Hypergespaltene Städte und die ‚unmoralischen‘ Superreichen – Fünf abschließende Fragen

Ray Forrest, Sin Yee Koh, Bart Wissink

Vorbemerkung

Der vorliegende Text wurde zuerst in englischer Sprache als Schlusskapitel des Sammelbandes Cities and the Super-Rich: Real Estate, Elite Practices and Urban Political Economies bei Palgrave Macmillan veröffentlicht. Der von den Autor_innen dieses Artikels herausgegebene Band versammelte Beiträge aus einem breiten Spektrum unterschiedlicher Disziplinen und Länder. Das Kapitel sollte die im Buch behandelten Kernthemen zusammenfassen und Vorschläge unterbreiten, welche Themenfelder der weiteren empirischen Untersuchung bedürfen. Es sollte zudem zu einer Debatte über Rolle und Einfluss der Superreichen in Städten anregen. Da seit der Niederschrift des Kapitels einige Zeit vergangen ist, würden wir manche der getroffenen Aussagen nun unweigerlich präzisieren, einschränken oder ergänzen. Dennoch halten wir die fünf damals gestellten Fragen auch weiterhin für zentrale Aspekte der Debatte und so haben wir uns entschieden, die ursprüngliche Fassung unverändert beizubehalten.

Die Idee für das Buch – und für den Workshop, der die daran Mitwirkenden zusammenbrachte – entsprang der Feststellung, dass sich in der Populärkultur wie auch in weiten Teilen der akademischen Literatur eine deutliche Tendenz zeigte, eine neue superreiche Elite für die dramatischen, von größeren sozialen und räumlichen Ungleichheiten geprägten Veränderungen der urbanen Morphologie verantwortlich zu machen. Derartige Entwicklungen sind häufig mit sogenannten ‚Lead Cities‘ oder ‚Global Cities‘ in Zusammenhang gebracht worden. In diesem Narrativ schwang unterschwellig und oft auch unverhohlen eine deutliche moralische Ächtung mit. In unserem Schlusskapitel wurde dieser Aspekt nochmals aufgegriffen. Das Argument war, dass – obwohl die zunehmende Konzentration von Reichtum in den Händen kleiner Eliten tatsächlich des politischen und kritischen Engagements der Stadtforschung bedarf – eine anklagende Deutung des Problems, die den Blick allein auf die superreichen Akteur_innen selbst richtet, das Risiko einer eindimensionalen und zu engen Analyse bergen würde. Stattdessen bedürfte es mehr empirischer Forschung, um die konkrete Rolle der Superreichen im Verhältnis zu anderen Triebkräften zu ergründen. Vor diesem Hintergrund formulierte das Kapitel fünf zentrale Fragen. Die erste Frage war, was an den gegenwärtigen Ausprägungen von Vermögensungleichheit und Hyper-Spaltung so neuartig ist. Zweitens wurde darauf hingewiesen, dass es unerlässlich sei, die soziale und institutionelle Infrastruktur rund um diese superreichen Eliten zu analysieren: Was ist mit all den anderen Akteur_innen, die deren Handeln ermöglichen und begünstigen? Ist, drittens, die nationale wie kommunale Politik aufgrund ihrer Bemühungen, superreiche Investor_innen und Einwohner_innen zu gewinnen, nicht ebenfalls zutiefst in diese Prozesse verstrickt? Das vierte Argument war, dass die enge Beziehung zwischen neoliberaler Finanzialisierung, Urbanisierung und Immobilienmarkt der zentrale analytische Ausgangspunkt sei, um den Wandel, dem städtische Ökonomien unterliegen, zu verstehen. Und schlussendlich wurde darauf hingewiesen, dass diese Beziehungen und Fragen wie auch das Wesen und die Rolle der superreichen Eliten von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich ausfallen können. Die Superreichen Berlins könnten beispielsweise andere ökonomische Interessen haben, eine andere soziale Zusammensetzung und ein anderes Verhältnis zur Stadt aufweisen als ihre Pendants in beispielsweise New York oder Hongkong.

Einleitung

Am Anfang dieses Buches standen zwei miteinander verwobene Fragen: Wer sind die Superreichen? Und wo sind die Superreichen? Wir plädierten dafür, sich zur Klärung dieser Fragen auf Städte zu konzentrieren, da der städtische Raum zur Bühne geworden ist, auf der die Superreichen und ihre Aktivitäten in Erscheinung treten. In diesem Sinne untersucht das Buch drei miteinander zusammenhängende Themenblöcke: Erstens die Superreichen und ihre Investitionen in Immobilien unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung und öffentlichen Wahrnehmung in bestimmten Städten (Teil I des Bandes), zweitens die exklusiven Räume und Praktiken der Superreichen, vor allem im soziokulturellen und im Freizeitbereich (Teil II), und drittens die Beziehungen zwischen Superreichtum und Grundeigentum in bestimmten Städten aus der analytischen Perspektive der urbanen politischen Ökonomie (Teil III). Zusammengenommen vermitteln die Beiträge einen Eindruck davon, wie unterschiedlich sich die Beziehungen zwischen Städten und Superreichen weltweit gestalten.

