Migrationstheoretische Gesellschaftskritik. Versuch einer Standortbestimmung

Radostin Kaloianov

1. Die Fragestellung: Kritik und Migration ins Verhältnis setzen

Dieser Aufsatz versucht, eine kritisch-theoretische Position für Migrant_innen und zu den Themen der Migration zu skizzieren und dabei zwei Aufgaben zu lösen. [1] Die politische Aufgabe, Kritik und Migration ins Verhältnis zu setzen, ergibt sich daraus, dass aktuell Kritik und Migration weit auseinanderliegen und aus mehrheitlicher Sicht gar nicht zusammengehören. Dieses politische Vorhaben nimmt die Gestalt einer migrationstheoretischen Gesellschaftskritik an, die an forschende Migran_innen sowie an zu Migration Forschende und Sozialwissenschaftler_innen allgemein adressiert ist.

Das politische Vorhaben der Untersuchung geht in den wissenschaftlichen Auftrag über, herauszufinden, welche der gegenwärtig verfügbaren und einflussreichen Optionen theoretischer Gesellschaftskritik die Herausbildung einer kritisch-theoretischen Position für Migrant_innen in der Sozialforschung befördern bzw. bremsen könnten. Diese wissenschaftliche Aufgabe teilt sich in eine erkenntnispolitische und eine erkenntnistheoretische Fragestellung. Erkenntnispolitisch ist die Studie um die Orientierung und Positionierung von forschenden Migrant_innen im Spektrum der gegenwärtigen kritischen Sozialforschung bemüht und beantwortet die Frage: Welche Optionen und Richtungen kritischer Sozialtheorie bieten sich aktuell Migrant_innen und inwieweit können diese Migrant_innen als Forschungssubjekte stärken oder schwächen? Erkenntnistheoretisch gilt es, die migrationstheoretische Gesellschaftskritik in Bezug auf ihren Forschungsgegenstand – auf die Art und Kriterien (für) dessen Gewinnung, Gegebenheit und Validierung – und in Auseinandersetzung mit den epistemologischen Postulaten der ‚normalwissenschaftlichen‘ Sozialforschung zu beleuchten.

In diesem Aufsatz stelle ich Überlegungen zur ersten Aufgabe der erkenntnispolitischen Positionierung der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik im Feld der gegenwärtigen kritischen Theorien vor.Mit der Thematisierung der gesellschaftspraktischen Performanz von kritischer Theorie wird das Kriterium zur Unterscheidung zwischen ‚Exzellenzkritik‘ und ‚Existenzkritik‘ ausgearbeitet. Diese Grundarten theoretischer Gesellschaftskritik sind für die kritisch-theoretische Positionierung von Migrant_innen weichenstellend. Der Ansatz der Exzellenzkritik wird anhand der gegenwärtigen Frankfurter Kritischen Theorie analysiert. Die Alternative dieses einflussreichen Strangs kritischer Sozialforschung bilden eine Vielzahl an Kritikansätzen, die ich kategorial unter dem Begriff der Existenzkritik fasse. Diese haben ihren sozialwissenschaftlichen Standort weniger in den etablierten Disziplinen als vielmehr in den transdisziplinären Nischengewächsen der verschiedenen Studies und verschreiben sich als Gesellschaftspraxis der Artikulation von Protesten der sozial Unterlegenen. Eine Vertiefung in die erkenntnispolitischen Momente theoretischer Existenzkritik bietet die Diskussion der Kritischen Theorie der Black Feminist Studies. Die Schnittstellen zwischen gesellschaftstheoretischer Existenzkritik und der migrationstheoretischen Kritikperspektive werden durch eine Skizze jener Themen erweitert, die ein kritisches migrationstheoretisches Forschungsprogramm beinhalten sollte. Abschließend stelle ich klar, dass sich die migrationstheoretische Gesellschaftskritik ihrem Ziel, eine kritisch-theoretische Position für Migrant_innen auszuarbeiten, auf eine ‚atopische‘ Art und Weise annähert.

2. Die gesellschaftspraktische Performanz von Kritik: Prüfen oder Protest

Für forschende Migrant_innen stellt sich die Frage, welcher Weg der zeitgenössischen kritisch-theoretischen Sozialforschung welche Aussichten zur Ausarbeitung einer migrationstheoretischen Gesellschaftskritik eröffnet. Zur Beantwortung dieser Frage wird die gesellschaftspraktische Performanz theoretischer Kritik als Orientierungsmarker im Feld der Kritikoptionen herangezogen. In den theoretischen Diskussionen zur kritischen Sozialforschung zirkulieren verschiedene typologische Distinktionen theoretischer Kritik. Methodologisch kann es sich hierbei um Formen der Konstruktion (von Beurteilungsnormen, utopischen Gesellschaftszuständen), der Rekonstruktion (zur Aufdeckung immanenter Strukturen von Erfahrungszusammenhängen sowie von implizit angelegten Widersprüchen oder Paradoxien) oder der Dekonstruktion (diskursiver Blockaden oder hegemonialer Sichtweisen) handeln (Walzer 1993, Honneth 2000). Wiederum andere Typologien greifen die entgegenlaufenden Logiken kritischer Interventionen auf: so etwa die „antifetishist“ versus die „positivist“ Kritik (Latour 2004), die „integrative“ versus die „polarisierende“ Kritik (Rosa 2009), die „künstlerische“ versus die „soziale“ Kritik (Boltanksi/Chiapello 2005)

Beziehen sich die meisten Typologien auf die theoretische Machart von Gesellschaftskritik, verweist die letztgenannte Typologisierung von Kritik auf einen anderen Vektor der Distinguierung: die Zielgruppenorientierung. Die Zielgruppenorientierung von theoretischer (z. B. feministischer, postkolonialer oder eben migrationstheoretischer) Gesellschaftskritik steht unter dem Vorzeichen der Frage, was theoretische Gesellschaftskritik gesellschaftspraktisch performiert in der und für die Lebenssituation von z. B. Frauen, postkolonialen Kollektiven oder Migrant_innen und wie sie zur Herausbildung kritischer Subjektivitäten und zur Veröffentlichung der Anliegen derartiger Zielgruppen beitragen kann. Mit gesellschaftspraktischer Performanz theoretischer Kritik ist hier die soziale Handlungspraxis gemeint, die durch theoretische Kritik ermöglicht, eingeleitet oder ausgeführt wird. So werden verschiedene soziale Gruppen aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgangspunkte, Überlegenheiten/Unterlegenheiten, Problembetroffenheiten, motivationalen Lagen sowie unterschiedlichen Zugängen zu materiellen und kulturellen Ressourcen auch an verschiedene gesellschaftspraktische Performanzarten theoretischer Kritik unterschiedlich gut oder schlecht anschließen können.

