„Morningside Park: A Civil Rights Battleground“

Rezension zu Christiane Crasemann Collins (2015): A Storm Foretold: Columbia University and Morningside Heights, 1968. Charleston, SC: EBook Bakery Books.

Maxi Schreiber

Christiane Crasemann Collins’ A Storm Foretold handelt von der rassis­tisch­en Ex­pan­sions­politik der Columbia University in den 1940er bis 1960er Jahren. Im Mittelpunkt steht der Protest gegen den 1958 beschlossenen Bau einer Universitätssporthalle (gymnasium) im Morningside Park. Lediglich zwölf Prozent der Fläche dieser Turnhalle waren für die nicht-universitäre Nutzung vor­­ge­sehen, obwohl sie in einem öffentlichen Park gebaut werden sollte. Collins erzählt die Geschichte des Protests anhand der Interessenverflechtungen von Grassroots-Initiativen, Mieterprotestgruppen und Student_innen. Die­ser mikrogeschichtliche Ansatz eröffnet eine Perspektive auf die Proteste von 1968, die in der Darstellung der ‚68er-Veteranen‘ kaum vorkommt. Collins ist eine deutsch-chilenisch-amerikanische Architektur- und Städte­bau­his­torikerin, die in jenen Jahren an der Columbia University tätig war und in Morningside Heights wohnte. Sie war selbst eine Mitstreiterin dieser Bewegung und rekonstruiert in A Storm Foretold die Ereignisse anhand von Zeitschriftenartikeln, Protokollen, Aufzeichnungen von Protesttreffen und Gesprächsnotizen. Hauptsächlich geht es ihr darum, die rassistische Politik der Columbia University zu entlarven und die Aktionen der frühen Protestgruppen darzulegen, ihr Engagement und die Verflechtungen mit den größer werdenden studentischen Protestgruppen aufzuzeigen. Diese Gruppen, die teilweise sehr unterschiedliche politische Ziele verfolgten, stoppten 1968 gemeinsam den begonnenen Bau der Universitätssporthalle.

Lehrreich ist bereits die Darstellung der Nutzung des Parks seit seiner Planung von Frederick Law Olmstedt und Calvert Vaux im Jahr 1873. Damit geht Collins auf die ursprüngliche Konzeption des öffentlichen Parks ein und zeigt, wie rückschrittlich dagegen die Planungsabsichten der Columbia University waren. Im rasch wachsenden Manhattan war dieser Park eine wich­ti­ge Grünzone, zumal hier noch die natürlichen Felsen erhalten waren und damit ein Teil der ursprünglichen Natur aus der Zeit vor der Urba­ni­sie­rung bewahrt wurde. Doch mit der Ansiedlung der Columbia University un­mittelbar westlich des Parks und der damit einhergehenden Konzeption des Masterplans von McKim Mead & White war bereits in den 1890er Jahren von der ‚Acropolis of Knowledge‘ die Rede, einer weißen Ivy League zu der nur Akademiker (zu dieser Zeit tatsächlich nur Männer)[1] Zugang haben soll­ten. Die daran angrenzende Wohngegend der Morningside Heights war in den 1940er Jahren von der weißen Mittelschicht geprägt, in den 1950er bis 1960er Jahren wurde sie durch Zuzug von Bewohner_innen aus Harlem afro­ame­ri­kanisch und hispanisch. Doch bereits seit den späten 1940er Jahren kontrollierte die Columbia University die Entwicklung dieser Wohngebiete durch den Ankauf von Immobilien, die sie teilweise leer stehen und verfallen ließ. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden bis zum Jahr 1965 schon 7.500 An­wohner_innen aus ihrer Wohngegend verdrängt (2015: 20). Collins zeigt, dass durch diese Expansionspolitik Wohnungsleerstand, Verfall und Kri­mi­na­li­tät in die Umgebung des Morningside Park Einzug hielten.