Bleibt freilich noch die Frage nach der Handlungsmacht (Davies, in diesem Band), die bislang nicht thematisiert wurde, zumindest nicht direkt oder explizit. Im akademischen und öffentlichen Diskurs sind die Superreichen zu bequemen Sündenböcken für wachsende urbane Ungleichheiten und andere Folgen der neoliberalen Finanzialisierung geworden (siehe auch Koh/Wissink/Forest 2016). Während der Fertigstellung dieses Buches erschien in der South China Morning Post ein Artikel, der exemplarisch, wenn auch aus einem ganz anderen Blickwinkel zeigt, wie weit diese anklagende Lesart der Rolle der Superreichen verbreitet ist (Simpson 2015). Der Bericht über die jüngsten Entwicklungen im renommierten (britischen) Wentworth Golf Club setzte sich kritisch damit auseinander, wie ‚unmoralische‘ Änderungen, eingeführt durch den neuen (chinesischen) Besitzer, die Reignwood Group, die Zahl der Mitglieder von 4.000 auf 800 drückte, während gleichzeitig die Mitgliedsbeiträge in die Höhe geschraubt wurden. Ein empörtes Mitglied, das sich nach 28 Jahren im Verein neu um die Mitgliedschaft bewerben musste, beschuldigte die neuen Besitzer, „eine nationale Institution in eine Enklave der Superreichen zu verwandeln“. Ein anderer warnte, die Verkleinerung auf „ein paar Hundert ultrahochvermögende ausländische Mitglieder“ werde den Club und die Gemeinde zu „einer Geisterstadt“ machen. Plakate mit dem Slogan „Rettet Wentworth für die Nation“ hingen an vielen der abgeschotteten Herrenhäuser rund um den Golfplatz und der örtliche Parlamentsabgeordnete, der damalige britische Außenminister Philip Hammond, wurde eingespannt, um ein Treffen mit den chinesischen Besitzern zu arrangieren.

Neben vielen anderen Beispielen in diesem Buch könnte die Wentworth-Geschichte als weiterer Beleg dafür gelten, dass sich die Immobilieninvestitionen der Superreichen und die damit verbundenen ausgrenzenden Lebensstile negativ auf die örtlichen Kommunen auswirken. Tatsächlich lösen die Konsequenzen, die die Immobilieninvestitionen Superreicher für die Stadt nach sich ziehen, überall auf der Welt Alarmstimmung aus (siehe das Beispiel Paris, in diesem Band) und entfachen den lokalen Widerstand gegen die Invasion der superreichen ‚Anderen‘. Entsprechend brachte der Amsterdamer Bürgermeister Eberhard van der Laan seine Sorge zum Ausdruck, ein Erwerb der berühmten innerstädtischen Grachtenhäuser durch chinesische und russische Investoren könne zu „Londoner Zuständen“ führen, also zur Vertreibung der Ortsansässigen aus der Innenstadt (Daamen 2015). Und angesichts eines kürzlichen Baubooms für Superhochhäuser für die globalen Reichen rund um den Central Park erhob der New Yorker Stadtrat Ben Kallos den Einwand, dass dies „ein Park für jedermann“ sei und es nicht angehen dürfe, dass „Milliardäre den Himmel kaufen und dem Rest der Stadt den Schatten überlassen“ (The Gulf Times 2015).

Vielleicht ist es genau deshalb, weil dieser Schatten nun auf ein breites gesellschaftliches Spektrum fällt – und nicht nur auf die marginalisierten Armen, die schon immer die Hauptlast der Ungleichheit getragen haben, sondern auch auf die Mittel- und Oberschichten des globalen Nordens –, dass sich in Politik und Medien zunehmend Sorge breit macht. Die Verdrängung (Sassen 2014) aus den bevorzugten städtischen Quartieren betrifft inzwischen auch große Teile der urbanen Mittelschicht, vor allem in den Lieblingsstädten der Superreichen (Lees/Shin/Lopez-Morales 2016). Über London beispielsweise heißt es, dass selbst wohlhabende Mittelschichtsfamilien aus ihren Wohnungen weichen müssen, da die Stadt zu einer „globalen Reservewährung“ wird (Goldfarb 2013).

Wir teilen diese Sorgen – aber Mitleid mit den gut Betuchten, wie den Mitgliedern eines exklusiven Golfclubs, die genügend politischen Einfluss haben, einen prominenten Abgeordneten des britischen Parlaments für ihre Sache einzuspannen, ginge vielleicht doch etwas zu weit. Schließlich zeichneten sich ihre altbekannten privilegierten Räume auch nicht gerade als Bastionen der sozialen Inklusivität aus. Wo waren ihre Kampagnen für ‚unser Gemeinwesen‘, als es nicht sie waren, die verdrängt werden sollten? Darin lässt sich womöglich ein Hauch von Heuchelei und Xenophobie erahnen. Dazu später mehr. Eindeutig sind die Superreichen Teil wie auch Symptom zunehmender urbaner Ungleichheiten, aber das exzessive Interesse für Tun und für die sichtbaren Manifestationen ihres Reichtums könnte den Blick darauf verstellt haben, welche anderen Faktoren noch am Werk sind.