Die sozialtheoretische Kritik kann die soziale Welt anhand normativer Prinzipien oder wissenschaftlich ermittelter Sollwerte überprüfen und so Diagnosen zur Exzellenz oder Defizienz sozialer Zustände erstellen bzw. sie kann –von konkreten Betroffenheiten ausgehend – gegen die existenziellen Notlagen von sozial Unterlegenen Protest einlegen, indem sie ihre verdeckten Lebensrealitäten und verstummten Sichtweisen theoretisch artikuliert. Wie Prüfen und Protestieren mit der Ausführung theoretischer Kritik verwoben sind, zeigen die nachfolgenden Analysen und Beispiele von Exzellenzkritik und Existenzkritik. Für die prüferische Erforschung der Gesellschaft setzen Exzellenzkritiken moralische Normen ein. Exemplarisch dafür ist der normativistische turn der gegenwärtigen Frankfurter Kritischen Theorie. Der ‚Norm‘ als semantische Maßeinheit gesellschaftstheoretischer Prüfung stellen Existenzkritiken die ‚Spur‘ als Basiseinheit einer Artikulation der sozialen Wirklichkeit entgegen, die Protest zu formulieren und einzuleiten vermag. Für die migrationstheoretische Gesellschaftskritik fassen Prüfen und Protest die Möglichkeiten zusammen, sich kritisch-theoretisch über die Lebensrealitäten von Migrant_innen in den gegenwärtigen westlichen Aufnahmeländern zu verständigen und auf die existenziellen ‚Schieflagen‘ der migrantischen Lebensform sozialwissenschaftlich reagieren zu können.

3. ‚Gut, besser, Kritische Theorie‘ – Exzellenzkritik in Frankfurt

Bereits Raymond Williams’ Kritik an der „criticism“ als eine nur auf „fault-finding“ hinauslaufende theoretische Aktivität (Williams 1976: 75 f.) sensibilisiert für die Akademisierung von kritisch-theoretischer Aktivität als einer Prüfungspraxis. Selbst marginal geblieben in den vielfältigen Diskussionen zur ‚Kritik‘ und ‚Kritischen Theorie‘, macht Williams’ Kommentar auf jene theoretischen Gesellschaftskritiken aufmerksam, die – betrachtet man sie als soziale Handlungspraxis – nichts anderes machen, als ein für akademisch Berufstätige durchaus vertrautes Verhältnis des Prüfens und Geprüftwerdens zu etablieren. Demnach versetzen Forscher_innen ihren Forschungsgegenstand in ein ähnliches soziales Verhältnis, in dem diese in ihrer Qualität als Hochschullehrende zu ihren Studierenden stehen. Hochschullehrende prüfen Studierende, um deren Wissen/Unwissen, deren Schwächen und Stärken festzustellen und deren Kompetenz zu verbessern. Wie in akademischen Prüfungssituationen ist auch für Kritiken, die prüfen, die wissenschaftliche Exzellenz Antrieb, Ziel und oberste Norm. Mit ‚Kritik‘ wird eine doppelte Exzellenzleistung anvisiert: a) die theoretische Entwicklung wissenschaftlicher Kriterien und Prozeduren zur Prüfung der sozialen Wirklichkeit und b) die diagnostische Anwendung dieser prüferischen Instrumente, die die Ursituation akademischen Lehrbetriebs und wissenschaftlicher Exzellenz nachempfindet und eine paradigmatische Kritikleistung wissenschaftlicher Rationalität vollbringt – die Prüfung. Wissenschaftliche Exzellenz erzielen prüfende Gesellschaftskritiken durch das Bestreben, die Kriterien und Verfahren der Prüfung der sozialen Welt ständig zu perfektionieren und Prüfungsinstrumente zu erarbeiten, die den Standards wissenschaftlicher Rationalität zur ‚Objektivität‘, ‚Universalität‘ und ‚Konsistenz‘ wissenschaftlicher Erkenntnisse immer vollständiger umsetzen.

Das Schielen auf szientistische Vorstellungen von Rationalität, Objektivität und Universalität bringt das Prüfen als kritisch-theoretische Performanz in die Nähe der ‚normalwissenschaftlichen‘ Performanz des Vermessens (und auch Kontrollierens) der sozialen Wirklichkeit.[2] Die gegenwärtige Kritische Theorie der Frankfurter Schule hat in Auseinandersetzung mit ‚normalwissenschaftlichen‘ Auffassungen von Empirie und wissenschaftlicher Prüfungspraxis ein alternatives Verständnis vom Prüfen gewonnen, das sich vom Messen unterscheidet.[3] Die Eigenständigkeit der kritisch-theoretischen Wirklichkeitsprüfung, die Etablierung von moralischen Normen als Referenzwerte und die ‚Konstruktion‘ oder ‚Rekonstruktion‘ solcher Normgehalte als die Verfahren dieser Prüfung kann über eine grundsätzliche Nähe zur Normalwissenschaftlichkeit nicht hinwegtäuschen.

Die Suche nach exzellenten Prüfungsinstrumenten, die zu quasi objektivierbaren, universell gültigen und unstrittigen Problemdiagnosen führen können, konfrontiert theoretische Exzellenzkritiken – und die gegenwärtige Kritische Theorie der Frankfurter Schule ist beispielhaft in dieser Hinsicht – mit der Frage, ob die Ergebnisse kritisch-theoretischer Überprüfungen den Problemauffassungen jener entsprechen, die davon real betroffen sind, oder ob die kritische Prüfungspraxis gegenüber den realen Betroffenheiten ‚abkühlt‘. Schließlich verlangt die Methodologie akademischer Prüfungspraxis eine Distanzierung und die Einschaltung unpersönlicher Instanzen in den Prüfvorgang. Um akademische Exzellenz verlässlich ermitteln zu können, muss gegenüber dem Geprüften nur mittels Prüfkriterien und Prüfungsprozeduren Stellung bezogen werden.

Natürlich ist das ‚Prüfen‘ als Performanzart von Gesellschaftskritik kein reserviertes Markenzeichen der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Dennoch stellen gegenwärtig die Beiträge von Jürgen Habermas und Axel Honneth kritisch-theoretische Ansätze dar, die die Leitideen und Kernbefunde von exzellenzkritischer Prüfungsarbeit weit über die Grenzen von akademischen Seminaren verbreitet haben. Aber auch die nachfolgenden Generationen von Anhänger_innen der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule rücken mit theoretischen Arbeiten nach, denen ein noch gesteigertes Exzellenzverständnis von theoretischer Gesellschaftskritik attestiert werden kann (z. B. Forst 2011).

Die Diskursethik von Jürgen Habermas (1983: 96, 1992: 135 ff., 2009) versetzt theoretische Reflexion und gesellschaftliche Wirklichkeit in ein Prüfungsverhältnis, spielt ein idealisiertes Prüfungsverfahren nach und begründet Exzellenzmaßstäbe, die als Testgrößen ‚quasi-objektive‘ Abweichungen, Verletzungen sowie Abstufungen anzeigen und die soziale Welt, in der alle diese vorkommen, kritisierbar machen. Die diskursethische Prüfveranstaltung zieht als empirisches Moment den gesellschaftlichen – politischen, kulturellen, weltanschaulichen und religiösen – Pluralismus in Erwägung, um dann die Kriterien der kritischen Überprüfbarkeit von Gesellschaftszuständen in Momenten der kommunikativen Rationalität zu finden, die selbst ‚außer Streit’ stehen und als minimale konsensuale Bezugspunkte die rationale Kritisierbarkeit von sozialen Verhältnissen und Interaktionsformen ermöglichen.

