Blackbox Verdrängung: Die vergessene Seite der Medaille

Rezension zu Ilse Helbrecht (Hg.) (2016): Gentrifizierung in Berlin – Verdrängungsprozesse und Bleibestrategien. Bielefeld: transcript.

Stefania Animento

Warum werden Menschen, die in Innenstadtgebieten Berlins wohnen, zunehmend aus ihrem Wohnort verdrängt? Wie reagieren sie auf den in der Stadt steigenden Verdrängungsdruck und wohin ziehen sie, nachdem der Verdrängungsprozess sich vollgezogen hat? Der im September 2016 erschienene Sammelband Gentrifizierung in Berlin. Verdrängungsprozesse und Bleibestrategien adressiert diese Fragen und liefert dabei einen wichtigen Beitrag zur Berliner Gentrifizierungsforschung. Das Buch ist eine Sammlung von Berichten von Forschungsprojekten, die Studierende des Masterstudiengangs „Geographie der Großstadt“ an der Humboldt Universität zu Berlin zwischen 2012 und 2016 durchgeführt haben. Herausgeberin ist die Dozentin und Direktorin des Geographischen Instituts Ilse Helbrecht. An der Publikation haben neben den Studierenden auch die Stadtforscher Daniel Förste, Matthias Bernt, Andrej Holm und Guido Schulz mitgewirkt.

Das zentrale Anliegen der Veröffentlichung liegt darin, den Fokus der Gentrifizierungsforschung verstärkt auf Verdrängung zu legen und damit die mit Gentrifizierungsprozessen verbundenen dramatischen sozialen Folgen empirisch fundiert darzulegen. Das Vorhaben ist sehr begrüßungswert, denn Verdrängung bleibt weiterhin eine weniger untersuchte Seite von Gentrifizierungsprozessen, worauf Helbrecht in ihrem einführenden Beitrag hinweist. Dafür gibt es verschiedene Gründe, die in der internationalen Stadtforschung bereits analysiert wurden (Atkinson 2000, Hamnett 2003). Zum einen wird darauf verwiesen, dass die Verdrängten das durch Aufwertungsprozesse betroffene Quartier verlassen und somit nicht mehr zu erreichen sind (S. 13). Zum anderen können auch statistische Daten über Umzüge innerhalb der Stadt lediglich die Strömungen zwischen Gebieten oder innerhalb eines Gebietes aufzeigen, nicht aber unmittelbar die Gründe für Umzüge offenbaren. Auch wenn statistische Daten wichtige Hinweise auf Verdrängungsprozesse liefern, bleibt es trotzdem schwierig nachzuweisen, dass Wegzüge aus sich gentrifizierenden Gebieten tatsächlich unfreiwilliger Natur sind. Die Erfahrung der Verdrängung wird oft aufgrund individueller Anpassungsmechanismen aus der Narration der eigenen Geschichte ‚verdrängt‘. Dies zeigt auch der Beitrag von Camilo Betancourt, der die ‚Dissonanztheorie‘ von Häußermann/Siebel (2000) heranzieht, um zu erklären, warum aus dem Viertel Prenzlauer Berg verdrängte Menschen im Interview eher dazu neigten, ihre neue Wohnsituation als positiv zu bewerten, da ihnen jegliche Alternative zu einem Wegzug unmöglich schien (S. 262). Wie Bernt und Förste in ihrem Kapitel anmerken, ist die „Black-Box Verdrängung“ ein methodologisch schwer zu fassendes Phänomen (Bernt/Förste 2016: 45ff.).

