„Diese Wände berichten von der Vergangenheit, von der Gegenwart, aber vor allem von einer strahlenden Zukunft“, erzählte mir der Anführer einer italienischen, extrem rechten Bewegung über die Plakate, die am Hauptsitz seiner Bewegung in einem Wohnviertel von Florenz hängen. Während unseres kurzen Rundgangs durch die Räumlichkeiten sprach mein Gesprächspartner mit mir über verschiedene Initiativen und wies auf Dinge hin, die zumindest auf den ersten Blick den Eindruck erweckten, dass sich der Aktivismus seiner Bewegung „nur um die Vergangenheit“ dreht. Wir sahen uns die Sammlung von Büchern über Faschismus an, Fotos, die die Arbeit auf Friedhöfen während des Zweiten Weltkriegs dokumentieren, und Schwarz-Weiß-Illustrationen aus Dantes Göttlicher Komödie, die eine der Wände zierten. Ich hörte mir Berichte über Begegnungen mit Kriegsveteranen und über die Arbeit an, die Aktivist*innen in einer Stiftung zur Dokumentation der Zeit des Faschismus leisten.
Die von mir befragten Aktivist*innen wiesen jedoch hartnäckig die Behauptung zurück, sie seien vergangenheitsorientiert. Mehr noch, sie würden sich von Menschen, die in kommunistischen Verbänden aktiv sind, abgrenzen, um zu betonen, dass sie im Gegensatz zu Kommunist*innen eine Vision für die Zukunft haben. Eines der Mitglieder beschrieb die Veteranen, mit denen die Bewegung in der oben erwähnten Stiftung zusammenarbeitet, wie folgt:
„Die Faschisten, die den Krieg erlebt haben – die noch lebenden, die letzten – sind keineswegs nostalgisch. Sie waren es noch nie […]. Sie sind keineswegs nostalgisch, sie sind und waren immer auf die Zukunft ausgerichtet. Dahingegen sind Antifaschisten, Kommunisten, Partisanen supernostalgisch, weil sie keine Alternative haben – sie bieten nichts an, sie haben also nichts, worauf sie sich beziehen können. Ihr Verhalten ist einfach archaisch.“
In meinem kurzen Beitrag möchte ich diese Aussage zum Anlass nehmen, einige Fragen zu erörtern. Erstens stelle ich – ohne das Selbstbild meiner Forschungsteilnehmer*innen für bare Münze zu nehmen – die Frage, wie die Aussagen der Rechten über die Zukunft zu verstehen sind. Zweitens gehe ich der Frage nach, wie sich ihr Verständnis der Zukunft zu den Begriffen Fortschritt, Modernität oder Entwicklung verhält. Da der Faschismus und Faschist*innen eine Inspiration für die von mir untersuchten Milieus sind, stelle ich abschließend die Frage, ob und warum es sinnvoll ist, faschistische Zeitvorstellungen heranzuziehen, um zu versuchen, die heutige extreme Rechte zu verstehen.
Dieser Beitrag stützt sich auf ethnographische Forschung zu rechtsextremen Jugendbewegungen in mehreren europäischen Ländern (Pasieka 2024). Aus Platzgründen führe ich hier nur eine sehr kurze vergleichende Skizze an. Die von mir untersuchten Gruppen betonen vehement ihre Identität als Bewegungen, als grassroots communities, die sich von politischen Parteien unterscheiden. Ihre Mitgliederzahl variiert beträchtlich, von Gruppen mit einigen Dutzend bis zu einigen Hundert Mitgliedern. Auch der demographische Hintergrund der Mitglieder ist unterschiedlich, denn die Bewegungen scheinen junge Menschen aus allen Gesellschaftsschichten anzuziehen, die sich in verschiedensten Initiativen engagieren: von Konzerten von Musiker*innen aus dem rechtsextremen Milieu über gemeinsames Fußballschauen bis hin zu Wohltätigkeitsaktionen und Kulturveranstaltungen. Ideologisch gesehen sind sie ultranationalistisch und betonen die Bedeutung des christlichen Erbes und traditioneller Geschlechterrollen. Antisemitismus und antimuslimische Rhetorik sind weitverbreitet, und zahlreiche Aktivist*innen wurden wegen gewalttätiger Rhetorik und körperlicher Gewalt (insbesondere bei Demonstrationen und Kundgebungen) verurteilt.