Aber auch Autoren der gegenwärtigen Frankfurter Kritischen Theorie, wie aktuell Axel Honneth, welche die kritisch-theoretische Wirklichkeitsprüfung näher an die soziale Praxis bringen wollen und die Empfindsamkeit theoretischer Gesellschaftskritik gegenüber sozialem Protest wiederherstellen wollen, können den Gravitationskräften des Prüfungsmodells der Gesellschaftskritik nicht entkommen. Das Prüfungsinteresse der anerkennungstheoretischen Gesellschaftskritik von Honneth wird just in jenem Aspekt ihrer methodologischen Positionierung schlagend, der das Honneth’sche Projekt als ‚rekonstruktive Kritik‘ weg vom akademischen Prüfungsbetrieb bringen und stärker in realen sozialen Verhältnissen und Erfahrungen von Anerkennung verankern sollte. Die ‚rekonstruktive Kritik‘ will der sozialen Empirie Maßstäbe der Kritik abgewinnen, um eine kritische Prüfung der sozialen Realität mit ihren ‚eigenen‘ Maßstäben zu ermöglichen. Die Artikulation der Stimmen und Lebenslagen unterlegener sozialer Gruppen und Lebensformen ist hier keine eigenständige und primäre Aufgabe der Kritiktätigkeit. Die rekonstruktive anerkennungstheoretische Gesellschaftskritik ist nur insofern an Betroffenheitswissen und Protesterfahrungen interessiert, als diese als verdeutlichende Beispiele das Potenzial theoretisch ausgearbeiteter Prüfinstrumente nunmehr bestätigen.[4]

4. Protest oder Existenzkritik over the ocean

Setzt Exzellenzkritik auf komparative Exzellenzsteigerung – besser als Vorgänger und Zeitgenossen die soziale Welt prüfen zu können –, ist die theoretische Gesellschaftskritik, die ich hier als Existenzkritik bezeichne, von dem Anliegen getragen, sozialen Protest zu artikulieren. Kritische Erkenntnispraxis, die beim Protest ansetzt und zu Protest theoretisch überleitet, zielt darauf ab, die ‚eigene‘ Betroffenheit so zu artikulieren, dass diese geteilte Problemlagen sichtbar macht und als eine ‚gemeinsame‘ Betroffenheit rezipiert wird. Hier wird nicht repräsentativ für andere oder für alle gesprochen, die sich vermutlich in den geprüften Problemlagen befinden. Vielmehr sprechen Existenzkritiker_innen im Singular jede(r) für sich selbst, zumal a priori nicht klar ist, wer alle jene sind, die sich durch die kritische Rede repräsentiert und angesprochen fühlen können. Die Kollektivität der Repräsentierten ergibt sich erst durch die praktischen Resonanzreaktionen auf die kritische Ansprache. Liegt der Schwerpunkt von Exzellenzkritik in der Exzellenz der Prüfung der Welt, fällt der Fokus von Existenzkritiken auf die soziale Existenz von unterdrückten sozialen Gruppen. Anders als Exzellenzkritiken, die die soziale Wirklichkeit einer Prüfung unter universellen, quasi-objektiven und rationalen Anhaltspunkten der Kritik unterziehen, sehen Existenzkritiken ihre Aufgabe darin, verdeckte Realitäten und ‚verstummte‘ Standpunkte zu artikulieren.

Im Epistemologierahmen der ‚normalwissenschaftlichen‘ Sozialforschung haben es theoretische Protestartikulationen nicht leicht. Protestieren oder überhaupt praktisches und politisches Handeln durch Theorie ist unter den Bedingungen der sozialwissenschaftlichen Episteme der Gegenwart alles anderes als selbstverständlich, allgemein zulässig und akzeptiert. Theoretische Existenzkritiken sind nicht in dem Sinne ‚theoretisch‘, wie jene Theoriebildungen es sind, die die epistemologischen Postulate der ‚Normalwissenschaftlichkeit‘ umsetzen und den etablierten wissenschaftlich-disziplinären Sparten zuzuordnen sind. Vielmehr materialisiert sich das veränderte Theorieverständnis in neuartigen theoretischen Diskursformationen und Forschungsrichtungen, die gleichzeitig als kritische Alternativen, aber auch als Misch- und Zwischenformen von Wissenschaftsdisziplinen, großen Theorien und intellektuellen Denktraditionen auftreten. Diese intermediären und interdisziplinären theoretischen Formationen haben nicht die Massivität und Solidität etablierter Wissenschaftszweige, tauchen in ein bereits abgestecktes Terrain des Wissens und verhalten sich als flüchtige Strukturen, die gleichzeitig in verschiedenen Gebieten des etablierten Wissens verortet sein können. Neben der Transdisziplinarität und der Flüchtigkeit der wissenschaftspolitischen Verortung sind Studies-Theorien so umfassend und stark mit einem Gegenstandsfeld zusammengewachsen, dass diese auch – zunächst englischsprachig und oft over the ocean – danach benannt werden: Gender, Women, African-American, Postcolonial, Cultural, Black Feminist, Indian Subaltern, Critical Whiteness oder Queer Studies. Gerade aber die thematische Fokussierung von theoretischen Kritikansätzen dieser Studies auf die Lage unterlegener sozialer Gruppen fordert zur Übertretung disziplinärer Grenzziehungen und zum Pendeln zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, intellektuellen Großtraditionen oder auch kulturellen Gattungen wie Wissenschaft, Literatur und Kunst heraus. Im theoretischen Umfeld dieser Studies bilden sich Wissensformen heraus, die wissenschaftsdisziplinäre Zuschnitte sprengen und durch ästhetische, politische und publizistische Argumentationen, Erfahrungsquellen, Verifikationsverfahren und Ausdrucksmittel ‚kontaminiert‘ sind.

5. Die Erkenntnispolitik von Existenzkritik am Beispiel des Black Feminism– Protest von unten, Verdeckung und Verstummung

‚Existenzkritik‘ ist kein neues Idiom und nicht unbekannt. Wichtige Anhaltspunkte und Schnittstellen finden sich in Foucaults einflussreichem Konzept von Kritik (Foucault 2007, Butler 2002). Foucaults Verständnis von Protest als „Entunterwerfung“ ist nicht nur gegen die Objekte und Erträge epistemischer und politischer Setzungen, nicht nur gegen die Regeln, Ordnungen und Grenzen gerichtet, die die Verhältnisse der Unterwerfung und Selbstunterwerfung konstituieren, sondern auch gegen die Produktionsbedingungen, gegen die Genese solcher Regeln, Grenzlegungen, Annahmen, Wahrheiten, Aufmerksamkeiten und Verdeckungen, die hier wirksam und formativ sind. Dennoch bleibt Foucaults Konzept von Kritik ein elitäres und solitäres Protestvorhaben, ein Protest von oben, der den Aufgaben der individuellen Emanzipation, Transformation und persönlichen Selbstverwirklichung verschrieben ist und nicht vor der Aufgabe steht, Protest von unten zu artikulieren.[5] Elitistische Machtkritiken sind danach bestrebt, bestehende (politische, wirtschaftliche, aber auch diskursive und normative) Machtstellungen und Dominanzverhältnisse zu schwächen, was nicht unbedingt zur Stärkung der Position unterlegener Gruppen führt und nicht unbedingt zum empowerment solcher Gruppen beiträgt, sondern der Austragung von Macht- und Verteilungskämpfen unter gesellschaftlichen Eliten dient.