Trotz der Schwierigkeiten, Verdrängung empirisch zu dokumentieren, schafft es das Buch, den Leser_innen ein allgemeines Bild zu Verdrängungsprozessen in der Stadt zu vermitteln. Dem Sammelband gelingt es dementsprechend, die Forschungslücke zum Phänomen der Verdrängung in Berlin zu verkleinern. Es zeigt sich hierbei, dass es einer Vielfalt an Herangehensweisen bedarf, um die verschiedenen Gesichter der Verdrängung aufdecken zu können. Dies geht auch aus der Diversität der Methoden hervor, die in den studentischen Projekten angewandt wurden, wie semi-standardisierte, biographische und Experteninterviews, Dokumentenanalysen und statistische Analysen. Die Untersuchungen werden außerdem auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen verortet, also auf gesamtstädtischer (Döring/Ulbricht), bezirklicher (Koch et al.), Nachbarschafts- (Scheer) und Mietshausebene (Ertelt et al.). Positiv erscheint auch das Bestreben, die Ergebnisse studentischer Projekte zu diesem Thema darzustellen, die sonst eher selten veröffentlicht werden. Es wird gezeigt, dass Studierende erfolgreich in Forschungsprojekte eingebunden werden und verlässliches Wissen über gesellschaftlich relevante Fragen generieren können. Allerdings wirken die theoretischen Teile der Beiträge etwas redundant und hätten besser editorisch begleitet werden können. Eine gemeinsame theoretische Einführung hätte Wiederholungen vermieden und mehr Vertiefung in den einzelnen Beiträgen ermöglicht. Weiterhin sind die Beiträge nicht thematisch eingeordnet: Es wird der_dem Leser_in überlassen, die Ergebnisse der Einzelprojekte miteinander in Verbindung zu bringen. Nichtdestotrotz kann der Band als eine Quelle spannender Hypothesen und Argumente dienen, die im Rahmen größerer Forschungsvorhaben weitergeführt werden könnten. Auch wird ein Überblick über die Verdrängung- und Gentrifizierungsforschung in Berlin gegeben: Wer hat zu welchen Themen geforscht? Wo wird weitere Forschung benötigt?

Aus der Zusammensetzung der Schwerpunkte der Beiträge ergibt sich, dass insbesondere in drei Bereichen neue Erkenntnisse über die „Blackbox Verdrängung“ zu gewinnen sind. Erstens zeigen die Untersuchungen räumlicher Muster der Aufwertung und der Verdrängung, dass Verdrängung am besten durch die Anwendung innovativer Methoden und Triangulation von Daten gefasst werden kann. Zweitens wird der Fokus auf die Rolle des Staates als regulierende Instanz von Verdrängungsprozessen, insbesondere im Segment des Sozialen Wohnungsbaus, gesetzt. Drittens wird auf neu entstehende Marginalisierungsprozesse auf dem Wohnungsmarkt und die dadurch verursachten individuellen und kollektiven Strategien verwiesen. Im Folgenden werde ich versuchen, die theoretischen und empirischen Gewinne in den benannten Themenfeldern zu erläutern.

1. Innovative Methoden zur Untersuchung städtischer Verdrängungsmuster

Die Beiträge von Bernt/Förste, Koch et al., Döring/Ülbricht und Holm/Schulz beschäftigen sich mit unterschiedlichen Ansätzen der Untersuchung räumlicher Verdrängungsmuster. Anhand der Abwanderungsdaten aus dem Gebiet Prenzlauer Berg zwischen 1994 und 2010 zeigen zum Beispiel Bernt und Förste, wohin die Anwohner_innen durch Gentrifizierung verdrängt wurden. Eine Wanderung an den Stadtrand gab es zur Jahrtausendwende noch kaum, da zu dieser Zeit andere innerstädtische Gebiete noch bezahlbar waren. Ein Blick auf die heutigen Daten zeigt, dass dies heute weniger zutrifft, da praktisch alle Gegenden innerhalb des S-Bahn-Rings (dieser wird als Grenze der Berliner Innenstadt wahrgenommen) durch Aufwertungsdynamiken betroffen sind (siehe Döring/Ulbricht und Holm/Schulz im Band). Wie eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts belegt hat, sind sich die Bewohner_innen zentraler Wohngebiete mit niedrigem bis mittlerem Einkommen zunehmend bewusst, dass ihre Wohnsituation sich zukünftig verschlechtern könnte (Bombosch 2017). Diese These wird auch durch das Forschungsprojekt von Simon Koch, Marrike Kortus, Christine Schierbaum und Stephanie Schramm bestätigt. Die Studierende dokumentieren in ihrem Beitrag zu Wunschwohnorten, dass Kreuzberger_innen zwar im Fall einer durch Mietererhöhung verursachte Verdrängung lieber in einen geographisch nahen Wohnort umziehen möchten, sich aber bewusst sind, dass dies aufgrund der steigenden Mieten zunehmend schwierig wird. Abwanderungen an die Ränder Berlins sind schließlich heute häufiger, wobei der Wohnungsmarkt auch in den Randbezirken mittlerweile angespannt ist.

Christian Döring und Klaus Ulbricht kombinieren die Berechnung von Daten zu Abwanderungsvolumen, Veränderung der Bevölkerungsstruktur und Wohnungswirtschaft in Gentrifizierungsgebieten mit der Auswertung der Datenbank der kommunalen Wohnungsgesellschaft Degewo. Dadurch versuchen sie die neuen Wohnorte der Mieter_innen ausfindig zu machen, die durch eine Aufwertung stark betroffener Teilgebiete Kreuzbergs weggezogen sind.

