview Wirtschaftsförderung). Das Konzept wird direkt mit der Stadt Barcelona und darüber mit einem positiven, mediterranen Lebensgefühl verbunden. Superblocks sind also ein Faktor, der durch Standortmarketing durchaus im Sinne einer unternehmerischen Stadtpolitik produktiv gemacht werden kann. Außerdem handelt es sich beim Superblock-Konzept unbestreitbar um eine Maßnahme, die den öffentlichen Raum deutlich aufwertet. Angesichts der derzeit bereits stattfindenden Aufwertung des Viertels, die von der vorherrschenden Stadtpolitik unterstützt und gewünscht ist, ist zu erwarten, dass die Umsetzung eines Superblocks zu Verdrängungsprozessen der Bestandsbevölkerung führen würde. Anzunehmen ist eine Inwertsetzung des Superblock-Konzepts für das Image der „Soul OF Hessen“, um jene einkommensstarken, akademischen Haushalte anzuziehen, die genau von solch einem umweltschonenden Grundkonzept angesprochen werden. Statt den vorhandenen Bewohner_innen des Nordends neue Möglichkeiten zu eröffnen, ist also eher eine green gentrification zu erwarten. Inwiefern das Konzept auf neoliberale Weise vereinnahmt wird, hängt jedoch nicht nur von der konkreten Implementierung vor Ort ab. Ob überhaupt eine Umsetzung möglich ist, bei der die Bedürfnisse der Bewohner_innen an erster Stelle stehen, damit diese auch tatsächlich von den Vorzügen des Projekts profitieren können, liegt teilweise außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Stadt. Um steigende Mietpreise und Verdrängungsprozesse zu verhindern, bräuchte es politische Reformen auf Bundesebene – beispielsweise des Mietrechts. Diese sind angesichts des derzeitigen politischen Klimas in Deutschland jedoch mehr als unwahrscheinlich.

5. Ein Superblock für alle in der kapitalistischen Stadt?

Die Aushandlungen um einen Superblock in Offenbach am Main zeigen, in welchem Maße sich die neoliberale Transformation des Städtischen auch nach der Hochphase der Neoliberalisierung im Lokalen manifestiert. Die Verliererposition im Städtewettbewerb äußert sich vor Ort durch eine strikte Austeritätspolitik, die anhaltend jegliches städtische Agieren prägt. Neuartige Mobilitätskonzepte, entwickelt aus der Notwendigkeit einer Mobilitätswende angesichts der Klimakrise, unterliegen dabei einem Widerspruch. Zum einen bietet ein Konzept wie das der Superblocks die Chance, die Lebensqualität der größtenteils einkommensschwachen Bevölkerung im Offenbacher Stadtteil Nordend zu steigern und ihr Möglichkeiten zur Mitgestaltung des Straßenraums zu eröffnen. Zum anderen unterliegt das Projekt der Superblocks im Kontext einer seit Jahrzehnten stattfindenden Neoliberalisierung des Städtischen der Gefahr, für eine unternehmerische Stadtpolitik nutzbar gemacht zu werden. Aufgrund der momentanen Stadtpolitik Offenbachs, die die Anziehung von Industrie und einkommensstarken Haushalten zum erklärten Ziel hat, erwarten wir, dass die bereits stattfindende Aufwertung des Viertels durch eine Umsetzung des Superblock-Konzeptes noch deutlich verstärkt werden würde. Die mögliche Verdrängung der Bestandsbevölkerung wäre daher eine wahrscheinliche Folge von dessen Umsetzung. Das Problem der Inwertsetzung ist dabei nicht im Mobilitätskonzept der Superblocks begründet, sondern lässt sich auf die nach kapitalistischen Grundsätzen erfolgende Gestaltung der Städte zurückführen. Es liegt an den gesellschaftlichen Machtverhältnissen und am politischen Willen sowohl lokaler als auch supralokaler Akteur_innen, einen Superblock innerhalb der kapitalistischen Stadt so umzusetzen, dass die aktuellen Bewohner_innen des Viertels davon profitieren. Dabei gilt es auch, vorhandene Handlungsspielräume zu nutzen, um deren Verdrängung möglichst zu verhindern. Um die Auswirkungen solcher Konzepte auf die lokale Bevölkerung zu analysieren und städtische Handlungsmöglichkeiten auszuloten, halten wir es für wichtig, den Zusammenhang zwischen neoliberaler Stadtpolitik und Mobilitätsgestaltung genauer zu untersuchen. Dafür braucht es in der wissenschaftlichen Debatte unserer Ansicht nach eine Verbindung der bisher eher separaten Forschungsfelder Mobilitätsforschung und Stadtforschung. Nur so lassen sich die Umsetzung vermehrt auftauchender, neuartiger Mobilitätskonzepte und deren Folgen kritisch begleiten.