Die ‚unmoralischen‘ Superreichen und die Stadt: Resümee der Diskussion

Als Gordon Gekko 1987 im Film Wall Street sagte, „Gier sei gut“, mag dieser krass unmoralische Ausspruch noch ein wenig schockierend gewirkt haben. Allerdings entstand der Film zu einer Zeit, in der viele glaubten, dass bittere ökonomische Pillen nötig und soziale Mobilität tatsächlich möglich seien. Dies war die Ära unmittelbar nach der Rezession der frühen 80er Jahre, als Margaret Thatcher sagte, es gebe „keine Alternative“, also lange vor der asiatischen Finanzkrise von 1997, der globalen Finanzkrise von 2007 und vor der Austeritätspolitik – oder zumindest vor jener, die auch die Mittel- und Oberschichten tangierte. Es war auch die Frühzeit der neoliberalen Finanzialisierung, als die neue Wirtschaftselite mitsamt ihrem Gefolge zahlenmäßig noch nicht den Umfang erreicht hatte, durch den ihr Einfluss auf das urbane Gefüge unübersehbar wurde.

Heute ist diese privilegierte ‚Oberklasse‘, die die Früchte des de- und reregulierten Kapitalismus ernten konnte, der sichtbarste Ausdruck dessen, was Merrifield (2014) als die „parasitäre Stadt“ bezeichnet. Die Grundlagen für diesen geldgenährten urbanen Einverleibungsrausch wurden jedoch schon lange vorher gelegt. Die nach orthodox neoliberalen Maximen erfolgte Öffnung des öffentlichen Infrastruktur- und Immobiliensektors für private spekulative Investitionen hat den Rahmen für Gewinne und Gewinnmitnahme in den Städten erweitert. Gleichzeitig konnten sich kommunale Entscheidungsträger für die Investitionsnachfragen der Reichen erwärmen (siehe Teil III des Bandes). Da immer mehr Reiche zu Superreichen werden, ist mehr Geld denn je unterwegs auf der Suche nach hohen Renditen. Wohnimmobilien in den führenden Global Cities gehören nunmehr zu den bevorzugten Investitionsobjekten (siehe Teil II des Bandes), was Chris Hamnett zu der Feststellung bewegt hat, Menschen würden „der Reihe nach verdrängt“ (Caesar 2015).

Dadurch haben Ungleichheiten dramatisch zugenommen (Galbraith 2012, Pasuk/Baker 2016, Stiglitz 2012) und unverhältnismäßige Gewinne sind in die Hände kleiner elitärer Kreise geflossen (Dorling 2014, Piketty 2014). Die damit einhergehenden Auswirkungen auf das physische und soziale Stadtgefüge stehen nun zunehmend im Blicklicht. Aus Gentrifizierung wird Hyper-Gentrifizierung (Butler/Lees 2006, Glucksberg et al. 2015, Lees 2003, Lees et al. 2016), Segregation wird zu Hyper-Segregation (Atkinson 2006) und die Spaltung der Stadt wird zur Hyper-Spaltung[1], während die Abstände zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen hinsichtlich des Zugangs zu Geld, Chancen und sozialer Mobilität größer werden. Die inklusive Stadt ist das nicht.

Merrifield (2014: 109) fängt diesen wachsenden Unmut mit einer vernichtenden Beschreibung der zeitgenössischen Variante der Wohlstand schaffenden Stadt ein: In parasitären Städten wird gesellschaftlicher Reichtum von demonstrativ verschwenderischen Unternehmen aufgezehrt, unserer ureigenen Aristokratie (dem einen Prozent), die generative Kapazitäten verschleudert, indem sie allein mit unproduktiven Aktivitäten Kasse macht: Sie zocken auf dem Aktienmarkt, profitieren von ungleichen Austauschbeziehungen, bedienen sich an der öffentlichen Tafel; sie klauen Erträge und betrachten Grund und Boden als rein geldwertes und spekulatives Anlagegut, als eine Form von fiktivem Kapital.

Verstärkt wird der Unmut noch durch den Eindruck, dass die Superreichen den Kontakt mit den sozialen Welten um sie herum bewusst und gezielt meiden (Atkinson 2006; 2016; Koh/Wissink/Forrest 2015). Paradebeispiele dafür sind die exklusiven Räume der Privatclubs (Ding/Cousin/Chauvin, in diesem Band) und seascapes (Spence, in diesem Band).

Es lässt sich zwar leicht mit dem Finger auf die ‚unmoralischen‘ Superreichen zeigen, aber ist dies auch eine analytisch tragfähige Antwort auf zerrissene und hyper-gespaltene Städte? In seiner Untersuchung sozialer Klassen im 21. Jahrhundert argumentiert Savage (2015: 405), dass wir nicht nur auf die kleine Gruppe der Hochvermögenden blicken dürfen, da so „die Gefahr einer sensationalistischen und auf bestimmte Individuen ausgerichteten Politik besteht, die von der umfassenderen soziologischen Resonanz dessen, was wir als ‚gewöhnliche‘ Wohlstandselite bezeichnen, ablenkt.“ Wie auch wir räumt er ein, dass eine öffentliche Bloßstellung durchaus zweckmäßig sein kann – um unlautere Grundstücksgeschäfte, kuschelige Klüngelei, ausbeuterische Vermietungspraktiken oder von Reichtum befeuertes widerliches Benehmen anzuprangern – aber es sollte nicht den alleinigen Rahmen der wissenschaftlichen Agenda bilden. In ähnlicher Weise schlägt Sayer (2016) einen „moralbasierten ökonomischen Ansatz“ vor, der fragt, wie die Bedingungen, die die Akkumulation extremen Reichtums ermöglichen, moralisch gerechtfertigt werden – statt eine moralische Bewertung der Superreichen und ihrer Aktivitäten vorzunehmen.