Anders ist das Protestverständnis, auf das die theoretische Kritik im Kontext der Black Feminist Studies und speziell in den Werken von Patricia Hill Collins aufbaut. Collins’ kritisch-theoretisches Projekt führt konkrete Schritte zur theoretischen Austragung von sozialem Protest vor und legt die Akzente der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik auf die Aufdeckung verdeckter Lebensrealitäten und das Geltendmachen verstummter Erkenntnisperspektiven von Migrant_innen. Hier lassen sich drei ineinandergreifende Momente theoretischer Existenzkritik identifzieren: der Protest von unten als spezifische Protestausrichtung von sozial unterlegenen Gruppen, der im Schatten von Protestverständnissen und -praktiken von gesellschaftlichen Eliten steht („talking back to elite discourses“); die epistemische Verdeckung der Lebensrealitäten Schwarzer Frauen in den USA und allgemeiner noch von sozial Unterlegenen („breaking silence to oppression“) und die ‚Verstummung‘ der Erkenntnisperspektiven, Erfahrungsweisen, Problemdiagnosen und Wirklichkeitsdeutungen von sozial Unterlegenen („breaking the oppression of silence”), die durch die theoretische Existenzkritik eine Plattform erhalten und sich artikulieren können.

Protest als „talking back to elite discourses“ (Collins 1998) setzt bei der Selbstaffirmierung jener sozialer Gruppen und Lebensformen an, die sich in und durch „elite discourses“ degradiert, unterworfen oder schlicht zum Schweigen gebracht sehen. Protest von unten und theoretische Existenzkritiken, die diesen Protest artikulieren, zielen weniger auf die Schwächung und den Sturz der Mächtigen ab, sondern umgekehrt liegt ihre primäre Aufgabe darin, die Schwachen zu stärken. Die Aufmerksamkeit und die Anstrengungen der „heterogeneous Black feminist intellectual traditions“ sieht Collins darin vereint, die Verkennung und Unsichtbarmachung von benachteiligenden, diskriminierenden und ungerechten Lebensrealitäten von Schwarzen Frauen aufzuheben und auch die historisch tradierten, institutionell verfestigten sowie moralisch und epistemologisch begründeten Blockaden ihrer Stimmen zu durchbrechen. Es geht darum, ihnen das intellektuelle Rüstzeug an die Hand zu geben, damit sie sich nicht vor inferiorisierenden (Selbst-)Zuschreibungen beugen müssen und sich als Schwarze Frauen befähigt und ermutigt fühlen, mit einem positiven Selbstverständnis am sozialen Leben zu partizipieren. Nicht die Konstruktion negativer Gegenbilder, sondern die Herausbildung positiver Selbstbilder unterlegener Gruppen steht im Zentrum des theoretischen Interesses und bestimmt auch die thematischen Akzente von theoretischen Existenzkritiken wie jene der Black Feminist Studies. Die existenzkritische Sozialforschung hat den Auftrag, selbstaffirmierende Gruppenbilder und ein Wissen zu vermitteln, um die bisher marginal wahrgenommene Geschichte und Kultur der Unterlegenen von einem eigenen Standpunkt aus neu erzählen zu können.

Unsichtbar sind die Lebensrealitäten sozial unterlegener Gruppen, wenn diese durch Wirklichkeitsdefinitionen und Problemdiagnosen elitärer Gruppierungen in der Wissenschaft, Kultur, Politik oder in den Medien überlagert werden, weil diese einflussreicher und lautstarker sind und normierender als die Gegenperspektiven der Betroffenen wirken – daher auch Collins Aufruf zum Protest von unten und „to talk back to elite discourses“. Die Unsichtbarkeit und Verdeckung von Lebensrealitäten sozial unterlegener Gruppen geht auf theoretische Konzepte, Logiken, Methoden und Themensetzungen zurück, die die Lebenslagen von benachteiligten Gruppen bereits so verzerrend und selektiv ‚artikulieren‘, dass aus der Sicht der Betroffenen die Kernaspekte von Benachteiligung und Ungerechtigkeit unangesprochen bleiben und ihre Problemdeutungen ignoriert werden.

Problematisch bei der ‚Verstummung‘ der Stimmen sozial unterlegener Gruppen ist nicht, dass diese gar keine Stimme – politisch, kulturell, wissenschaftlich oder moralisch – besitzen. Der Black Feminism positioniert die emanzipatorischen und ermächtigenden Aktionen von „breaking the silence“ gegenüber einer „silence“, die eine reale, gewaltvoll erzwungene Stimmlosigkeit suggeriert.[6] Auch kritische Beiträge der Migrationsforschung weisen auf die verlorenen Sprechpositionen von Migrant_innen durch die Selbstrestringierung von Migrant_innen als Specher_innen hin (Ha/Schmitz 2006, Terkessidis 2004). Problematisch ist das silencing vielmehr als Einordnung der Stimmen von Benachteiligten in ein existierendes Machtgefüge, das diese Stimmen ihrer Mitteilungs-, Wirkungs- und Geltungskraft beraubt, diese abwertet, deplausibilisiert, als Idiosynkrasien darstellt, zu Leidenschaften und Affekten degradiert, als mit ‚Schweiß und Blut‘ befleckte Positionen eines „Anderen der Vernunft“ isoliert, als Verletzung von argumentativen und grammatikalischen Regeln disqualifiziert, die bestimmen, wie etwas zu sagen ist und was sich gehört. In den Worten von Mae Henderson: „It is not that black women […] have had nothing to say, but rather that they have had no say” (Collins 1998: 44).

6. Verortung und Stoßrichtungen der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik

Abschließend gilt es, die Verortung sowie die thematischen Stoßrichtungen der gesellschaftskritischen Migrationsforschung zu klären. Meine These ist, dass eine gesellschaftskritische Migrationsforschung an der Erkenntnispraxis, an den Epistemologien und Methodologien sowie an relevanten Themen, Theorien und Konzepten feministischer, afroamerikanischer, postkolonialer usw. Existenzkritiken Anschluss finden kann. Zum einen ist zu eruieren, worin die epistemologische Affinität der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik zu den genannten Ansätzen theoretischer Existenzkritik fundiert sein kann. Zum zweiten gehe ich den Theorien und Konzepten aus diversen Ansätzen von Existenzkritik nach, an welche eine gesellschaftskritische Migrationsforschung anknüpfen bzw. aus welchen diese Anregungen beziehen kann.