Eine sehr innovative Methode zur Gentrifizierungsforschung wird außerdem im Beitrag von Andrej Holm und Guido Schulz vorgestellt. Es handelt sich um das Gentrimap-Projekt[1] , ein benutzerfreundliches Kartenprojekt, das auch ‚Laien‘ ermöglicht, die Prozesse der Gentrifizierung in der Stadt auf einfache Weise zu visualisieren. Um Gentrifizierung messbar zu machen, wird sie zuerst als „Konjunktion von sozialer und immobilienwirtschaftlicher Aufwertung“ (S. 300) definiert. Dadurch werden sowohl Nachfrage- als auch Angebotskomponente der Gentrifizierung einbezogen. Um die zwei Variabeln zu quantifizieren, bildeten Holm und Schulz dann zwei Indizes – einen „Immoindex“ (zur Messung der immobilienwirtschaftlichen Aufwertung) und einen „Sozialindex“ (zur Messung der verdrängungsinduzierenden sozialen Aufwertung). Für jedes Gebiet Berlins zeigt die Kombination der Werte der zwei Indizes, inwieweit das Gebiet durch Gentrifizierungsprozesse betroffen ist. Die Indizes wurden durch eine Shift-Share-Analyse so berechnet, dass sie gebietsspezifische Abweichungen vom gesamtstädtischen Trend quantifizieren können (ebd.: 302). Somit können sowohl Gentrifizierungsprozesse in verschiedenen Teilen der Stadt quantitativ miteinander verglichen werden als auch gesamtstädtische Aufwertungsdynamiken in den Blick genommen werden. Die Gentrimap erweist sich schließlich als ein kollaboratives, reproduzierbares und offenes Karten- und Messmodell für Gentrifizierung, das sich für weitere Ergänzungen und Analysen anbietet. Eine wünschenswerte Erweiterung könnte zum Beispiel das Ziel haben, das Modell durch Daten der Verdrängung zu ergänzen, damit auch diese zentrale Komponente der Gentrifizierung besser begreifbar gemacht werden kann.

2. Der Staat als Akteur der Verdrängung

Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Rolle des Staates beziehungsweise staatlicher und lokaler Institutionen bei der Regulation und Steuerung von Verdrängungsprozessen. Da der Staat vermehrt aktiv in Gentrifizierungsdynamiken mitwirkt (Bernt 2012), ist die Frage danach berechtigt, ob er auch über eine relevante Gestaltungsmacht von Verdrängungsdynamiken verfügt. Zwei Aspekte werden besonders hervorgehoben, die die Verwicklung von staatlicher Regulation und Verdrängung am Beispiel Berlin aufdecken: erstens die Verdrängung im (ehemaligen) sozialen Wohnungsbau und zweitens die Wohnsituation von ALG-II-Empfänger_innen. Im ersten Fall beschäftigen sich Greta Ertelt, Carlotta-Elena Schulz, Georg Thieme, Christian Uhlig und Lisa Scheer mit den ‚Besonderheiten‘ der Berliner und generell der deutschen Förderung des Sozialen Wohnungsbaus, die eher als „Bauwirtschaftsförderung mit sozialer Zwischennutzung“ bezeichnet werden kann (Donner 2000: 200). Angelehnt an das von Neil Smith (1979) entwickelte Konzept der Ertragslücke (rent gap) sprechen Eltert et al. diesbezüglich von einer state made rental gap. Dabei meinen sie, dass das Zusammenfallen des in Berlin angewandten Systems zur staatlichen Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus und der temporären Aufhebung der Belegungsbindungen[2] eine Ertragslücke geschafft hat, von der die Wohnungsunternehmen reichlich profitiert haben (S. 144). Durch die seit dem Wegfall der Anschlussförderung (2003) drastisch ausgefallenen Mieterhöhungen bis zur ursprünglichen Kostenmiete sind Mieter_innen im sozialen Wohnungsbau teilweise stärkerem Verdrängungsdruck ausgesetzt als dies im frei finanzierten Wohnungsmarkt der Fall ist. Der Beitrag von Nelly Grotefeld, Malve Jacobsen, Tanja Kohlsdorf und Lina Wegener setzt zweitens den Fokus auf die dramatische Situation von ALG-II-Empfänger_innen, deren Mieten bis über die Obergrenze der zugelassenen Kosten der Unterkunft erhöht werden. In diesem Fall wird die Erhöhung durch das Jobcenter nicht übernommen, sodass die Betroffenen unter starken Verdrängungsdruck geraten. Es wird dabei klar, dass nicht nur direkte staatliche Regulierungen auf dem Wohnungsmarkt einen Einfluss auf Verdrängungsdynamiken haben, sondern die Wohnverhältnisse der Menschen durch den Staat auch indirekt verschlechtert oder verbessert werden können.