Ausgehend von diesen Aspekten als Ansatzpunkte für die analytische Auseinandersetzung mit dem Thema Stadt und Superreiche schlagen wir fünf Fragen als Ausgangsbasis für eine detailliertere und nuanciertere empirische Forschung vor.

1. Ist all dies wirklich neu?

Ist das Handeln der heutigen Superreichen wirklich so neuartig und anders, dass es die anklagende Resonanz in der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur und den Populärmedien rechtfertigt? Die Konzentration von Reichtum in den Händen von Eliten ist gewiss nichts Neues, ebenso wenig deren internationale Mobilität. Der Beitrag von Ding, Chauvin und Cousins (in diesem Band) befasste sich beispielsweise mit der Renaissance elitärer Clubs, früher der Inbegriff für die Rückzugsorte der privilegierten Nomaden der imperialen Klasse. Die Arbeit von Piketty (2014) legt nahe, dass wir uns in der Übergangsphase von einer Ausnahmeperiode der Umverteilung hin zum ‚Normalzustand‘ der Konzentration von Reichtum befinden und uns eine Situation bevorsteht, die an aus früheren Zeiten bekannte Vermögensungleichheiten erinnert. Möglicherweise ist hinsichtlich der Konzentration von Reichtum an unserer heutigen Gegenwart gar nichts besonders ‚neu‘. Was hingegen tatsächlich als ‚neu‘ erscheinen könnte, ist die spezifische Art und Weise, in der die Mechanismen der Vermögensakkumulation mit jenen der Stadt interagieren.

Hinzu kommt, dass die Finanzialisierung den Prozess der Kapitalakkumulation und die Größenordnung der Gewinne verändert (und zu einem gewissen Grad auch verschleiert) hat, während gleichzeitig Immobilienbesitz, Gewinnabschöpfung und buchhalterischer Manipulation eine Bedeutung zukommt, die an frühere Stadien kapitalistischer Entwicklung erinnert (Short 2013). In der Tat verweist Sassen (2014: 15) auf ein Wiederaufleben von Formen der ursprünglichen Akkumulation, die, wenn auch technisch und rechtlich wesentlich komplexer als im 19. Jahrhundert, letztlich immer noch „basale Formen der Aneignung“ sind. Dies erinnert auch an Harveys (2004) Konzept der Akkumulation durch Enteignung.

Natürlich delegitimiert die Tatsache, dass es auch früher schon extreme Vermögensungleichheiten gab, nicht per se die derzeitige moralische Empörung. Dennoch ist nichts wirklich neu daran, dass großflächige Immobilieninvestitionen an bestimmten Orten und die damit verbundenen Gentrifizierungsprozesse destabilisierend wirken, sei es auf nationaler oder internationaler Ebene. Man denke nur an den Immobilienboom in den Küstenregionen Spaniens während der frühen Nullerjahre, als britische Mittelschichtsangehörige dort in großem Umfang Liegenschaften erwarben und so innerhalb eines Jahres zu Preissteigerungen von über 20 Prozent beitrugen (Barclays & IESE 2005).

Die Neuartigkeit der gegenwärtigen Debatte hat allerdings noch eine weitere Seite. Die derzeitige Empörung, so unsere Vermutung, wurde womöglich dadurch hervorgerufen, dass sich die Investmentströme geografisch verschoben haben und nun vom globalen Süden in den Norden fließen. Als die (kolonialen) Wirtschaftseliten an der kapitalistischen Peripherie Ressourcen ausbeuteten, Landbesitz anhäuften und sich Luxusresidenzen zulegten, waren ihre Aktivitäten für die Massen in den Städten des Westens weniger sichtbar und standen weniger in der öffentlichen Kritik. Ebenso gering war das Interesse der Medien und akademischen Kreise, als Mittelschichtler_innen aus Nordeuropa ihre südeuropäischen Pendants verdrängten. Nun aber geschehen Verdrängung und Gentrifizierung in den Städten der alten Wirtschaftszentren und im Kontext wachsender ökonomischer Unsicherheit und Austerität – und treffen die lokalen Eliten wie alle anderen auch. Die postkolonialen Superreichen stehen heute eher vor den Toren von London, Paris oder New York als in Lateinamerika, Afrika oder Asien. ‚Sie‘ bauen keine Golfplätze für ‚uns‘ in ‚ihren‘ Städten, nein, jetzt nehmen ‚sie‘ ‚uns unser‘ Zuhause in ‚unseren‘ Städten weg.

