„Wie könnte eine nicht-sexistische Stadt aussehen?“ neu gelesen

Dolores Hayden

Im Frühjahr 1980 veröffentlichte Catherine R. Stimpson, die Herausgeberin von Signs: Journal of Women in Culture and Society, ein Sonderheft mit dem Titel Women and the American City. Dieses Heft war dermaßen erfolgreich, dass es später auch als Buch publiziert wurde. Die Beiträge dazu stammten von Regierungsvertreter_innen, politischen Aktivist_innen und Wissenschaftler_innen. Das Heft bildet den unmittelbaren Kontext für den Standpunkt, den ich in „Wie könnte eine nicht-sexistische Stadt aussehen? Überlegungen zum Wohnen, zur städtischen Umwelt und zur menschlichen Arbeit“ vertreten habe.

Die erneute Lektüre meines Beitrags in Signs heute, in den Zeiten von Trump, weckt die Erinnerung an den Optimismus der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Im April 1979 habe ich die erste von insgesamt vier feministischen Konferenzen zum Thema „Frauen und Stadt“ an der Graduate School für Architektur und Stadtplanung der UCLA, der University of California in Los Angeles, organisiert. Ann Markusen, Wirtschaftswissenschaftlerin vom Berkeley-Campus der University of California, die Soziologin Gerda Wekerle von der York University und die Stadtplanerin Jacqueline Leavitt von der Columbia University waren nicht nur unter den Rednerinnen dieser Konferenzen, sondern auch Autorinnen in jenem Sonderheft von Signs. Es lohnt sich, jeden der Aufsätze heute erneut zu lesen.

Meine Kolleg_innen und ich waren damals zuversichtlich, dass sich für Frauen in Bezug auf ihren Zugang zu Wohnen, zu Krediten und zum Arbeitsmarkt vieles ändern würde. 1974 bis 1977 war Gerald Ford Präsident, ein Republikaner, der wie Jimmy Carter, sein demokratischer Nachfolger von 1977 bis 1981, das Equal Rights Amendment (ERA), d. h. den Verfassungszusatz für mehr Rechte von Frauen, unterstützte. Erst mit Ronald Reagan, der von 1981 bis 1989 im Amt war, erlangten konservative Ansichten über die Rechte von Frauen die Oberhand. Bis zum Ablauf der Frist 1982 gelang es daher nicht, das ERA zu ratifizieren. Die Anwältin und Aktivistin Phyllis Schlafly mobilisierte und vernetzte Katholik_innen, Mormon_innen und evangelikale Protestant_innen, die alle behaupteten, das ERA würde Hausfrauen benachteiligen. In Schürzen und mit Hilfe von Kekstellern gelang es den Frauen des rechten Flügels, die Gesetzgeber zu beeinflussen.

Wenn ich heute auf meinen Text aus dem Jahr 1980 zurückblicke, den ich im Alter von 35 Jahren schrieb, stelle ich fest, dass meine Kritik an den amerikanischen Strukturen des privaten und öffentlichen Raums immer noch Gültigkeit hat: zügellose Spekulation mit Immobilien, privater Einfamilienhausbau in vorstädtischen Gebieten und Massenkonsum sind auch 2017 immer noch Themen, die uns beschäftigen. Dies gilt auch für den verschwenderischen Umgang mit Land und Energie sowie die fehlende Bereitschaft, unbezahlte familiäre Reproduktionsarbeit als Arbeit anzuerkennen. Hinzu kommt die Hypothekenkrise, von der so viele weibliche Haushaltsvorstände, insbesondere auch von Minderheiten, betroffen waren. Wenn Männer Wohnungspolitik analysieren, betrachten sie zwar oftmals Klassifizierungen nach Race und Klasse, vergessen dabei jedoch sehr häufig, Geschlecht als Analysekategorie mit einzubeziehen–vier Jahrzehnte feministischer Forschung zum Trotz.