Was spricht für die These, dass existenzkritische Ansätze des Feminismus, der African-American, Cultural oder Subaltern Studies[7] ein quasi ‚natürliches‘ Habitat einer migrationstheoretischen Gesellschaftskritik darstellen? Die Affinität gesellschaftskritischer Migrationsforschung zu Ansätzen der Existenzkritik ist in der gesellschaftspraktischen Performanz dieser Strömung kritischer Theorie fundiert. Exzellenz- und Existenzkritik markieren das zwischen Prüfen und Protest eingeschlossene Spektrum kritisch-theoretischer Arbeit. Exzellenzkritik führt die urakademische Tätigkeit des Prüfens aus, etabliert Prüfungsverhältnisse, entwickelt Prüfungsverfahren und wendet in diesen Prüfungskriterien an. Die Rolle des Prüfers oder der Prüferin ist die der/des Überlegenen, Unparteiischen und Distanzierten gegenüber den Geprüften. Prüfende Akteure und Instanzen sind in ihrer machtpolitischen, ökonomischen und kulturellen Ressourcenausstattung privilegiert und dadurch willens und imstande, ihre Lebenslagen, Anliegen und Aussichten als die gesellschaftliche Norm auszugeben und durchzusetzen.

Die ‚objektive‘ soziale Stellung, die zum Prüfen ermächtigt und berechtigt, nehmen Migrant_innen ähnlich wie andere unterlegene soziale Gruppen nicht ein. Migrant_innen sind weder in den Institutionen, die einen Prüfungsauftrag haben, präsent, noch besetzen sie die Positionen prüferischer Tätigkeit. In den Bereichen mit ausgeprägten Prüfungsagenden wie Justiz, Exekutive und Wissenschaft sind Migrant_innen notorisch unterrepräsentiert bzw. nur auf den ‚unteren‘ Stufen vertreten. Wenn Migrant_innen in solche Strukturen Einlass finden, bleiben sie dort fern von den prüferischen Positionen, die in der professionellen Hierarchie für die Manager_innen, hohe Beamt_innen und Expert_innen reserviert sind. Nicht nur aufgrund struktureller Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, sondern auch aufgrund dominanter Normen und Erwartungshaltungen[8] sowie aufgrund ihrer häufig fragmentierten Bildungswege und -karrieren kommen Migrant_innen in der Regel nicht in eine Prüferposition gegenüber den gesellschaftlichen Verhältnissen und auch gegenüber ihren eigenen Lebensrealitäten. Insoweit sie überhaupt in Prüfungssituationen und -praktiken einbezogen sind, gehören sie zu den Geprüften, führen die Listen der usual suspects an, reisen mit Überprüfung ihrer Papiere ein, unterliegen diversen Prüfungen ihrer Lebensverhältnisse, müssen Sprachprüfungen absolvieren, das heißt, sie sind in allen denkbaren alltäglichen und außergewöhnlichen Lebenssituationen Objekte von Prüfungen. Die Positionierung von Migrant_innen in verschiedenen Prüfungsverhältnissen als die Geprüften ergibt sich nicht nur aus ihrer unterlegenen sozialen Stellung, sondern trägt auch wesentlich zur Aufrechterhaltung der sozialen Unterlegenheit von Migrant_innen bei.

Um Kritik qua Prüfung ausüben zu können, müssen Migrant_innen zum einen soziologisch, das heißt in Bezug auf ihre Stellung in den sozialen Opportunitätsstrukturen und beruflichen Hierarchien Positionen mit prüferischen Aufgaben besetzen. Zum anderen hängt aber die Möglichkeit, die Gesellschaft einer kritischen Prüfung zu unterziehen, damit zusammen, ob Migrant_innen auch noch die moralische Stellung beziehen können, die zu prüfender Kritik berechtigt und ermächtigt. An dieser zweiten Bedingung gemessen, sind die Handlungsspielräume von Migrant_innen, als prüfende Kritiker_innen auftreten zu können, eher gering. Einen Großteil jener, die als Migrant_innen in den gegenwärtigen westlichen Aufnahmeländern gelten, befindet sich in einem Zustand normativer Exterritorialität, das heißt jenseits der Geltungsweite von rechtlichen und vor allem moralischen Diskursen, Normen und Verhältnissen. Insofern die soziale und normative Unterlegenheit von Migrant_innen auch die Möglichkeiten zur Einnahme der prüferischen Perspektiven von Exzellenzkritikern verhindert, sprechen solche Unterlegenheiten für die Affinität migrationstheoretischer Kritikdiskurse zur Existenzkritik.

Ein weiterer epistemologischer Aspekt untermauert noch die Affinität zwischen der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik und Existenzkritiken der Gender, African-American, Cultural, Postcolonial Studies usw. Die Kehrseite sozialer Unterprivilegierung ist das epistemische Privileg von Unterlegenen, die Realitäten des eigenen Lebens wie auch des sozialen Zusammenlebens so zu sehen, wie dies dominanten und privilegierten Gruppen meist nicht möglich ist (Harding 1991: 150 f.). Die Einlösung dieses perspektivischen Privilegs ist besonders schwierig und riskant angesichts des Umstands, dass dieses ‚Privileg‘ nur um Haaresbreite von der Umkehr in eine Idiosynkrasie entfernt ist. Dominante wissenschaftliche Positionen behaupten nämlich weiterhin, dass das epistemische ‚Privileg‘ von sozial Unterlegenen – ihre eigenen Lebenslagen oder die Gesamtgesellschaft neu und kritisch auszulegen – nichts wert sei, weil die kritischen Erkenntnisse ‚von unten‘ nicht den Kriterien des legitimen Wissenschaffens entsprechen oder diesen gar gezielt widersprechen. Damit das besagte ‚Privileg‘ wirklich produktiv werden kann, müssen gewaltige Aufgaben kritisch-theoretischer Forschung bewältigt werden. Zu diesen Aufgaben gehören für die kritische feministische Erkenntnistheorie und -praxis der Abschied von konventionellen Postulaten der ‚Objektivität‘ und ‚Universalität‘ wissenschaftlicher Erkenntnisse, deren Umdeutung als Resonanzprozesse der Objektivierung und Universalisierung sowie die Rehabilitierung von ‚Partikularität‘ als einzig real zugänglicher Perspektive und von ‚Betroffenheit‘ als einziger erkenntnisbringender Instanz. Migrationstheoretische Kritikansätze sind mit ähnlichen Blockaden der epistemischen Privilegierung von Migrant_innen seitens der institutionalisierten ‚normalwissenschaftlichen‘ Sozialforschung konfrontiert wie feministische, afroamerikanische oder postkoloniale Kritiktheorien und haben wie diese ähnliche Aufgaben zu lösen.