Somit wären wir wieder bei der Einleitung, in der wir den Debatten um Superreiche eine Spur von Heuchelei und Xenophobie nachsagten, insbesondere dann, wenn es um die Reaktion der Oberschichten unserer Top-Städte geht, wie im Falle der Mitglieder des Wentworth Golf Clubs. In diesem Zusammenhang recht aufschlussreich ist ein Leserbrief an die South China Morning Post, den Songhua Ni (2015), Geschäftsführer der Reignwood Group, als Antwort auf den Artikel von Peter Simpson (2015) verfasste. Obgleich Nis Einwand, dass Reignwood Gespräche mit mindestens 400 Clubmitgliedern geführt habe, die übrigen 3.600 kaum überzeugen dürfte, konstatiert er interessanterweise, „wir als international agierendes chinesisches Unternehmen sind uns der Stereotype bewusst, die chinesische Firmen überwinden müssen, wenn sie auf westlichen Märkten operieren.“

Angesichts dieser Aussage stellt sich die Frage, ob der Erwerb von Spitzenimmobilien im Zentrum von London, Paris oder Sydney durch ‚ausländische‘ superreiche Investoren etwas gänzlich anderes ist als beispielsweise der Aufkauf der spanischen Küste oder Mallorcas durch die britische Mittelschicht? Ist es lediglich eine Frage der Größenordnung und Intensität? Geht es um Geographien und Zeitlichkeiten? Oder geht es um viel grundsätzlichere Fragen von Macht und sozialer Positionierung? Wie weit sollten wir unseren analytischen Blick ausdehnen? Jedenfalls dürfte es ratsam sein, das Thema Moral aus der Diskussion herauszuhalten. Denn wie kämen ‚wir‘ dazu, über ‚sie‘ zu urteilen, nachdem ‚ihre‘ Stimmen so lange kein Gewicht hatten?

2. Sollten wir statt der Superreichen die intermediären Akteure und Strukturen in den Blick nehmen?

Aus den obigen Ausführungen und unter Berücksichtigung der Argumentation von Davies (2014, in diesem Band) und anderen (z.B. Sassen 2014, Koh/Wissink 2015, Forrest/Wissink 2016) folgt, dass die strukturellen Bedingungen, die die Superreichen von heute überhaupt erst hervorgebracht und ihre Aktivitäten ermöglicht haben, viel stärker beachtet werden müssen. Dasselbe gilt für die Funktion der intermediären Instanzen. Frei nach Marx (1960) könnte man sagen, die Superreichen mögen zwar riesige Vermögen angehäuft haben, aber die Umstände ihres Handelns sind nicht unbedingt aus freien Stücken gewählt oder von ihnen selbst gestaltet. Es gibt die Tendenz, den Wirtschaftseliten in unkritischer Manier unbegrenzte Handlungsmacht zu unterstellen und die Auswirkungen dieser angenommenen Macht zu übertreiben. Dies verschleiert die Tatsache, dass das Akkumulationssystem der Superreichen auf ein komplexes Zusammenspiel zwischengeschalteter Institutionen und sich wandelnder struktureller Bedingungen angewiesen ist.

Beispielsweise gibt es einen hochentwickelten Sektor des privaten Vermögensmanagements, bestehend aus Privatbanken, Vermögensverwalter_innen, Finanzberater_innen, Wirtschaftsprüfer_innen, Steueranwält_innen und dergleichen, die die Vermögen der Superreichen betreuen (Beaverstock 2012, Beaverstock/Hall/Wainwright 2011; 2013). Diese „finanzialisierten Eliten“ (Hall 2009) werden im Gegenzug für ihre Expertise und Dienste fürstlich entlohnt. Neben den globalen Finanzzentren gibt es überall auf der Welt lautlos, aber zuverlässig funktionierende Offshore-Steuerparadiese und Freihäfen – mit einer Armee von intermediären Akteuren, die sich schwer ins Zeug legen, um Besitz und Vermögenswerte der Superreichen vor ‚unnötiger‘ Besteuerung zu schützen. Selbstverständlich verdanken diese speziellen Orte ihre Existenz auch Regierungen, die Aktivitäten zur Anhäufung von Reichtum politisch fördern (vgl. Shaxon 2011). Darauf werden wir gleich noch zurückkommen. Günstige steuerliche Regelungen an ausgewählten Orten lassen sich daher als „globale Chancen“ gewinnbringend vermarkten (BDO Tax 2013).

Hinzu kommen intermediäre Akteure außerhalb des Finanzsektors, wie private Reiseservices (inklusive derer, die Privatjets und -jachten bieten) und andere Anbieter_innen maßgeschneiderter Beratungs- und Dienstleistungen (z.B. Luxusconciergerie, medizinische Versorgung, Bildung, Heirat und Scheidung, Wohltätigkeit usw.). Auch wenn diese Akteur_innen mit ihren Leistungen nicht direkt zur Vermögensakkumulation beitragen, so leisten sie doch einen indirekten Beitrag, indem sie dafür sorgen, dass der Alltag ihrer superreichen Klientel reibungslos und effizient funktioniert und sie ihren Reichtum genießen können.