3. Aktuelle Marginalisierungsprozesse auf dem Wohnungsmarkt

Der Beitrag von Grotefeld et al. befasst sich mit einem weiteren Themenfeld, mit dem sich die Studierenden beschäftigt haben: aktuelle Marginalisierungsprozesse auf dem Wohnungsmarkt. Immer wieder erwähnen die Autor_innen, dass bisher verschiedene Formen der Verdrängung, das heißt sowohl physische, ökonomische und kulturelle als auch symbolische Verdrängung durch die Gentrifizierungsforschung aufgedeckt worden sind (vgl. Marcuse 1985). Die Studierenden legen Gewicht darauf, die Mehrdimensionalität der Verdrängung in ihren Forschungsergebnissen hervorzuheben. Eine Studie über Melbourne hat zum Beispiel gezeigt, dass Verdrängungsdruck einen Verlust an Zugehörigkeit und Wohlgefühl verursacht, selbst wenn Haushalte durch die Anwendung verschiedener Strategien im aufgewerteten Gebiet verbleiben können (Shaw/Hagemans 2015). Der Verlust an Zugehörigkeit geht mit den Anpassungsstrategien einher, die dazu eingesetzt werden, im Wohngebiet zu bleiben. Dies wurde bereits in den 90er Jahren im deutschsprachigen Raum als ‚Verdrängung aus dem Lebensstil‘ bezeichnet (Blasius 1994). Entsprechende Bleibestrategien, zum Beispiel das Einsparen anderer Ausgaben oder die Reduzierung des individuellen Wohnraums, werden durch Grotefeld et al. am bereits benannten Beispiel untersucht. Die Option eines Umzugs ist für durch Mieterhöhungen betroffene ALG-II-Empfänger_innen meist ohnehin ausgeschlossen, da im angespannten Berliner Wohnungsmarkt gerade im unteren Preissegment ein Mangel von circa 55.000 Wohnungen zu verzeichnen ist, wie Holm in seiner Studie zum Wohnungsversorgungsbedarf kürzlich belegt hat (Holm 2016a).

Paul Neuperts Beitrag zeigt weitere Formen der Marginalisierung auf dem Wohnungsmarkt auf. Er beschreibt die Situation von Menschen, die aufgrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum einen Campingplatz am Rand der Stadt als permanenten Wohnort nutzen. Es wird dargestellt, wie unter den Bedingungen des steigenden Verdrängungsdrucks und der Wohnungsnot neue Formen des Wohnens entstehen, die die bisher als normal empfundenen Wohnstandards in Frage stellen. Der Autor verweist darauf, dass diese sich nun auch in Deutschland verbreitenden Prozesse der Prekarisierung, Temporärisierung und Informalisierung des Wohnens bereits seit Jahren in den USA zu beobachten sind – insbesondere seit dem Beginn der Finanzkrise 2008, wie Desmond (2016) in seiner fesselnden Ethnographie über Zwangsräumungen in trailer parks dokumentiert hat. Während der Verdrängungsdruck steigt, entwickeln Betroffene also immer neue Strategien, um mit der sich verschlechternden Situation umzugehen.

Durch Verdrängung bedrohte Menschen entwickeln aber nicht nur individuelle Strategien, sondern schaffen es teilweise auch, sich kollektiv gegen Aufwertung und Gentrifizierung zu wehren. Lisa Scheer dokumentiert in ihrem Beitrag die Organisierung und die Proteste der Mieter_innengemeinschaft Kotti & Co, die sich gegen Mietererhöhungen im ehemaligen Sozialen Wohnungsbau rund um das Kottbusser Tor gebildet hat. In ihrem Beitrag geht es vor allem um die Frage, ob und wie Gentrifizierung gestoppt werden kann. Am Beispiel von Kotti & Co werden Strategien für weitere Kämpfe für das Recht auf Wohnen und das Recht auf Stadt erläutert, wie zum Beispiel das Ausüben politisches Drucks auf stadtpolitische und wohnungswirtschaftliche Akteur_innen durch mediale Aufmerksamkeit. Die Errungenschaften des Protests werden von den Mieter_innen selbst lediglich als Teilerfolge eingeschätzt. Trotzdem zeigt die Erfahrung von Kotti & Co, dass kollektives Handeln den besten Weg darstellt, um sich der durch die Verdrängung verursachte Vereinzelung entgegenzustellen. Die Bekanntmachung der Mieterhöhungen ist dabei der erste Schritt, der es Bewohner_innen ermöglicht, direkten Einfluss auf die Stadtpolitik zu nehmen.