Thematische Stoßrichtungen der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik

Damit komme ich zu der zweiten der eingangs gestellten Fragen nach den thematischen Stoßrichtungen der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik, aber auch nach den Lern- und Anschlussmöglichkeiten, die sich vor diesem migrationstheoretischen Ansatz in diversen kritischen Theorien und Traditionen abzeichnen. Hier muss ich eine Klärung in eigener Sache vornehmen. Die bisherigen Ergebnisse der erkenntnispolitischen- und -theoretischen Positionierung der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik im Feld gegenwärtiger kritischer Sozialforschung können als generalisierbare Parameter angesehen werden, die auf verschiedene Variationen eines derartigen Kritikansatzes zutreffen würden. Bei den thematischen Richtungen migrationstheoretischer Gesellschaftskritik hingegen handelt es sich um einen konkreten, personalisierten Vorschlag – also um eine konkrete Möglichkeit, kritisch als Migrant und über Migration zu forschen –, der die Abdrücke meiner persönlichen Forschungsinteressen und -sozialisation trägt und keine generalisierbaren Parameter kritischer Migrationsforschung vorgibt.

Migration als soziale Lebensform

Aktuell klafft in den theoretischen und politischen Diskussionen zur Migration in den westlichen Gesellschaften ein Vakuum: Es gibt keinerlei Vorstellung von ‚Migration‘ als sozialer Kollektivität. Wenn Integrationsziele wie die Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Migrant_innen überhaupt noch einen Sinn haben sollen und man die soziale und politische Partizipation von Migrant_innen ernst nimmt, können auch Migrant_innen, wie alle anderen Bevölkerungsgruppen, nur als Kollektivität am demokratischen Mitbestimmungsprozess teilnehmen. Solange sie aber als Kollektivität weder theoretisch noch politisch vorstellbar und ansprechbar sind, kann von politischer Partizipation von Migrant_innen nicht ernsthaft die Rede sein. Mit dem Konzept der ‚sozialen Lebensform‘ erschließen existenzkritische Theorien seit den 1980er Jahren eine Dimension sozialer Kollektivität, die über die institutionell organisierten und theoretisch definierten Formen von Kollektivität wie ‚ethno-kulturelle Gruppe‘, ‚Staat‘, ‚Nation‘, ‚Volk‘ oder ‚Klasse‘ hinausgeht. Feministische, afroamerikanische, postkoloniale, subaltern-theoretische Ansätze machen auf soziale Kollektivsubjekte aufmerksam, die unterhalb der Schwelle politisch handlungsfähiger und historisch relevanter Kollektive liegen. Migration als soziale Lebensform zu konzeptualisieren und auf diese Weise zumindest theoretisch die Unvorstellbarkeit (und das Unerwünschtsein) von Migration als Kollektivität zu erschüttern, würde eine migrationstheoretische Gesellschaftskritik für Theoretiker_innen öffnen, die mit ihren Forschungen die politischen Agenden und kulturellen Selbstverständnisse der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen (NSM) mitgestalten. Eine gute Adresse sind hier die bahnbrechenden Arbeiten zur politischen Philosophie und Anthropologie sozialer Unterdrückung von Iris Marion Young (1990, 2007).

Soziale Lebensformen von Frauen, Behinderten, Afroamerikaner_innen und Homosexuellen werden laut Young durch die verschränkten negativen Einwirkungen diverser ‚Ismen‘ und ‚Phobien‘ formiert, sind für die Betroffenen, wenn überhaupt, negativ erfahrbar – als Entbehrungen, Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und Unterdrückungen. Das Verbindende solcher Protokollektivitäten rührt an erster Stelle von der Faktizität deren Unterdrückung, Diskriminierung, Ausgrenzung und Ausbeutung her und findet sich weniger in Ideen eines ‚guten Lebens‘. Suborganisiert sind die unterlegenen sozialen Lebensformen – Young (2007) bezeichnet sie als „structural social groups“ – , weil hier die Schnittstellen der Solidarität nur potenziell vorhanden sind und noch nicht in geteilte Identitäten, Erfahrungen und Agenden übersetzt sind. Die latente und ‚verstummte‘ Präsenz derartiger Protokollektive unterstreicht die aktivierende und konstitutive Bedeutung theoretischer Existenzkritiken, welche die Potenziale der Kollektivbildung ausloten und aktivieren können und auch die Prozesse der Kollektivbildung initiieren, katalysieren und mitprägen.

Mit der Konzeptualisierung von ‚Migration‘ als soziale Lebensform wird Migration in einen gesellschaftstheoretischen Rahmen gestellt und ‚Migrant_in‘ nicht nur als identitäre Kategorisierung, sondern als soziale Realität untersucht. Migration als eine soziale Lebensform zu analysieren, lenkt den Blick darauf, dass ‚Migration‘ in den gegenwärtigen westlichen Aufnahmegesellschaften ein Topos in der Landschaft sozialer Machtverhältnisse ist, der systemnotwendig ist, aber als solcher gleichzeitig übersehen und entproblematisiert wird. Wer sich im Gravitationsbereich der Lebensform der Migration befindet, ist multiplen Belastungen ausgesetzt, deren Intensität über die Intersektionen verschiedener Dominanzverhältnisse kontinuierlich zunimmt und deren Wirkungen und Nachwirkungen sich historisch und intergenerationell akkumulieren. Die Akkumulationen migrantischer Benachteiligung stellen die Nachfahren von Migrant_innen vor vollendete Tatsachen und werden durch Begriffe wie ‚Migrationshintergrund‘ sprachlich registriert.

Diskriminierung

Die kritische Rassismusforschung der African-American Studies ist für die Analyse von Diskriminierung eine auf ähnliche Weise unverzichtbare Quelle wie der Feminismus für die Epistemologie theoretischer Existenzkritik. Die afroamerikanische Rassismusforschung kann auf eine lange und vielfältige intellektuelle Geschichte zurückblicken. Diese Tradition umspannt ein breites Forschungsprogramm von psychologischen Untersuchungen zum Kernthema der „double consciousness“, das auf W. E .B. Du Bois als geistigen Vater dieser intellektuellen Tradition zurückgeht, über sozialanthropologische Arbeiten zum „Alltagsrassismus“ (Essed 1991) bis hin zu kultur- und gesellschaftskritischen Analysen, die Diskriminierung und Rassismen als das strukturbildende Moment der Modernisierung westlicher Gesellschaften ausmachen (Goldberg 2002).

Von solchen Analysen kann die Migrationsforschung beispielsweise lernen, dass just die Konditionen, die den Angehörigen von gesellschaftlichen Mehrheiten und von dominanten Gruppen positive Identitätsbildung, gelingende Sozialisation und persönliche Selbstverwirklichung ermöglichen, von Angehörigen diskriminierter Gruppen vor allem von ihren Schatten- und repressiven Seiten erlebt und thematisiert werden. Aus der Sicht unterlegener Gruppen wie Afroamerikaner_innen, Frauen oder Migrant_innen sind gerade in den Verhältnissen positiver Vergesellschaftung (‚positiv‘ für alle außer ihnen) Mechanismen von Unterdrückung, Degradierung und Deprivierung angelegt, die sie in eine unterlegene Position versetzen und ihre Handlungs- und Partizipationsmöglichkeiten einschränken. Migrant_innen befinden sich einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den Mehrheitsgesellschaften und den Institutionen der Staaten, die sie aufgenommen haben, mit dem Ergebnis, dass sie nicht unter einer „vorenthaltenen Anerkennung“ (Honneth) leiden, sondern mit einer negativen, abwertenden Anerkennung als Unterlegene, Nichtberechtigte, Minderwertige etc. konfrontiert sind.