1980 schlug ich also vor, die öffentlichen Infrastrukturen in einer Weise auszubauen, die die Doppelrolle von Frauen als familiäre Reproduktionsarbeiterinnen und Ernährerinnen anerkennt und unterstützt, im Sinne von „kommunalen Dienstleistungen zur Unterstützung von privaten Haushalten“. Heute leben in den US-amerikanischen Vorstädten immer mehr alleinstehende und ältere Menschen. Die Nachfrage nach unterschiedlichen Wohngrößen hat daher zugenommen. Auch die Nachfrage nach besseren öffentlichen Verkehrssystemen und bezahlbarer Kinderbetreuung ist gestiegen. Damals habe ich eine Reihe von Experimenten im Bereich Wohnen und Stadtgestaltung zitiert (von Nina West bis Clarence Stein) und einen neu organisierten vorstädtischen Wohnblock entworfen, um die räumliche Vorstellungskraft meiner Leser_innen anzuregen. Ich wollte ihnen damit vor Augen zu führen, auf welche Weise der gebaute Raum größere ökonomische Strukturen sowohl festigen als auch verändern kann.

Auf den Text „Wie könnte eine nicht-sexistische Stadt aussehen?“ folgte 1981 mein Buch The Grand Domestic Revolution (Hayden 1981). Darin unternehme ich eine feministische Analyse weiblicher Arbeit im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert und untersuche die Strategien von Frauen, soziale Veränderungen zu bewirken. Es geht darin um Aspekte der Frauengeschichte, die auch heute noch interessant und lesenswert ist. Der Aufsatz, der hier debattiert wird, hat auch meine kritischen Betrachtungen zur Konstruktion und Gestaltung der amerikanischen Vororte in der Nachkriegszeit in Redesigning the American Dream (W. W. Norton 1984, überarbeitete und erweiterte Ausgabe 2002) antizipiert. Dieses Thema findet sich auch in meinen späteren Arbeiten, wie in Building Suburbia (Hayden 2003). In The Power of Place (Hayden 1995) stehen Fragestellungen von Race und Ethnizität im Verhältnis zu Klasse und Gender im Vordergrund.

Unentwegt werden uns futuristische Versionen der kapitalistischen Stadt aufgezwungen. Es ist gerade erst einige Wochen her, dass die New York Times über eine der allerneuesten Ideen berichtet hat: Drohnen, die Pakete von Amazon ausliefern, selbstfahrende Uber-Taxis und, wie immer, Frauen, die in ihren vorstädtischen Heimen mit der familiären Reproduktionsarbeit beschäftigt sind, ohne auch nur irgendeine Anerkennung für diese Arbeit zu erhalten. Ich vertrete keinen architektonischen Determinismus und habe niemals behauptet, dass Städtebau oder Architektur die Gesellschaft verändern könnten. Allerdings bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass mehr ökonomische Gleichberechtigung möglich wird, wenn wir uns räumliche Alternativen vorstellen. Lasst uns also weiterhin positiven Wandel imaginieren, und zwar mit der klaren Vision, dass es räumliche und ökonomische Alternativen geben kann zur Ausbeutung durch Gender, Race und Klasse.

Übersetzung aus dem Englischen von Susanne Hiller, wissenschaftliches Lektorat von Stefan Hoehne.

Autor_innen

Dolores Hayden ist Stadthistorikerin und forscht zur Geschichte und Theorie von Architektur und Stadtplanung mit besonderem Fokus auf feministische Ansätze und Initiativen.

Literatur

Hayden, Dolores (1981): The grand domestic revolution. A history of feminist designs for american homes, neighborhoods, and cities. Cambridge/London: MIT Press.

Hayden, Dolores (1995): The power of place. Urban landscapes as public history. Cambridge/London: MIT Press.

Hayden, Dolores (2003): Building suburbia. Green fields and urban Growth, 1820-2000. New York: Pantheon.