Jede analytische Auseinandersetzung mit dem Thema Stadt und Superreiche muss die gesamte sozioökonomische und kulturelle Infrastruktur miteinbeziehen, die Superreichtum ermöglicht und begünstigt (Koh et al. 2016). Sassen (2014: 13) spricht von der Schaffung „raubtierhafter ‚Formationen‘, einer Mischung aus Eliten, systemimmanenten Möglichkeiten und der Finanzwelt, die als zentrale Wegbereiter auf eine enorme Konzentration von Kapital hinwirken.“ Auch Davies (2014, in diesem Band) betont, dass das Augenmerk auf die intermediären Akteure, die das Handeln der Superreichen strukturieren, gerichtet werden müsse. Hinzu kommt unserer Ansicht nach, dass viele kritische Arbeiten zu diesem Thema zu sehr davon ausgehen, dass die Handlungsmacht der Superreichen und die neue Herrschaft der kapitalistischen Klasse in bewussten und strategisch wohlgeordneten Bahnen verlaufen. Dazu sei auf Dardot und Laval (2014: 8) verwiesen, wonach es ein Fehlschluss ist, „den Nutznießer eines Verbrechens für den Täter zu halten.“

Sie legen dar, dass wir, um die Triebkräfte hinter den Formen der urbanen Transformation, die in diesem Band beschrieben und diskutiert werden, zu verstehen, über neoliberale Gouvernementalität reden müssen statt über Neoliberalismus – jene alles durchdringende Logik, die tief in die Poren des politischen und Alltagsdiskurses eingesickert ist. Mit anderen Worten muss, zusätzlich zur Erforschung der „Instrumente und Mechanismen, die das Betriebssystem des Finanzkapitalismus bilden“ (Montgomerie/Williams 2009: 104), auch ein analytischer Blickwechsel weg vom Handeln und hin zu den Strukturen erfolgen.

3. Was macht die Politik?

Zusätzlich zur übergeordneten Struktur der Finanzlogik und zur Funktion der intermediären Akteure müssen wir auch die Rolle einer weiteren zentralen Akteursgruppe untersuchen: die der politisch Verantwortlichen. In der Tat steuern sie und ihre Politik einen massiven Anteil zur wachsenden Einkommens- und Vermögensungleichheit bei. Die Beiträge in Teil III des Bandes zeigen deutlich, dass die urbanen Transformationen, deren Nutznießer die Superreichen sind, von den politisch Verantwortlichen auf den Weg gebracht, gestaltet und begünstigt werden. Im Zuge dessen machen sie eine Politik, die den Superreichen und ihrem Reichtum entgegenkommt. Dahinter steckt ein gehöriges Maß an ‚Trickle-Down-Logik‘: Lockt die Superreichen (und ihr Kapital) in die Stadt, dann werden sie Wachstum für alle schaffen. In Wahrheit scheint der Kreis der Nutznießer_innen jedoch eher kleiner zu sein (Baumann 2013, Sayer 2015).

Nichtsdestotrotz wird diese Geisteshaltung oft recht explizit zum Ausdruck gebracht. Michael Bloomberg, der frühere New Yorker Bürgermeister und selbst Multimilliardär, sagte gegenüber der New York Times: „Wenn wir auf der Welt einen Haufen Milliardäre finden und dazu bringen könnten, herzuziehen, wäre das ein Geschenk Gottes“ (The Gulf Times 2015). Ähnlich, wenn auch mit blumigeren Worten, äußerte sich Boris Johnson, der Ex-Bürgermeister von London, als er sagte: „London ist für den Milliardär das, was der Dschungel von Sumatra für den Orang-Utan ist. […] Darauf sind wir stolz“ (Caesar 2015). Freilich endet die Analogie hier schon wieder, wenn man bedenkt, dass der natürliche Lebensraum des Orang-Utans fortwährend schrumpft.

Entsprechend dieser Vorstellungen gibt es vielenorts gezielte politische Strategien, um Superreiche anzulocken (Teil III des Bandes). Gleichzeitig werden auf der nationalen wie kommunalen Ebene schrittweise Maßnahmen und Regelungen abgebaut, die dazu beitragen könnten, die negativen Auswirkungen wachsender Ungleichheiten abzumildern (Wissink et al., in diesem Band). Und dann ist da noch das zunehmend traute Verhältnis zwischen Politik und Geschäftswelt: die Drehtüren, die enge Bindungen zwischen der globalen Finanzwelt und der kommunalen bzw. nationalen politischen Bühne gewährleisten. Sollten wir daher, wenn wir nach den Verantwortlichen für die immer größer werdenden Macht- und Vermögensungleichheiten in unseren Städten suchen, nicht eher auf unsere politischen Entscheidungsinstanzen und ihre Politik schauen als auf die Superreichen?

Stadtpolitik im Allgemeinen und Immobilienpolitik im Besonderen sind der naheliegende Ausgangspunkt dafür. Dennoch ist es ratsam, auch andere politische Maßnahmen unter die Lupe zu nehmen, die in der Summe geeignet sein könnten, die Stadt zu einem attraktiven Platz zu machen, an dem die Superreichen ihr Geld parken, ihre Zelte aufschlagen und ihr Leben leben können. Dazu gehören Einwanderungs- und Bildungspolitik, Wirtschafts- und Unternehmensförderung, das Finanzwesen und alle Arten der Besteuerung (z.B. Personen-, Körperschafts-, Erbschafts-, Immobilien-, Einfuhr-, Kapitalertragssteuer usw.). Das Kapital der Superreichen ist transnational mobil. Somit reagiert es besonders empfindlich auf politische Instabilität, Wechselkursschwankungen und transnationale Vereinbarungen.[2] Diese Faktoren könnten in der Tat mehr Einfluss auf die globalen Ströme derart mobilen Kapitals haben als stadt- und immobilienpolitische Maßnahmen.