Während die Frage der Gewalt von großer Bedeutung ist, muss betont werden, dass alle Bewegungen einen Prozess durchlaufen, den sie selbst als „Enthäutung“ bezeichnen – um ihr öffentliches Image zu „polieren“ und weil sie erkannt haben, dass es leichter sein könnte, Menschen in Einrichtungen für Bedürftige zu rekrutieren als in Fußballstadien. Angesichts der Tatsache, dass sich die Forschung zur extremen Rechten in der Regel auf politische Parteien konzentriert, wurde ich oft gefragt, was an den kleinen Milieus, die ich untersuche, so wichtig ist. Darauf antworte ich stets, dass meine Forschung deutlich macht, warum bestimmte Formen des Aktivismus und bestimmte Ideen die heutige Jugend ansprechen. In Anbetracht des Themas dieser Ausgabe und des Zeitschriftenprofils sollte erwähnt werden, dass die von mir untersuchten Gruppen tief in der städtischen Realität verwurzelt sind, in der sie leben, und gleichzeitig die Sehnsucht nach einer „Rückkehr“ zur Natur zum Ausdruck bringen und dazu neigen, das Landleben gegenüber der Hektik der Stadt zu idealisieren. Folglich stehen sowohl die Arbeit in Armenvierteln und heruntergekommenen städtischen Randgebieten als auch gemeinschaftliche Wochenendwanderungen in den Bergen auf dem Programm; und was sie verbindet, ist die starke Betonung von Verwurzelung und Zugehörigkeit.
Um zu verstehen, welche Art von Aktivismus diese Bewegungen verfolgen, muss man von der Prämisse ausgehen – die entscheidend ist, wenn man die Zukunftsvision(-en) der extremen Rechten berücksichtigt –, dass es keine einheitliche rechte Ideologie gibt. Heute umfasst der Begriff „extreme Rechte“ sowohl Befürworter*innen einer uneingeschränkten freien Marktwirtschaft als auch des Sozialismus, der Privatisierung, des Staatseigentums sowie niedriger und hoher Besteuerung. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die extreme Rechte tendenziell illiberal oder antiliberal ist, müssen wir anerkennen, dass sich Liberalismus manchmal auf das liberale demokratische System, manchmal auf die neoliberale Wirtschaft und manchmal auf Vorstellungen über Geschlecht, Moral oder die Rolle der Religion bezieht. Kurz gesagt, es gibt keine ideologische Deckungsgleichheit zwischen den Parteien und Bewegungen, die wir als „rechtsextrem“ bezeichnen, auch wenn sie dazu zu neigen scheinen, ihre Politik und sozioökonomische Agenda mit Nationalismus und nationaler Zugehörigkeit zu rechtfertigen. Die von mir untersuchten Bewegungen wenden sich sowohl gegen den Kapitalismus als auch gegen den Kommunismus und sehen im radikalen Nationalismus und Faschismus eine Art Ideologie des dritten Weges; und sie wenden sich gegen den Liberalismus schlechthin, den Liberalismus im Sinne eines politischen, wirtschaftlichen und moralischen Systems.
Die Ablehnung des Liberalismus durch die extreme Rechte ist zweifelsohne ein in der Literatur häufig genanntes Argument. Diese Diskussionen konzentrieren sich jedoch meist auf bestimmte Aspekte des Liberalismus. So wird in Studien über rechtsextreme Politiker*innen – ob Donald Trump, Victor Orbán oder Jair Bolsonaro – meist die Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Institutionen hervorgehoben, das heißt die Herausforderung, die eine solche Politik für die Idee der liberalen Demokratie selbst darstellt. Wissenschaftler*innen, die sich mit den sogenannten „Pro-Life-Bewegungen“ und dem Aufkommen des christlichen Nationalismus befassen, betrachten diese als Angriffe auf die liberale Idee der Freiheit. Schließlich wird in zahlreichen Arbeiten der Neoliberalismus für den Aufstieg der extremen Rechten verantwortlich gemacht: Im Mittelpunkt stehen hier besitzlose, entrechtete Bürger*innen, die sich aus Verbitterung und Enttäuschung über das kapitalistische System rechten Versprechungen anschließen und den Nationalismus als neue Quelle des sozialen Zusammenhalts betrachten (nachdem die Arbeiter*innenklasse diese Fähigkeit verloren hat).
Meinen Forschungsteilnehmer*innen erscheint die Unterscheidung zwischen verschiedenen Aspekten des Liberalismus jedoch unsinnig. Es mag überraschend klingen, aber in der Beschreibung ihrer Agenda scheinen sie an die Diskussion zwischen Nancy Fraser und Rahel Jaeggi anzuknüpfen, in der die beiden Philosophinnen die Idee infrage stellen, den Kapitalismus mit rein wirtschaftlichen Begriffen zu fassen (Fraser/Jaeggi 2023). Sie merken an, dass der Kapitalismus als System, als Ordnung der Dinge gesehen werden sollte, wie es beispielsweise der Feudalismus war. Diese Betrachtung spiegelt auch die Meinung von Douglas Holmes wider, der in seinem bahnbrechenden Bericht über den „schnellen Kapitalismus“ und den Aufstieg der extremen Rechten betont, dass das globalisierte Wirtschaftssystem als eine Kette von „ethischen, moralischen und sozialen Manövern“ zu verstehen sei (Holmes 2000: 11).