Es ist lehrreich, anhand dieses Buches das Thema der Gentrifizierung und Ver­drängung von Mieter_innen durch Bildungsinstitutionen nach­zu­ver­folgen. Collins zeigt auf, dass in dem ganzen Prozess vor dem Baustopp keine Städteplaner_innen – noch nicht einmal aus der eigenen Architekturfakultät – beteiligt wurden und auch die angrenzenden Communities nicht in die Pla­nung ein­bezogen wurden. So charakterisiert sie die Universitätssporthalle als „Ikone für den Rassismus der Columbia University, geplant als institutionelle Bas­tion gegen eine eingebildete Bedrohung aus Harlem“ (2015: XII, Übers. d. A.). Der Wider­stand wurde seit den frühen 1960er Jahren von klei­nen Bewegungen wie „Morningsiders United“, Organisationen wie dem „West Harlem Morningside Park Committee“ und Stadtteilzeitschriften wie Westside News organisiert und ent­lud sich schließlich 1968 im Zuge der großen Student_innenproteste in einem „Ge­witter“, in dem das Bau­pro­jekt zum Symbol für die gesamte rassistische, anti­soziale, elitäre und re­pu­bli­kanische Politik der Columbia University avan­cierte. Wie Collins in ihrer Einleitung (2015: VII) schreibt, könnte ein alter­na­ti­ver Titel des Buches daher lauten: „Morningside Park: A Civil Rights Battle­ground“. Studentische Gruppierungen wie „The Student Citizenship Council“ und „Students‘ Afro-American Society“ nahmen das Bauprojekt „Gym Crow“ 1967 auf die Agenda ihres Protests. Von da an fanden auch gemeinsame Treffen und Aktionen mit den Organisationen der Anwohner_innen statt. Als die Bau­maß­nahmen begannen, organisierte das „West Harlem Park Committee“ erste Block­aden an der Baustelle in Morningside Park, denen sich auch Student_in­nen und Mitglieder des Lehrkörpers der Columbia University anschlossen. In Folge stellten mehrere Studentengruppierungen „Gym Crow“ in den Mit­tel­punkt ihres Protests. Deren Widerstand gegen das Bauprojekt entzündete sich vor allem an der überwiegend nicht-öffentlichen Nutzung sowie daran, dass für schwar­ze und puerto-ricanische Anwohner_innen nur ein Hintereingang an der Morningside Avenue vorgesehen war. Im April 1968 begannen die großen Streiks und Besetzungen der Columbia University mit zunächst 200, später 1.000 Student_innen, die letzlich einen Baustopp durchsetzten.

Ein wichtiger Verdienst des Buches ist es, von Anfang an klarzumachen, dass die Bewohner_innen der Morningside Heights seit den 1940er Jahren unter der von der Columbia University gesteuerten, rassistisch mo­ti­vier­ten Mieterverdrängung litten und sich deshalb seit den 1950er Jahren in Protestgruppen organisierten. Die Geschichte der West-Harlemer Com­mu­ni­ties, ihrer Grassroots- und Mieterprotestinitiativen wurde in der Lite­ra­tur über die Studentenproteste an der Columbia University bisher nicht erzählt. Zu sehr konzentrierten sich solche Darstellungen auf das Jahr 1968 und die studentischen Proteste gegen den Vietnamkrieg. Beispielhaft für dieses Narrativ sind Jerry L. Avorns Up against the Ivy Wall. A History of the Columbia Crisis (1969) sowie James Kunens Buch The Strawberry Statement. Notes of a College Revolutionary (1968), das auch verfilmt wurde. Beide Darstellungen konzentrieren sich dabei auf den Protest gegen den Vietnam-Krieg, die Jugendkultur und die Neue Linke und prägen bis heute die öffentliche Wahrnehmung der damaligen Studentenbewegung (Bradley 2009: 17). Dabei wurde auch die Verhinderung des Baus des gym­nasiums als Erfolg der studentischen Protestgruppen dargestellt. Collins teilt damit die Meinung Stefan Bradleys (Bradley 2009: 172), der in seiner Unter­suchung Harlem vs. Columbia University. Black Student Power in the Late 1960s ebenfalls die Schieflage dieses Narrativs aufarbeitet. Dem entgegen stellt Bradley klar, dass der Rassismus der Columbia University „eine treibende Kraft im Umgang mit den überwiegend schwarzen und puerto-ricanischen Stadtteilen der Morningside Heights und Harlem war“ (Bradley 2009: 17, Übers. d. A.).

Obwohl Collins an den von der West-Harlemer Community organisierten Pro­testen teilnahm und mit Aktivist_innen befreundet war, bleibt ihre Dar­stellung differenziert und sie begeht nicht den Fehler, die Student_innen als Trittbrettfahrer der frühen Grassroots-Initiativen zu deuten. Vielmehr zeigt Collins die Verflechtungen der Interessen und unterschiedlichen, großen wie kleinen Protestgruppen auf. Sie stellt klar, dass der im Februar 1968 einsetzende Massenprotest an der Columbia University zwar den Bau der Sporthalle verhinderte, die Mehrheit der Protestierenden jedoch keine Kennt­nis der Anliegen der Morningside-Communities hatte, geschweige denn den Park selbst nutzte (2015: 178). Gleichzeitig bleibt Collins‘ Fokus auf den Protestinitiativen der ersten Stunde, die sie unter anderem anhand des Engagements des schwarzen Aktivisten und Gründungsmitglieds der „West Harlem Community Organization“, Bob McKay, erzählt.