4. Liegt es an den Superreichen oder an der veränderten städtischen Ökonomie?

Der Immobiliensektor und die Frage, welche Konsequenzen das Kapital Superreicher für die Stadt hat, sind zentrale Themen der Stadtforschung. Allerdings sind die Immobilieninvestitionen Superreicher nur ein Baustein in einem komplexeren und (vermutlich) zunächst einmal von innen heraus angetriebenen Prozesses der Transformierung urbaner Ökonomien. Wie Moreno (2014: 264-65) überzeugend darlegt, hängen Finanzialisierung und Urbanisierung systematisch voneinander ab:

Die Finanzialisierung hat nicht nur einen Raum geschaffen, der den Bedürfnissen und Ansprüchen wohlhabender Individuen zuträglich ist, in diesem Prozess dienten Immobilien als Mittel zur Nutzbarmachung und Regulierung der Mechanismen, die den Wert der Stadt sozial strukturieren. Städtischer Raum stellt jetzt […] ein komplexes System bereit, durch welches die miteinander verflochtenen Formen des Kapitals (Grundbesitz, Finanz- und technologisches Kapital) eine neue Art von ‚räumlich-kognitivem fix‘ bilden.

Anders ausgedrückt ist der Nexus von Finanzialisierung und Urbanisierung zu einem strukturellen Prozess geworden, in dem alle Mitwirkenden – einschließlich der Superreichen und der Mittelschichten – versuchen, von Immobilien, die nun eine Art ‚finanzialisiertes Gut‘ darstellen, zu profitieren. Die Superreichen mögen sich auf den exklusiven Höhen extremen Reichtums bewegen, aber die tieferen Lagen werden von einer wachsenden Zahl an Haushalten besiedelt, die über Rücklagen verfügen und dafür einen vergleichsweise sicheren Anlagehafen in Form von Immobilien suchen. Wie Forest & Hirayama (2015: 239) ausführen, ist es im derzeitigen Klima niedriger Sparzinsen und volatiler Aktienmärkte für Menschen mit umfangreichen Sparguthaben „die vernünftige Finanzstrategie, sein eigenes Haus zu besitzen und das von jemand anderem noch dazu.“

Hier ließe sich einwenden, dass Käufe zum Zweck der Vermietung ungleich weniger im Rampenlicht stehen als jene, die in Leerstand münden (‚buy to leave‘) – dass also ‚ausländische‘ Investoren, die Objekte in Toplagen leer stehen oder weitgehend ungenutzt lassen, wesentlich mehr Aufmerksamkeit erregen als das Geld, das aus diversen anderen Quellen auf den neuen Mietmarkt strömt. Gewiss, Leerstand entzieht dem Markt Objekte, wodurch das Angebot reduziert und die Preise nach oben getrieben werden. Ähnliches geschieht, wenn die Politik auf das obere Marktsegment setzt (siehe Teil III des Bandes), auch dann reduziert sich das Angebot in anderen Marktsegmenten. Beim Markt für die Vermietung von Eigentumswohnungen ist die Sache jedoch komplizierter. Viele der internationalen Investmentobjekte werden vor Ort weitervermietet. Zwar mögen Superreiche die Besitzer_innen dieser Immobilien sein, aber es ist das lokale Wirtschaftsgeschehen, welches die Mieten steigen lässt.

Somit gibt es keinen simplen Kausalzusammenhang zwischen steigenden Immobilienpreisen und den Investitionen Superreicher. Schuld ist vielmehr der ökonomische Strukturwandel insgesamt (vgl. Chiu/Lui 2009, Hamnett 1994, Sassen 1991). Ganz offenkundig der Fall zu sein scheint dies in Amsterdam, wo die Preise erheblich gestiegen sind, aber Leerstand als Folge der ‚buy-to-leave‘ Praxis derzeit ein noch eher seltenes Phänomen darstellt. Es bedarf daher einer wesentlich präziseren und auf die konkrete Lokalität bezogenen Analyse des relativen Einflusses der Superreichen auf die Entwicklung der lokalen Immobilienmärkte und auf die steigenden Immobilienpreise.