Diese „ganzheitliche“ Sichtweise des Kapitalismus und des Liberalismus hat für unsere Diskussion zwei wesentliche Implikationen. Die erste betrifft die Sprache der Krisenhaftigkeit, die in den Debatten zur extremen Rechten verbreitet ist. In den letzten Jahren ist eine Fülle von Werken entstanden, die sich mit dem „Aufstieg“ der extremen Rechten befassen. Obwohl solche Arbeiten reich an Erkenntnissen über die gegenwärtige rechte Szene sind, wird oft nicht ausreichend anerkannt, dass die nationalistische, rechte Alternative seit Jahrzehnten wächst, wenn auch mit einer anderen Dynamik als der Faschismus vor über einem Jahrhundert. Wie Holmes zeigt, hat sie sich mit neuer Kraft entwickelt, seit sich der Kapitalismus als die Ordnung eingerichtet hat, und wurde nicht nur von der marktwirtschaftlichen Rechten, sondern auch von der Linken eifrig gefördert, die, wie Fraser es ausdrückt, nur noch einen „progressiven Neoliberalismus“ vorzuschlagen hatte. Indem ein solcher Ansatz den Diskurs infrage stellt, der den Aufstieg der extremen Rechten als (plötzlichen) Bruch und Anomalie sowie als Lösung – eine Rückkehr zur Normalität, das heißt zum früheren Status quo – ansieht, zwingt er uns ebenfalls dazu, den Begriff der Krise zu überdenken.
In ihrem jüngsten Werk stellt Jaeggi (2023) die These auf, dass Gesellschaften kein Ziel haben, sondern Probleme lösen, und sie sieht Fortschritt als einen kumulativen Prozess von Problemlösung und Experimentieren. Inspiriert von dieser Sichtweise, fragen Johann Braun und Anke Schwarz (2025) nach den Strategien der Rechten zur Krisenbewältigung und nach Ideen, wie man die Krisen der Gegenwart bewältigen kann. In Bezug auf meine ethnographische Arbeit möchte ich eine andere Lesart vorschlagen. Eines der Dinge, die mich bei meinen Begegnungen mit rechten Aktivist*innen überrascht haben, war die häufig geäußerte Behauptung, dass sie „noch keine Antwort haben“ oder dass sie noch nach einer Antwort suchen oder überlegen, was zu tun ist. Eine solche Antwort bekam ich, als ich sie zu einer Vielzahl von Themen befragte: politische Reformen, Klimapolitik und auch aktuelle militärische Konflikte. Diese Rechten bezeichne ich deshalb als Fragende. Ich habe mich dabei von Holly Cases Buch The age of questions (2018) inspirieren lassen, in dem sie eine Reihe von „Fragen“ des neunzehnten Jahrhunderts (wie die Frauenfrage, die soziale Frage, die jüdische Frage usw.) analysiert und das Stellen von Fragen mit der Lösung von Krisen vergleicht. Der Begriff der Frage ist mehrdeutig. Einerseits umfasst er genau den Akt des Nachdenkens, Fragens und Erkundens, den ich gerade hervorgehoben habe. Andererseits, so Case, waren die Menschen im Europa des 19. Jahrhunderts, die Fragen stellten („Fragende“), „allergisch gegen die Gegenwart“; sie wünschten sich Veränderungen, waren aber nicht unbedingt fortschrittlich und forderten endgültige Lösungen. Kurz gesagt, die Frage steht für eine Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen den bekannten und gewünschten Antworten und denen, die noch zu erforschen sind. So sehen wir auch, dass die rechte Art, „Fragen“ zu stellen, in diesem Verständnis irgendwo zwischen Jaeggis Lesart von Fortschritt (verstanden als kollektives Experimentieren) und Rückschritt (verstanden als Verlernen) angesiedelt ist.
Die zweite Implikation betrifft eine der Antworten, die rechte Aktivist*innen auf ihre Schlüsselfrage, die liberale Frage geben. Radikaler Nationalismus – verstanden als gesellschaftspolitisches Projekt, das nationalistische Forderungen mit antikommunistischer und antikapitalistischer Rhetorik verbindet – wird von ihnen als die beste Antwort auf die globale Ordnung angesehen. Indem sie den Liberalismus rundheraus ablehnen, sehen sie den radikalen Nationalismus als ein Projekt, das eine Alternative bietet: eine Wirtschaftsordnung, einen ethischen Rahmen, eine Perspektive des Sozialen und nicht zuletzt eine Zeitlichkeit.
