sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung 2025, 13(1), 123-133

doi.org/10.36900/suburban.v13i1.1022

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CC BY-SA 4.0

Debatte zu: Johann Braun und Anke Schwarz „Regression als Aufbruch?“

Kommentare von: Valentin Domann, David M. Higgins, Agnieszka Pasieka, Zita Seichter, Matt Varco

Über Zukunftsvorstellungen und Naturverständnisse rechter Siedler*innen

Kommentar zu Johann Braun und Anke Schwarz „Regression als Aufbruch? Kritische Geographien rechter Zukunftsentwürfe“

Matt Varco

Obwohl rechte Ideologien oft mit einer affektiven Politik der Nostalgie, des Niedergangs und des Verlustes in Verbindung gebracht werden (im Gegensatz zu einer progressiven Politik der Hoffnung und des Fortschritts, siehe Elgenius/Rydgren 2022), ist die Zukunft zu einem zentralen Kampfgebiet der völkischen Ideologie geworden. Rechtsextreme Zukunftsgestaltung erfolgt über ein antizipatorisches und immunologisches Register. Sie mobilisiert gleichzeitig die Angst vor einem drohenden nationalen Zusammenbruch und den Wunsch nach einer harmonischen und gereinigten Zukunft. Dieser Kommentar zum Debattenaufschlag von Johann Braun und Anke Schwarz (2025) analysiert die Raumpolitiken der Zukunft am Beispiel der völkischen Siedlerbewegung. Ein wichtiges Ziel dieses Kommentars ist die Vermeidung einer Zeitpolitik, die ideologische Positionen zu Zukunft und Zeitlichkeit geradlinig auf einem eindeutigen Links-Rechts-Spektrum abbildet.

1. Faschismus und die Zukunft

Eine einfache Gegenüberstellung von zukunftslos-schlecht-rechts einerseits und zukunftsvoll-gut-progressiv andererseits mag für gängige Darstellungen von Liberalismus versus Autokratie – die wir derzeit in vielen öffentlichen Diskursen sehen – axiomatisch sein (siehe etwa Koch 2019). Doch eine solch vereinfachende moralische Geographie ist tatsächlich schädlich für das Verständnis der Anziehungskraft gegenwärtiger rechter Imaginationen und Ideologien. In seinem Beitrag über das Verhältnis des Faschismus zur Moderne erinnert uns Geoff Eley (2013: 210) daran, dass „fascists were not ‚anti-modern‘ or ‚backward-looking‘ in any analytically sensible use of those terms“. Für Peter Osborne (1995: 164) mag das Zukunftsbild des Faschismus „derive from the mythology of some lost origin or suppressed national essence“, jedoch sei seine „temporal dynamic […] rigorously futural“. Die Intellektuellen des Faschismus wussten, dass die Vergangenheit, die ihre Bewegung wertschätzte, bereits unwiederbringlich verloren war. Das Ziel ihrer Politik war daher nicht die „Rückkehr“ an sich, sondern – wie Osborne es ausdrückt – „to realize this ‚past‘ for the first time“ (ebd., Hervorhebung im Original). Diese Aussagen signalisieren ein grundlegendes Spannungsverhältnis zwischen Bewahrung und Umwälzung, das die radikale Rechte seit Langem umtreibt: Auf der einen Seite steht der Wunsch, eine bestimmte Vision der Welt zu bewahren und zu schützen, auf der anderen der Wunsch, die Welt nach einem neuen Bild radikal umzugestalten. Mit dieser Problematik setzten sich auch führende Köpfe der Rechten auseinander. Der völkische Publizist Arthur Moeller van den Bruck definierte die Zukunft des (radikalen) Konservatismus kurz nach dem Ersten Weltkrieg wie folgt:

„Die Jugend, auf die es für Deutschland ankommt, dringt zu den Wurzeln vor, um wieder anzuknüpfen. Hier liegt ihr Konservatismus, der sich diesmal nicht auf Dinge der Vergangenheit bezieht, sondern Zukunft sicherstellen will: der Dinge schaffen will, die aufzubewahren sich lohnt.“

(Arthur Moeller van den Bruck [1919], zitiert nach Langebach/Raabe 2016: 576)