Verspätung

Eine weitere Dimension der migrantischen Lebensform kann mit Rekurs auf die zeitsoziologische Kapitalismuskritik von Hartmut Rosa (2005) erforscht werden. An der Schnittstelle zwischen Migration und spätkapitalistischer Ökonomie zeichnet sich die ‚Verspätung‘ von Migrant_innen als eine systembedingte Problematik ab (vgl. hierzu auch Kaloianov 2012). Damit ist die Tatsache gemeint, dass etwa Migrant_innen der ersten Generation als Jugendliche oder Erwachsene in eine neue Gesellschaft kommen und erst verspätet damit beginnen können, gewisse Optionen eines in den Aufnahmegesellschaften strukturell festgelegten und kulturell normierten Lebensablaufs wahrzunehmen. Bildungs- und Arbeitschancen sowie die private Lebensführung betreffende Entscheidungen (wie z.B. die, eine Familie zu gründen) sind in strukturellen Arrangements und kulturellen Verständnissen zeitlich fixiert. Sie müssen zum richtigen Zeitpunkt getroffen werden und brauchen außerdem selbst Zeit, um realisiert zu werden. Dieser Umstand stellt zum einen Migrant_innen vor existenzielle Notlagen und zum anderen sie und die aufnehmenden Gesellschaften vor ein mit den konventionellen Mitteln der Chancengleichheit und Gleichberechtigung schier unlösbares Gerechtigkeitsproblem.

Gerechtigkeit

Will die migrationstheoretische Gesellschaftskritik in der Lage sein, die depravierenden Existenzbedingungen von Migrant_innen wie Diskriminierung, Dequalifizierung oder die ‚Verspätung‘ als Ungerechtigkeiten zu identifizieren oder Migrant_innen als eine moralisch berechtigte und anspruchsvolle Kollektivität zu denken, sollte sie sich auch mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit befassen. In Anschluss an Axel Honneths Gerechtigkeitskritik (Honneth 2004) lassen sich migrationstheoretisch die Dominanz der Egalitätsmetrik sozialer Gerechtigkeit und speziell die Prinzipien der Gleichberechtigung und Chancengleichheit, welche die integrationstheoretischen und -politischen Diskurse dominieren und als Rechtfertigung von nationalen Programmen bis hin zu kleinsten Vereins- und Projektförderungen dienen, infrage stellen. Mit der Fokussierung von Gerechtigkeitsdiskursen und -politiken auf distributive und prozedurale Fragen erweisen sich die dominanten egalitaristischen Gerechtigkeitsmodelle für die gegenwärtigen Migrationsgesellschaften als unzureichend. Im Gegenzug stellt Honneths Gerechtigkeitskritik Kriterien und Argumentationen bereit zur normativen Überprüfung der Gerechtigkeit von Migrationsgesellschaften. Diese messen der Realität von Chancen und Rechten einen größeren Wert bei und weiten das Spektrum der stakes von Gerechtigkeit über materielle Ressourcen und Rechte hinaus auch auf Identitäten oder Fähigkeiten aus. Zudem machen sie auf eine schleichende Ideologisierung von Gerechtigkeitsprinzipien und -logiken aufmerksam.

7. Die migrationstheoretische Kritikperspektive als atopische Kritik

Die migrationstheoretische Gesellschaftskritik stößt in verschiedene thematische Richtungen vor, durchkreuzt verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, theoretische Traditionen sowie kritik-theoretische Ansätze, lernt von diesen und eignet sich diese für die Theoretisierung der migrantischen Lebensform an. Solche epistemologischen und thematischen Aspekte positionieren sie außerhalb des Spektrums, das die Optionen der utopischen, auf transzendente Gesellschaftszustände und Wertungsmaßstäbe vorgreifende Gesellschaftskritik und die der immanenten, von der gelebten Gesellschaftspraxis korrektiv herausgreifenden Gesellschaftskritik umfasst (Forst 2009, Stahl 2013). Die utopischen (Habermas, Forst) und immanenten (Honneth) Verästelungen der gegenwärtigen Frankfurter Kritischen Theorie gehen nur bei der Frage auseinander, auf welche Weise die normativen Referenzen zu gewinnen sind, mit denen eine gesellschaftstheoretische Kritik die soziale Welt prüfen kann. Die prüferische Ausrichtung von Kritik steht aber für beide außer Frage. Die migrationstheoretische Gesellschaftskritik fügt sich in ein solches Schema nicht ein. Für sie stellt sich nicht die Frage woher man die Prüfungsmaßstäbe gewinnt – von außen (der Welt der Ideen und Zukunftsvisionen) oder von innen (der Welt der gelebten sozialen Praxis) –, um kritisch prüfend agieren zu können.

Dem Spektrum utopische versus immanente Kritik kaum zuordbar, lässt sich die migrationstheoretische Gesellschaftskritik auch nicht in dem anderen, bereits angesprochenen Koordinatensystem kritischen Wissens – jenes der Kritik von oben, mit der sich die konkurrierenden Eliten gegenseitig bekämpfen (Foucault), und der Kritik von unten, die die Schwachen stärken will (Collins) – eindeutig verorten. Nicht die Exzellenz der prüferischen Eingriffe und auch nicht der Sturz gesellschaftlicher Eliten und deren Wirklichkeitskonzeptionen ist für den kritischen Impuls der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik richtungsweisend, sondern die Aufgabe, verdeckt gehaltene und verzerrt wahrgenommene Existenzlagen von Migrant_innen sowie deren ‚verstummte‘ Erkenntnisperspektiven und Erfahrungswelten zu artikulieren. Diese Artikulationen nimmt die migrationstheoretische Gesellschaftskritik von einer vielfach atopischen erkenntnispolitischen und -theoretischen Position aus vor.