Zahlreiche Aktivist*innen sprechen nicht nur von radikalem Nationalismus, sondern auch von dessen spezifischer Variante, dem Faschismus, den wir in Anlehnung an George Mosse als revolutionären radikalen Nationalismus definieren können. Wie bereits erwähnt, weisen rechte Aktivist*innen die Behauptung zurück, dass sie den Faschismus nachahmen oder neu beleben wollen. Sie betonen, dass der Faschismus eine Inspirationsquelle sei, mehr aber auch nicht, da er nicht in die heutigen Verhältnisse passe und daher nicht kopiert werden könne. Was inspiriert sie und wie übertragen sie den Faschismus in die Zukunft?
Wie ich oben bereits angeführt habe, stellen die von mir untersuchten Gruppen ihre Identität als Bewegungen und Gemeinschaften in den Vordergrund, und daher ist es wenig überraschend, dass sie sich, wenn sie über den Faschismus als Inspiration sprechen, auf ähnliche Milieus der Zwischenkriegszeit beziehen. Die wichtigste Referenz für zeitgenössische Bewegungen ist die rumänische „Legion Erzengel Michael“ unter der Führung von Corneliu Zelea Codreanu. Die Legionärsbewegung war eine ultranationalistische Organisation, die Anleihen aus der orthodoxen Mystik mit Antisemitismus und Gewalt gegen politische Gegner verband. Sie betonte nachdrücklich die Notwendigkeit einer „Wiedergeburt“ der rumänischen Gesellschaft, war in den lokalen Gemeinschaften sehr aktiv und erlangte sowohl auf dem Land als auch an den Universitäten große Popularität.
Das Tagebuch von Codreanu und sein Buch über die Legionärsbewegung liegen in jedem Szenetreffpunkt, auch in jenem, den ich in der Einleitung beschrieben habe. Aktivist*innen wiederholen eifrig Codreanus Behauptungen, und die Vertrautheit mit Codreanus Texten ist in der Regel eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Bewegung. Es gibt viele Gründe für die Faszination, die von dieser zweifellos charismatischen Figur und ihren Anhänger*innen ausgeht. Meine Forschungsteilnehmer*innen betonen vor allem den basisnahen, „praktischen“ Ansatz und die Spiritualität der Legionäre, die anderen faschistischen Bewegungen angeblich fehlen. Der Einfluss Codreanus ist auch in der Kritik der Aktivist*innen am korrupten städtischen Leben gegenüber dem idealisierten Landleben sichtbar. Codreanu wird oft als „sichere“ Referenz betrachtet, da er 1938, also vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, starb (obwohl es als paradox angesehen werden könnte, ihn als sichere Referenz zu bezeichnen, wenn man den virulenten Antisemitismus seiner Bewegung und ihrer Ideen, einschließlich derjenigen zum städtischen Leben, bedenkt). Für meine Argumentation in diesem Beitrag halte ich die Idee von Codreanu und der Legionärsbewegung von Zeit und Nation für zentral.
Wie Raul Carstocea zeigt, übersetzte die Legionärsbewegung die Nation in eine „atemporale mythische Projektion, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfasste“ (2015: 79 ff.). Viele meiner Forschungsteilnehmer*innen erzählten mir, dass Codreanu einen kleinen Beutel mit rumänischer Erde um den Hals trug, und zitierten Codreanus Aussage, dass die Nation „alle derzeit lebenden Rumänen, alle Seelen der Toten und die Gräber der Vorfahren sowie alle, die als Rumänen geboren werden“ (Codreanu zit. n. Carstocea 2015: 84), umfasst. Ihre Faszination, wenn nicht gar Besessenheit von dieser Aussage – der Aussage, die nicht nur die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beinhaltet, sondern auch die Betonung der Bande der Vorfahren und des angestammten Territoriums – macht es mir leichter zu verstehen, warum es ihnen gelingt, eine Vielzahl von Aktionsformen erfolgreich zu verknüpfen, die verdeutlichen, dass „es nicht nur um die Vergangenheit geht“ – was sie vor allem für viele junge Menschen attraktiv macht.