Die Besorgnis über die Erosion der Vergangenheit, die den Wunsch nach einer Zukunft weckt, in der sie bewahrt werden kann; das Bestreben, die Politik auf eine Weise zu revolutionieren, die gleichzeitig die Erinnerung an frühere politische Errungenschaften bewahrt – auf diese Weise erhebt die radikale Rechte Anspruch auf die politische Arena der Zukunft. Diese Positionen verbinden sich auf interessante Weise mit aktuellen geographischen Arbeiten zum Thema Zukünfte – mit Arbeiten, die zukunftsgestaltende Praktiken als situiert, partiell und politisch verstehen, die nach den Bedingungen fragen, unter denen Zukunftsansprüche erhoben werden und die fragen, für wen bestimmte Zukünfte imaginiert, umgesetzt oder vermieden werden. Die Sonderausgabe „Futures: Imagining Socioecological Transformation“ der Annals of the American Association of Geographers von Bruce Braun (2015) lieferte einen dringend benötigten Anstoß zur Erforschung der futuristischen Dimensionen transformativer ökologischer Projekte. Während Braun im Allgemeinen aus einer progressiven, emanzipatorischen Richtung argumentiert, wurde sein Anstoß seitdem von einer Reihe von Arbeiten ergänzt, die die Investitionen reaktionärer Ideologien und Praktiken in die Zukunft untersuchen. Sara Smith und Pavithra Vasudevan (2017: 211) beispielsweise diskutieren die vielfältigen Verbindungen zwischen Ethnie, Biopolitik und Zukunft. Sie argumentieren, dass „framings of race are crucially about shaping the future, and likewise, future imaginaries are central to present biopolitical operations“. In ähnlicher Weise nehmen Jevgeniy Bluwstein und Salvatore Paolo De Rosa (2024: 1) eine kritisch-realistische Haltung zum Ruf nach emanzipatorischen Zukünften ein. Sie fragen, „how current hegemonic projects underpin the making of political ecological futures“. Die beiden Autoren verorten die Zukunftsgestaltung in einer dystopischen Gegenwart die intensiv von Kolonialismus, Landraub, Rassismus, extraktivem Kapitalismus und Formen sozialer Ausgrenzung geprägt ist, die durch spekulative Ansprüche an die natürliche Welt wirken. Die Zukunft sollte also nicht als ein abstrakter Zustand verstanden werden, der auf uns zukommt (im Sinne des französischen Begriffs l’avenir), sondern als ein spekulativer Bereich, der durch politische Ideologien und Praktiken verkörpert, produziert und bestritten wird.

2. Völkische Zukünfte

Eine Lehre, die ich aus meiner empirischen Arbeit über die völkische Szene gezogen habe, betrifft die Notwendigkeit, den politischen Inhalt rechter Zukunftsdiskurse zu spezifizieren und über Entweder-oder-Fragen zu Zukunft und Vergangenheit hinauszugehen. Was diese Zukunftsdiskurse als besonders rechtslastig kennzeichnet, ist die Art und Weise, wie sie die Idee der Zukunft mit der Idee der ethno-nationalen Reproduktion verbinden und wie sie ein biologisches Konzept einer politischen Gemeinschaft mit der Idee von Politik selbst als einem existenziellen Kampf zusammenführen. Die Analyse sollte sich dabei nicht an der Zukunftsorientierung oder der Zukunftslosigkeit orientieren, sondern sich auf eine ganz bestimmte Reihe von Behauptungen über Ethnie, Nation und politische Zeitlichkeit konzentrieren.

Obwohl der Begriff völkisch eine Reihe politischer Ausdrucksformen umfassen kann, konzentriere ich mich auf eine spezifisch ländliche Ausprägung dieser Politik, die über eine Kritik der liberalen (post-)modernen Kultur hinausgeht und eine organisiertere Form der Lebensstilpolitik einschließt. Diese stellt explizit Land, Ethnie, Gemeinschaft und Reproduktion in den Mittelpunkt stellt. Diese Hinwendung zu dem, was Andrea Röpke und Andreas Speit (2019) als „völkische Landnahmecharakterisierten, nimmt zahlreiche räumliche Formen an. Häufig konzentriert es sich auf die Förderung ländlicher Siedlungen und kommunaler Lebensexperimenten. Diese Projekte gibt es in ganz Deutschland, sie sind jedoch häufig in ländlichen Gebieten angesiedelt, insbesondere an Orten, an denen Abwanderung und ungleiche regionale Entwicklung zu einem günstigen Immobilienangebot und einem relativen Fehlen klassischer zivilgesellschaftlicher Strukturen geführt haben (Schmidt 2014). Einige dieser Projekte sind explizit gemeinschaftlich organisiert, wobei die Siedler*innen auf kollektivem Land leben und arbeiten (wie die von Duwe (2020) dokumentierten Anastasia-Siedlungen), während andere eher lose um einzelne Familien herum organisiert sind, die in eine bestimmte Region ziehen und dort allmählich Einfluss auf das umliegende Gebiet ausüben. In jedem Fall stehen diese Projekte in einer Reihe mit den allgemeineren Formen, in denen Rechte Räume (Trüby 2020) und Territorialisierungen (Domann 2024; Terra R Autor*innenkollektiv 2025) rechtsgerichteter Akteur*innen im nicht-urbanen Raum mobilisiert werden.