  1. Erstens ist dieser Kritikansatz atopisch, weil er selbst in der Welt der Wissenschaft überall und nirgendwo zuhause ist und seine theoretischen Bezüge aus diversen Bereichen der Sozialwissenschaften stammen. Dies profiliert die migrationstheoretische Gesellschaftskritik als eine polyglotte und interdisziplinäre Theorie, die sich die konzeptuellen und argumentativen Werkzeuge sowie die Logiken und Befunde diverser Studies und Disziplinen aneignet und zwischen diesen hin- und herpendelt. Die thematischen und epistemologischen Schwerpunktsetzungen dieses Kritikansatzes ergeben sich nicht aus der Treue zu einem spezifischen akademischen Fach, sondern folgen den Bruchlinien der existenziellen Betroffenheiten durch Migration und der Migrant_innen. Der Objektbezug steht vor der disziplinären Zugehörigkeit und Traditionstreue. Die erkenntnispolitische Konsequenz daraus ist, dass der migrationstheoretische Kritikansatz keine Traditionspflege oder scholastische Begriffstüftelei betreibt, sondern sich zwischen verschiedenen Disziplinen, Theorien, Sprachen und Themengebieten bewegt und sich aus diesen jeweils diejenigen Elemente ‚herauspickt‘, die seinen existenzkritischen Auftrag am besten zu erfüllen helfen.
    Die Unsichtbarmachung der Lebensrealitäten sowie die ‚Verstummung‘ der Standpunkte von Migrant_innen gehen weder auf eine einzige Quelle in der Politik, der Wissenschaft oder in den Medien zurück, noch resultieren sie aus der Einnahme einer einzigen disziplinären Perspektive auf Migration (sei diese rechtlich, soziologisch, politologisch, philosophisch, liberal oder konservativ). Dies legt nahe, auch die kritische Migrationsforschung als ein theoretisch polyglottes, disziplinär hybrides und thematisch multifokales Programm anzulegen, das zur Sichtbarmachung ignorierter Lebensrealitäten von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und kritischen Theorien Gebrauch macht und sich gezielt in disziplinärer Unbeugsamkeit übt. Die Polyphonie und Hybridität der Theoriebildung ist nicht nur sachlich begründet, sondern hat auch eine strategische Bedeutung. Mehr Blickwinkel und Stimmen zu einem Thema einzubeziehen, kann die Plausibilität von Positionen erhöhen, die zuvor weitgehend ungehört und marginalisiert waren. Die Polyphonie steigert die Reichweite möglicher Resonanzen und in politischer Hinsicht die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Solidarisierungen kommt. Während aber der polyglotte Aufbau und die transdisziplinäre Beweglichkeit für die Herausbildung resonanzfähiger kritischer Perspektiven förderlich sein können, behindern solche Eigenheiten eher die institutionelle Inkorporierung dieses Wissens in den weiterhin eher streng disziplinär gegliederten akademischen Lehr- und Forschungsbetrieb. Die guerillaartige Beweglichkeit und Unverortbarkeit der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik verringert ihren science-appeal. Die einzelnen Versatzstücke dieses existenzkritischen Theoriediskurses sind breit gestreut, nicht als kohärentes System aufbereitet und an alternative epistemologische Verständnisse (von Partikularität, Betroffenheit und Resonanz) geknüpft, denen das Stigma wissenschaftlicher Minderwertigkeit anhaftet. Als theoretische Artikulation von Lebensrealitäten und Standpunkten, die durch institutionelle Diskurse und Handlungspraktiken von Politik, Wissenschaft und Medien ausgeblendet und ungern gesehen bzw. gehört werden, kann eine migrationstheoretische Gesellschaftskritik ihre volle Schlagkraft nur dann entfalten, wenn zur Untersuchung der Intersektionen und der Akkumulation benachteiligender Lebensrealitäten von Migrant_innen gleichzeitig verschiedene sozialwissenschaftlichen Standorte eingenommen werden und sie sich als eine polyglotte, transdisziplinäre und multifokale und in diesem ersten Sinne atopische kritische Theorie verhält.
  2. Zweitens wirkt die migrationstheoretische Gesellschaftskritik atopisch nicht nur wegen ihres epistemischen und theoriepolitischen Vorgehens. Neben der atopischen Erkenntnispraxis präsentiert sich auch der Erkenntnisgegenstand der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik als atopisch. Insofern der stake dieses Forschungsansatzes nicht die forscherische Exzellenz ist, sondern die existenziellen Notlagen von Migrant_innen sind, ist er durchaus mit ‚deplatzierten‘ Themen befasst und hat ebenso atopische Erkenntnisse zum Ergebnis. Die atopische Erkenntnisstrategie der Beweglichkeit, Multifokalität und der theoretischen Polyglossie scheint die angemessene, wenn nicht die einzig mögliche Zugangsweise zu Themen zu sein, die atopisch in dem Sinne sind, dass sie aus dem Fokus von Wissenschaft und Politik in der Regel verbannt sind (und wenn sie denn vorkommen, dann allenfalls als Marginalien). Die migrationstheoretische Gesellschaftskritik dagegen artikuliert verdeckte Lebensrealitäten und Problemlagen von Migrant_innen, die als solche nicht benannt, wahrgenommen, wissenschaftlich erforscht, moralisch anerkannt und politisch behandelt werden, und stärkt über deren kritisch-theoretische Erschließung das Handlungspotenzial von Migrant_innen.[9]
    Das letzte Moment macht auf eine weiteren Aspekt der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik aufmerksam. Diese ist insofern eine Kritik von unten, als sie an erster Stelle darauf abzielt, die Handlungsfähigkeit von Migrant_innen zu stärken. Weitgehende Veränderungen der Aufnahmegesellschaft sind erst dann zu erwarten, wenn Migrant_innen als vollwertige und handlungsfähige Akteure in den Bereichen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Kultur auftreten und akzeptiert werden. Diese erkenntnispolitische Priorität hat auch zur Konsequenz, dass nicht nur die Themen der migrationstheoretischen Gesellschaftskritik atopisch sind. Insofern die Erkenntnisse dieser Forschung vornehmlich an sozial Unterlegene – das heißt Diskriminierte, Ausgegrenzte und Marginalisierte – adressiert sind und an erster Stelle ihrer affirmativen Selbstverständigung und Selbstorganisierung als Kollektivität dienen, wirken auch die Forschungsergebnisse dieses Kritikansatzes deplatziert und sind vor die Herausforderung gestellt, ihren Platz auf den theoretischen Landkarten, kulturellen Topologien und politischen Nomenklaturen erst zu erringen. Die migrationstheoretische Gesellschaftskritik ist gerade der Versuch, den ausgeblendeten Lebensrealitäten und ‚verstummten‘ Problemauffassungen von Migrant_innen Aufmerksamkeit und Geltung zu verschaffen.
  3. Als atopisch präsentiert sich die migrationstheoretische Gesellschaftskritik drittens auch dadurch, dass die Subjekte, die potenziellen Autor_innen und Adressat_innen dieser theoretischen Position, nur eine marginale Präsenz in den gesellschaftlichen Opportunitätsstrukturen haben. Selbst in den Institutionen der Wissenschaft, die kritisches Theoriewissen fördern, zusammenführen und disseminieren, müssen sich die Vertreter_innen einer kritischen migrationstheoretischen Erkenntnispraxis mit einem ‚Outsider-within-Status‘ begnügen. Für die Herausbildung gesellschaftskritischer migrationstheoretischer Erkenntnispositionen hat diese ‚Outsider-within-’ und ‚Outsider-without-Situierung‘ von Migrant_innen und kritischen Migrationsforschenden in den gesellschaftlichen und speziell in den akademischen Opportunitätsstrukturen die Konsequenz, dass die Subjekte migrationstheoretischer Ansätze durch ihre Kritik und Interventionen nichts zu verlieren haben, sondern nur gewinnen und ihre soziale und berufliche Situation verbessern können.

Endnoten

Autor_innen

Radostin Kaloianov ist Sozialphilosoph. Seine Forschungsschwerpunkte sind Integration, Migration, Diskriminierung, Gerechtigkeit, kritische Sozialforschung und Affirmative Action für Migrant_ innen. Derzeit arbeitet er als Referent für Grundlagen- und Öffentlichkeitsarbeit von Interface Wien.

R.Kaloianov@gmx.at

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