5. Zeigt sich überall das gleiche Bild?

Der obige Punkt bringt uns zu unserer letzten empirischen Frage, nämlich der nach geographischen Unterschieden. Wie urbane Ungleichheiten und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen im konkreten Fall aussehen, hängt nicht nur von globalen ökonomischen Entwicklungen ab, sondern auch von der jeweiligen urbanen politischen Ökonomie. Die Regimetheorie hat gezeigt, dass sich viele Städte durch fest etablierte und tiefreichende Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik und die damit einhergehenden engen Beziehungen zwischen den ökonomischen und politischen Eliten auszeichnen – aber sie besagt auch, dass sich dies nicht überall gleich darstellt (siehe z.B. Stone 1993). Entsprechend lassen die Beiträge im dritten Teil des Bandes erkennen, dass die Investitionen Superreicher in jeder der untersuchten Städte unterschiedliche Auswirkungen zeitigen. Wissink et al. (in diesem Band) stellten beispielsweise dar, wie die städtische politische Ökonomie Hongkongs zu den spezifischen urbanen Ungleichheiten in dieser Stadt mitsamt ihrer Folgen beigetragen hat. Dabei stellt das Kapitel jedoch auch die lokalen Besonderheiten der Hongkonger Superreichen bzw. ihres Superreichtums heraus.

Hongkong ist ein krasses Beispiel dafür, wie die wohlhabenden lokalen Eliten ihre Macht einsetzen, um in enger Zusammenarbeit mit einer wohlgesinnten Regierung in das urbane Gefüge einzugreifen. In anderen großen Städten sind diese Beziehungen womöglich weniger sichtbar oder sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ursachen und Wirkungen, ihrer historischen Wurzeln und der Merkmale und Strukturen dieser Verbindungen. In der Literatur wird mitunter ein recht homogenes Bild der Superreichen von heute gezeichnet, aber die komparative Urbanistik bietet zunehmend Material (z.B. Robinson 2011) das nahelegt, dass es einer wesentlich fundierteren und detaillierteren Interpretation der urbanen Eliten, ihrer Interessen und Einflüsse bedarf. Dürfen wir also davon ausgehen, dass sich die Superreichen und ihre Aktivitäten überall gleichen? Inwieweit sind die Verhaltensweisen und Praktiken der Superreichen ortsspezifisch? Und inwiefern ähneln oder unterscheiden sich die Konsequenzen für die Stadt an verschiedenen Orten? Was sagt uns dies schließlich über Theorien des Urbanen und den Grad ihrer Brauchbarkeit und globalen Anwendbarkeit? Die beste Lösung liegt möglicherweise in einem postkolonial sensiblen Umgang mit Theorien des Urbanen unter Einbeziehung des „Verhältnisses zwischen Ort, Wissen und Macht“ (Roy 2016).

Fazit

Wie wohl vorauszusehen war, gibt es noch viel zu tun. Wir sollten uns auch weiterhin über die eklatanten und wachsenden Ungleichheiten in unseren Städten empören – über das obszöne Nebeneinander von Opulenz und Verelendung. Aber wir müssen über die moralische Entrüstung hinauswachsen, um eine tragfähige Analyse der aktuellen Situation in den Städten und eine überzeugendere politische Programmatik für urbanen Wandel zu entwickeln. Dazu gehört unter anderem, durch die empirische Erforschung der genauen Ursachen urbaner Diversität mehr Beispiele für positive Entwicklungen zu identifizieren. Pow (2015: 464) bescheinigt der Stadtforschung einen Hang zu Schwarzmalerei und „universellem Pessimismus“, wodurch eine Vision „sich ausbreitender urbaner Festungen und zunehmender Segregation“ und eine allgegenwärtige „urbane Dystopie von Städten, belagert von den Truppen des neoliberalen Privatismus“ entworfen werde. Zwar gibt es tatsächlich hinreichend Belege für eine derartige Vision, dennoch sollten wir auch für hoffnungsvoller stimmende Narrative und politische Optionen offen sein (Harvey 2000, Coutard/Guy 2007, Pow 2015). Bei aller Kritik müssen wir sicherstellen, dass wir das richtige Ziel anpeilen und das richtige Publikum erreichen.

Im Mittelpunkt dieses Buches standen die Superreichen und ihr Einfluss auf die Gestaltung des urbanen Gefüges der Gegenwart. Dabei haben wir versucht, die verschiedenen Facetten des wechselseitigen Verhältnisses zwischen Vermögenselite und Stadt zu beleuchten, und waren bemüht, eine eindimensionale Darstellung dieser Beziehung zu vermeiden. Die Macht und der Einfluss dieser neuen Eliten sind immens und erfordern komplexe Netzwerke von intermediären Instanzen – und inzwischen wird ihnen zu Recht viel Beachtung geschenkt. Darauf aufbauend sollten wir nun anfangen, neben anderen potenziellen Ursachen für urbanen Wandel, den relativen Einfluss ihres Handelns herauszuarbeiten, um zu verstehen, was in unseren Städten passiert, und somit eine tragfähigere Basis für angemessene Antworten zu entwickeln.

 

Übersetzung Andrea Tönjes für SocioTrans (Social Science Translation & Editing).

Die Arbeit für diesen Beitrag wurde mit Mitteln aus dem ESRC/RGC Joint Research Scheme, gefördert durch das Hongkong Research Council und das Economic and Social Research Council of the United Kingdom, unterstützt (Projektreferenznummer ES/K010263/1).

Autor_innen

Ray Forrest arbeitet als Stadtforscher in Hong Kong.

rayforrest@ln.edu.hk

 

Sin Yee Koh arbeitet als Geographin am Institut für Asien Studies der Universität Brunei Darussalam.

 

Bart Wissink arbeitet als Stadtforscher in Hong Kong.

Endnoten

Literatur

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