Wissenschaftler*innen haben diese Hinwendung bestimmter Segmente der völkischen Rechten zu einer auf Landbesiedlung basierenden Strategie als eine Form des „dissidenten Rückzugs“ (Fielitz/Wallmeier 2019) oder einer „authoritarian sustainability“ (Dannemann 2023) verstanden. In Anlehnung an das, was ich an anderer Stelle als „Volksutopien“ (Varco 2024) erforscht habe, argumentiere ich, dass diese Siedlungsprojekte sowie die rechte räumliche Strategie, die sie unterstützen, auch nützliche Erkenntnisse darüber liefern können, wie die extreme Rechte die Zukunft konzeptualisiert und dass sie diese Konzeptualisierungen in eine sehr materielle und geerdete Form der ökologischen Praxis umsetzt.

Ein klares und beunruhigendes Merkmal dieser rechten Siedlungsbewegungen ist ihr nicht apologetisches Eintreten für weiße Familienstrukturen. Der völkische Diskurs benennt die Familie als Keimzelle einer erfolgreichen nationalistischen Politik. Ein Sprecher der völkischen Organisation „Ein Prozent für unser Land“ argumentiert, dass es von entscheidender Bedeutung sei, „kinderreiche Familienstrukturen” aufzubauen, „in denen der Geist unseres Volkes würdig, klug und gesittet zu Hause ist“ (zitiert nach Röpke/Speit 2019: 66). Im klassischen eugenischen Stil folgen Gemeinschaft und Kultur direkt aus diesem biologischen Substrat. Ein ähnlicher Artikel zum Familienleben in der Freibund-Veröffentlichung na klar!“ behauptet, Familien seien „stabil geordnete, harten und gemeinschaftsorientierten Gesetzen folgende, kleine Lebenskreise“ und dass „gemütstiefe Empfindungen für Heimat, Volk und Vaterland“ nur in „fest verortete[n] oder sich verortende[n] Familien- und Sippenverbände“ verwirklicht werden können, „die für ihre Nachkommen Orte heimatlicher Geborgenheit und geschichtlicher Identität“ (ebd.) bilden. In dieser Weltanschauung werden Familieneinheiten zu Trägerinnen und Medien des Rassen- und Ahnenbewusstseins – ein Glaube, der bis in die körperlichsten und intimsten Dimensionen des Alltagslebens vordringt. Eine Publikation der Amadeu Antonio Stiftung veranschaulicht die äußerst konservativen patriarchalischen Überzeugungen, die in völkischen politischen Netzwerken herrschen. Diese gehen einher mit einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die mit der Notwendigkeit begründet wird, „das Fortbestehen der deutschen ‚Volksgemeinschaft‘ und der ganzen ‚arischen Rasse‘ zu sichern“ (Nowak 2017: 17; siehe auch Schmidt 2015). Innerhalb dieses völkischen Weltbildes bilden die Rückkehr zu ländlichen und naturgemäßen Lebensweisen sowie die rassische Reproduktion des Volkes ein und dasselbe Ziel. Das „Out of the Woods Collective“ macht deutlich, wie diese gleichzeitige Aufwertung von nature und nurture eine besondere Verschmelzung von natalistischer Biopolitik mit einer statistischen Logik von Staatsangehörigkeit und Zugehörigkeit untermauert: „The idealized reproduction of nature can then be used to discipline human reproduction, which is itself the precondition of the nation-state—after all, what is a ‚birthright‘ without births?“ (2020: 91). Autor*innen, die an der Schnittstelle zwischen queerer Theorie und Biopolitik arbeiten, liefern zahlreiche Werkzeuge zur Kritik dieser Ideologie. Lee Edelman (2004: 53) bezeichnet sie als „pro-procreative prejudice“ und Sean Wang (2017: 263) kritisiert sie als „reproductive futurism“. An dieser Stelle genügt es jedoch herauszustellen, dass das Bild des Kindes ein zentrales Motiv der völkischen Zukünfte ist.