Die Reportage bleibt stets nah an den Forderungen der Grassroots-Ini­tiativen und bietet folgerichtig keine größere Einordnung etwa in die Sozial­geschichte der neighborhoods der people of color der 1960er Jahre. Deshalb werden auch Vergleichsstudien ähnlicher Protestbewegungen in Collins‘ Buch nicht angerissen. Dies und die Geschichte der Student_in­nen­proteste ist bereits ein eigener Forschungsgegenstand. Was Collins‘ Buch dennoch lesenswert macht, ist ihr mikrogeschichtlicher Blick auf die Pro­test­gruppen. Dadurch erhalten die Leser_innen die Chance, Ereignisse wie die Student_innenstreiks an der Columbia University nicht nur durch die Augen der studentischen Aktivist_innen zu sehen, sondern die Perspektive der Anwohner_innen auf die Universitätspolitik kennenzulernen.

Wer am größeren Kontext interessiert ist, sollte Harlem vs. Columbia Uni­ver­sity von Stefan M. Bradley lesen. Bradley spricht auch den Protest gegen das gymnasium an und stellt die unterschiedlichen Interessen dar. Dabei er­örtert er unter anderem warum die Columbia University in den öffentlichen Stadt­raum eingreifen konnte. Weiterhin fragt er nach den kurzzeitigen und länger­fristigen Auswirkungen der Student_innenproteste, insbesondere von Orga­ni­sationen wie der „Students‘ Afro-American Society“. Im Gegensatz dazu ist der Mehrwert an Collins‘ Reportage die dichte Beschreibung der Ereignisse und ihrer Akteure. Bereits in der Einleitung macht sie klar, dass das Manuskript zu diesem Buch in den 1970er Jahren geschrieben wurde. Dass die Reportage einer Zeitzeugin weder die Ereignisse verklärt noch anekdotisch erzählt, liegt vor allem daran, dass Collins Schriftführerin (2015: 76) der „West Harlem Community Organization“ war und für die Zeitung The Westside News Artikel verfasste. Nach dem Ende der Proteste engagierte sie sich im „West Harlem Morningside Park Committee“. Collins legte während der laufenden Ereignisse ein Archiv an, das sie 1984 dem „Schomburg Center for Research in Black Culture“ der New York Public Library übergab.[2] Dokumente, die sie in ihrer Funktion als Schriftführerin und Archivarin sammelte, waren unter anderem Artikel der Stadtteilzeitschrift The Morningsider und des Columbia Daily Spectator, der Studentenzeitung der Columbia University. Außerdem sammelte sie Transkripte von Ge­sprächen mit Protestgruppen und der Universitätsverwaltung (viele davon genauso erwähnt bei Bradley) sowie Briefe. Wäre das Buch in den 1970er Jahren erschienen, stände es heute nicht im Schatten von Bradleys um­fas­sen­der Studie. Unabhängig davon sollte Collins‘ Buch ein Vorbild für Aka­de­miker_innen, Architektur- und Städtebauhistoriker_innen sein, nicht nur das architekturhistorische Wissen vom Schreibtisch aus zu vermehren, sondern sich auch in städtebauliche Belange einzumischen und wenn es darauf ankommt, Widerstand zu leisten.

Endnoten

Autor_innen

Maxi Schreiber ist Kunst- und Architekturhistorikerin. Schwerpunkte Ihrer Forschung sind Bibliotheksarchitektur in Deutschland und den USA sowie die Rezeption der altägyptischen Architektur in der Moderne.

schreiber@kunst.tu-darmstadt.de

 

Die Publikation dieses Beitrags wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und den Open-Access-Fonds der Technischen Universität Darmstadt ermöglicht.

Literatur

Avorn, Jerry L. (1969): Up against the Ivy Wall. A History of the Columbia Crisis. New York: Atheneum.

Bradley, Stefan M. (2009): Harlem vs. Columbia University. Black Student Power in the Late 1960s. Champaign: The University of Illinois Press.

Crasemann Collins, Christiane (2015): A Storm Foretold: Columbia University and Morning­side Heights, 1968. Charleston, SC: EBook Bakery Books.

Kunen, James (1968): The Strawberry Statement. Notes of a College Revolutionary. New York: Avon Books.