Gedenken an tote Soldaten, Besuche auf Friedhöfen und Fackelmärsche – Aktivitäten, die wir in den populären Medien zu sehen bekommen – können, zumindest auf den ersten Blick, diese Behauptungen infrage stellen. Diese Feierlichkeiten sind jedoch integraler Bestandteil einer umfassenderen Agenda der untersuchten Gruppen: soziale Hilfsprojekte, Bildungs- und Sportaktivitäten, Kampagnen zur Verteidigung der „traditionellen Familie“, von „Pro-Life“ und verfolgten Christ*innen. Sie werden nicht als Beschäftigung mit der Vergangenheit im Gegensatz zur Ausrichtung auf die Gegenwart/Zukunft behandelt. Vielmehr werden „Vergangenheit“ und „Gegenwart“ sorgfältig miteinander verknüpft, was es Anführer*innen ermöglicht, die verschiedenen Formen des gegenwärtigen Aktivismus als „natürliche“ Fortsetzung der Arbeit ihrer Vorfahr*innen zu betrachten, mit denen sie durch Blut und Territorium verbunden sind. Meine ethnographischen Beobachtungen und Gespräche mit militanten Rechten bestätigen, dass sie dies überzeugend und mobilisierend finden, denn die Art und Weise, wie die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart hergestellt wird, spricht die vielfältigen Themen an, die junge Menschen heute beschäftigen: die Angst vor Arbeitslosigkeit, die Suche nach menschenwürdiger Arbeit, eine unsichere Zukunft sowie die Möglichkeit, aktiv zu sein und einen Wandel herbeizuführen.
Indem sie die Rolle der Gemeinschaft und die Arbeit an der Basis in den Vordergrund stellen, betonen die von mir befragten Aktivist*innen immer wieder den Versuch der Legionärsbewegung, eine parallele Zeitlichkeit zu schaffen. Anders ausgedrückt, wird eine parallele Zeitlichkeit durch eine parallele Gesellschaft geschaffen, das heißt eine dichte Gemeinschaft von Aktivist*innen, die ihre Bewegung verehren und behaupten, in ihr eine „Zuflucht“ vor der modernen Welt und ein Rezept für die Zukunft zu finden, und eine Gemeinschaft, die zu einem Modell für eine breitere Gesellschaft werden kann. Die Grundlage dieser Variante der rechten Kritik am Liberalismus ist also die Vorstellung einer alternativen Zeitlichkeit und einer alternativen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die zwar in einem konkreten Territorium verwurzelt ist, aber bestimmte Wege „verlernen“ muss, um voranzukommen; oder, in Jaeggis Worten, die bestimmte Formen des Rückschritts zu einer Vorbedingung für den Fortschritt macht.
Nach dem zweiten Wahlsieg von Donald Trump schrieb ein Journalist der New York Times: „Das politische Establishment kann Trump nicht länger als eine vorübergehende Unterbrechung des langen Marsches des Fortschritts abtun.“ (Baker 2024) Erst nach Trumps Wiederwahl wurde erkannt, dass es schwierig ist, die extreme Rechte als eine Art vorübergehendes Problem oder plötzliche Krise zu betrachten. Um den Aufstieg der extremen Rechten und ihre Wahlerfolge zu verstehen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir die extreme Rechte nicht auf ihre Besessenheit von der Vergangenheit und ihr regressives Denken reduzieren können, ebenso wenig wie wir die rechte Perspektiven der Zukunft auf eine einzige, homogene Vision reduzieren können.
Um dem Etikett „rückwärtsgewandt“ zu entgehen, kritisieren meine italienischen Forschungsteilnehmer*innen die passatisti (Menschen, die sich unreflektiert an der Vergangenheit orientieren) und stellen ihnen die futuristi gegenüber (die sie wenig überraschend mit dem Faschismus in Verbindung bringen). Damit wollen sie betonen, dass ihre Vorstellung von Geschichte nichts mit Sentimentalität und blindem Gehorsam gegenüber der Tradition zu tun hat. Es wäre zwar vereinfachend, das Selbstbild der Rechten für bare Münze zu nehmen, klar ist aber, dass zahlreiche Menschen eine rechte Zukunft inspirierend finden. Und was für jeden, der sich für die Demontage rechter Zukunftspläne einsetzt, schwer zu akzeptieren sein könnte, ist die Anerkennung einiger Gemeinsamkeiten in dem, was die extreme Rechte und die Linke als dringende Probleme diagnostizieren – wenn wir zum Beispiel die Kritik am Neoliberalismus betrachten –, selbst wenn die angebotenen Lösungen zum Teil diametral verschieden sind. Vielleicht ist es also unsere Vision der Zukunft, die mutiger sein muss. Und vielleicht müssen wir, um es mit Jaeggi zu sagen, nicht nur Probleme lösen, sondern auch ein Ziel haben.