Die Aufwertung des Kindes und der Familie betrachten völkische Siedler*innen auch als Teil eines langfristigen Bollwerks gegen den angeblichen großen Austausch. Auf der Website der Gruppe „Zusammenrücken“ ist folgende „Analyse“ zu lesen:

„Allein in Deutschland leben somit mittlerweile gewissermaßen drei weitere komplette Völker. Diese Entwicklung ist irreversibel und lässt sich allenfalls durch einen Geburtenanstieg der autochthonen Restdeutschen bei gleichzeitigem Einwanderungsrückgang geringfügig abschwächen. Soweit die ernüchternde biologisch-mathematische Ist-Aufnahme.“

(Zusammenrücken 2020)

Nach der Überprüfung dieses „biologisch-mathematischen“ Kalküls schwenkt das zitierte Manifest zu einem rechtsgerichteten „Was tun?“ über und schlägt eine koordinierte weiße Besiedlung der weniger bevölkerten ländlichen Gebiete Deutschlands vor. Es sieht Hoffnung in „Mitteldeutschland“, das es als eine Art Zufluchtsort, als Refugium weißer deutscher Identität sowie als Gegenpol zur zuvor skizzierten biopolitischen Dystopie konstruiert. Die Idee der Degeneration, des Niedergangs und des absichtlichen „Ausverkaufs“ und Ersatzes nationaler Naturen sind starke Motive im zeitgenössischen völkischen Kanon. Die Heidegger’sche Naturzeitschrift Die Kehre publiziert regelmäßig Artikel mit Titeln wie „Gegen den Ausverkauf der Heimat“ (Eichberger 2020), während deren Vorgängerzeitschrift Umwelt & Aktiv (2016) etwa die „Naturbewusstseinsstudie im Lichte des Bevölkerungsaustauschs“ untersuchte. Eine wiederkehrende Fantasie unter völkischen Aktivist*innen und der extremen Rechten im weiteren Sinne ist die Vorstellung von multikulturellen Realitäten als Teil eines systematischen Programms eines social engineering – geleitet von schattenhaften Eliten in wechselnder Besetzung, die angetrieben werden von ihrer Verachtung für die einheimischen Kulturen Europas. Diese Behauptung einer bevorstehenden Zerstörung weißer Lebensweisen kann in der Tat nicht nur als randständiger Verschwörungsmythos verstanden werden. Sie ist in vielerlei Hinsicht eine der verbindenden ideologischen Klammern der zeitgenössischen extremen Rechten. Für Chetan Bhatt (2020: 28) vereint „the fear of ‚white extinction‘ […] virtually all European and North American far-right tendencies“. Dies schließe eine „rejection of abstract universals, the institution of occult naturalism and vitalism, the mobilization of folk anthropologies of culture, and ideas of cosmic destiny“ ein (ebd.). Die wahre Bedrohung dieser Art von Glaubenssystem liegt in der politischen Theologie, die es impliziert: Politik wird zu einer Angelegenheit von existenzieller Bedeutung erhoben. Der Einsatz ist so hoch, dass eine „metaphysics of violence“ (ebd.: 47) als einzig gangbarer Weg für rechte Politik erscheint.

Trotz des Hasses und der „racial anxiety“ (Goldberg 2009), die diese rechte Politik verkörpert, ist sie gleichzeitig eingebettet in eine ausgesprochen utopische Vorstellung von Zukunft. Der Vitalismus und die Esoterik von Gruppen wie der Anastasia-Bewegung zeugen von einer Weltanschauung, die durchaus eine Vorstellung von der Erlösung und Rettung, von einer besseren Zukunft für ihre Anhänger*innen hat. Manuela Beyer und Manès Weisskircher (2024) analysieren die verschiedenen Arten, in denen diese Diskurse Bilder von Zukunft produzieren: Für ihre Protagonist*innen sind diese positiv: monoethnisch, unkompliziert und frei von äußeren kulturellen Einflüssen. Die Website der völkischen Gemeinschaft „Weda Elysia“ ist ebenfalls recht eindeutig in ihrer Darstellung der modernen Gesellschaft, die sich an einem „Scheideweg“ befände. Die Gemeinschaft präsentiert ein zweigeteiltes Meme (Weda Elysia 2020): Auf der einen Seite ist eine fast hysterisch-dystopisch dargestellte Szene einer städtischen Industriegesellschaft zu sehen – mit Menschenmassen, satanischen Schornsteinen und brennenden Müllbergen, umgeben von vermummten Gestalten. Die andere Seite zeigt ein Bild ländlicher Harmonie mit zwei blonden Kindern auf einem goldenen Pferd, einer weißen Familie in der Sonne, vor einem Hintergrund mit Seen und Feldern. Die Bildsprache grenzt an Selbstparodie, doch der Text ist durchaus ernst. Er stellt die Frage: „Gehen wir den linken technokratischen Weg weiter? Oder gehen wir den artgerechten Weg in aller Konsequenz?“ (ebd.). Das Meme und ganz allgemein die politische Kommunikation von „Weda Elysia“ mobilisieren ganz offensichtlich gegensätzliche dystopische und utopische geographische Vorstellungen. Damit versucht die Gemeinschaft, die allgemeine Desillusionierung vom urbanen Leben in einer völkischen Richtung zu artikulieren. Obwohl die Auseinandersetzungen der Rechten mit den urbanen Räumlichkeiten komplexer sind als eine einfache Großstadtfeindschaft (Braun 2024), wird die Stadt hier für den Stil des landbezogenen völkischen Aktivismus ziemlich eindeutig zum Feindbild, das die Dringlichkeit des Handelns katalysiert. Was Anderson (2010: 777) als „anticipatory action“ bezeichnet, trifft hier ganz direkt zu: Die dystopische, gewissermaßen gefallene Zukunft wird zum Anlass und zur Rechtfertigung für dringendes Handeln im Hier und Jetzt. Die Rückkehr aufs Land wird ausdrücklich als Eingriff in die Zukunft gerechtfertigt, indem sie eine bestimmte Zukunft verhindert und eine andere ansteuert. Braun und Schwarz (2025) ist zuzustimmen, dass hier kein simpler Rückzug zu beobachten ist, sondern vielmehr eine immer gefährlichere zukunftsorientierte Form der präfigurativen Praxis.