4. Eine neue Generation kritischer Stadtforscher_innen?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Sammelband Gentrifizierung in Berlin – Verdrängungsprozesse und Bleibestrategien interessante und aktuelle Erkenntnisse über das Phänomen der Verdrängung in Berlin liefert. Trotz einem Mangel an Struktur und den teilweise wenig ausgearbeiteten theoretischen Ansätzen der Beiträge gelingt es den Autor_innen, verschiedene Facetten der Verdrängung empirisch zu erläutern, und somit Anstöße für weitere Forschung zu geben. Die Herausgeberin Helbrecht weist zu Recht darauf hin, dass angesichts der anhaltenden Wohnungskrise in Berlin verstärkt kritische Stadtforschung benötigt wird. Der Sammelband dient dazu, das Feld der Gentrifizierungsforschung in Berlin zu bereichern und auszudifferenzieren und zeigt, dass nicht nur etablierte Forscher_innen in der Lage sind, wertvolles Wissen zu erzeugen, das für die sozialen Stadtbewegungen von entscheidender Bedeutung sein kann.

Allgemein betrachtet kann es auch kritisch gesehen werden, dass oft auch Studierende dem im neoliberalen Wettbewerb allgegenwärtigen Veröffentlichungsdruck ausgesetzt werden. Dennoch lässt sich Gentrifizierung in Berlin eher als positiver Versuch betrachten, den Studierenden eine Möglichkeit zu bieten, sich in der Produktion kritischen Wissens über gesellschaftlich höchstrelevante Themen zu engagieren. Ob und inwieweit die Produktion kritischen Wissens an Universitäten möglich bleibt, ist eine Frage der Kämpfe und Auseinandersetzungen, die um diese Institutionen geführt werden. Dabei ist es ohnehin an den gegenwärtigen und zukünftigen Stadtforscher_innen, auch die Arbeitsbedingungen der akademischen Wissensproduktion in Frage zu stellen.

Endnoten

Autor_innen

Stefania Animento ist Stadtsoziologin. Ihre Schwerpunkte sind Migration und Mobilität, Wohnen, soziale Klasse und politische Ökonomie.

s.animento@campus.unimib.it

Literatur

Atkinson, Rowland (2000): Measuring gentrification and displacement in Greater London. In: Urban Studies 37, 149-166.

Bernt, Matthias (2012): The ‚double movements‘ of neighbourhood change: Gentrification and public policy in Harlem and Prenzlauer Berg. In: Urban Studies 49/14, 3045-62.

Blasius, Jörg (1994): Verdrängungen in einem gentrifizierten Gebiet. In: Jens Dangschat / Jörg Blasius (Hg.): Lebensstile in den Städten. Konzepte und Methoden. Opladen: Leske + Budrich, 408-425.

Bombosch, Frederik (2017): Jeder zweite Berliner fürchtet, bald seine Wohnung zu verlieren. http://www.berliner-zeitung.de/26296368 (letzter Zugriff am 5.4.2017).

Desmond, Matthew (2016). Evicted: Poverty and Profit in the American City. New York: Crown/Archetype.

Donner, Christian (2000): Wohnungspolitiken in der Europäischen Union: Theorie und Praxis. Wien: Eigenverlag.

Hamnett, Chris (2003): Gentrification and the middle-class remaking of Inner London, 1961-2001. In: Urban Studies 40/12, 2401-26.

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walther (2000): Soziologie des Wohnens: Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. Weinheim und München: Juventa.

Holm, Andrej (2016a): Sozialer Wohnraumversorgungsbedarf in Berlin. Studie im Auftrag: DIE LINKE. Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Holm, Andrej (2016b): (Un)sozialer Wohnungsbau. Schwerpunkt der Berliner Verdrängungsdynamik. In: Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt 2 (Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau), 13-99.

Marcuse, Peter (1985): Gentification, abandonment, and displacement: Connection, causes, and policy responses in New York City. In: Journal of Urban and Contemporary Law 18/1, 195-240.

Shaw, Kate / Hagemans, Iris W. (2015): „Gentrification without displacement“ and the consequent loss of place: the effects of class transition on low income residents of secure housing in gentrifying areas. In: International Journal of Urban and Regional Research 39/2, 323-341.

Smith, Neil (1979): Toward a theory of gentrification. A back to the city movement by capital, not people. In: Journal of the American Planning Association 45/4, 538-548.