3. Fazit

Die beschriebenen völkischen Zukünfte hängen von der Mobilisierung eines breiten affektiven Registers rassistischer Ressentiments, Ängste und Wünsche ab. Für jede politische Bewegung, die diesen Prozessen entgegenwirken will, ist es wichtig, die Art und Weise zu erkennen, wie sie mit ganz gewöhnlichen, banalen Formen der politischen Philosophie und Praxis verbunden sind. Wie die jüngsten Debatten über immunity (Esposito 2008, 2015) und immunitäre Biopolitik (Swyngedouw/Ernstson 2018) zeigen, sind diese Denkweisen und Praktiken keineswegs auf das rechtsextreme oder völkische Lager beschränkt. Gegenerzählungen zu Philosophien wie Liberalismus und Neoliberalismus (Neocleous 2000; Losurdo 2005; Slobodian 2019) zeigen die Abhängigkeit vermeintlicher Freiheitsphilosophien von gut entwickelten Vokabeln der Versicherheitlichung, der Entmenschlichung und der politisch-ökonomischen Herrschaft. Diese bringen ideologische Aussagen hervor, die sich im Prinzip nicht radikal von dem völkischen Wunsch unterscheiden, Lebensraum und reproduktive Vitalität für die sogenannte Volksgemeinschaft zu sichern. Die immunologischen Begründungen für eine europäische Abschottung gegen Migration (Turner/Bailey 2021) – sei es im Naturschutzdiskurs, der auf Vorstellungen von „Artenreinheit“ beruht (Ritvo 2010; Fredriksen 2016), in militarisierten Landschaftsschutzpraktiken (Duffy 2022), in Formen des Kohlenstoffausgleichs, die auf Enteignung und Landraub beruhen (Rogers 2013), in von Gentrifizierung getriebenen Stadtsanierungen (Harper 2020) – all dies spricht für das Potenzial regressiver zukunftsgestaltender Praktiken, die in unerwarteten Bereichen der sozialökologischen Praxis auftauchen. Gleichzeitig sind die Symbole im Zentrum völkisch-ökologischer Zukünfte – das Kind, die weiße Kernfamilie, das Dorf – keineswegs nur in solchen rechtsextremen Diskursen zu finden. Sie ziehen sich stattdessen durch alle möglichen politischen Philosophien und Traditionen und äußern sich so, dass Antifaschist*innen gezwungen sind, die Botschaft rechter Zukünfte so zu verstehen, dass sie eine Exzeptionalisierung der Rechten vermeiden. So zeigt sich etwa, dass autoritäre Ideologien sich in anderen geografischen und politischen Kontexten auf ganz gewöhnliche Weise einschreiben. Dies ist sicherlich eine schwierigere Aufgabe für die Gegner*innen des zeitgenössischen Faschismus. Doch ist es ein Ansatz, der stärker berücksichtigt, auf welch komplexe Art und Weise sich autoritäre Gefühle in und durch das Gefüge der späten neoliberalen Gesellschaften manifestieren.