Editorial

sub\urban Redaktion

Liebe Leser_innen,

in unserem Call für den Themenschwerpunkt „Stadt von oben“ haben wir um Beiträge gebeten, die sich mit dem Verhältnis von Eliten und Stadtentwicklung auseinandersetzen. Als Orte, an denen sich die gesellschaftlichen Widersprüche materialisieren, sind Städte auch Räume der Eliten und der Macht. Hinter den Strukturen und Mechanismen von Unterdrückung, Ausbeutung und Marginalisierung stehen die Interessen und gesellschafspolitischen Positionen bestimmter stabiler oder sich wandelnder Konstellationen mächtiger Akteure, Netzwerke und Gruppen. Die Rolle ökonomisch und politisch mächtiger Akteure in Raumproduktionen, die Mechanismen hegemonialer Raumproduktion und die Orte der Macht und Exklusivität in Städten stehen im Mittelpunkt dieser Ausgabe.

Dass es sich dabei um ein in der deutschen Stadtforschung wenig bearbeitetes Thema handelt, wie bereits im Call angedeutet, konnten wir auch an der relativ geringen Anzahl von thematisch passenden Beitragsvorschlägen ablesen. Es ist uns trotzdem gelungen, vier spannende Aufsätze, eine Debatte und zwei Magazinbeiträge zu versammeln und wir hoffen, dass dies dazu beiträgt, dem Thema künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Michael Lukas und Andreas Brück untersuchen in ihrem Aufsatz den Einfluss von multinationalen Unternehmen der extraktiven Industrie auf Stadtentwicklung in chilenischen Städten. Dabei gelingt es ihnen, sowohl das internationale Renommée einiger Architekten mit der Realität von vor Ort lebenden Bürger_innen zu kontrastieren, als auch einen Beitrag zur Debatte um policy mobilities und strategische Kopplung zu leisten. Pietro Calogero und Stefan Schütte beschreiben am Beispiel Kabuls, wie informelle Planungsprozesse von unten kriminalisiert werden, während sie von oben eingesetzt der Durchsetzung der raumgreifenden Macht städtischer Eliten dient. Lars Meier blickt nach London und Singapur, bzw. auf deren Finanzwelten, und beleuchtet die Performanz einer weißen, männlichen Elite. Felix Silomon-Pflug schließlich richtet den Blick nach Deutschland. Er argumentiert, dass die Verwaltung der unternehmerischen Stadt durch die Einführung des New Public Management städtische Politik zum Handlanger privatmarktwirtschaftlicher Interessen macht.

Dem Umstand, dass die deutschsprachige Forschung bisher wenig zur internationalen Diskussion um städtische Eliten beigetragen hat, haben wir uns auch in der Debatte angenommen. Mit der Übersetzung eines Beitrags von Ray Forrest, Sin Yee Koh und Bart Wissink, der den aktuellen Stand dieser Diskussion widerspiegelt, hoffen wir Forschungen zu inspirieren. Anstöße können die vier Kommentare von Susanne Heeg, Laura Calbet i Elias, Anna-Lisa Müller und Michael Hartmann sein, die aus jeweils unterschiedlicher Perspektive, den Debattenaufschlag kommentieren.

Im Magazinteil stellen André Tomczak, Manuel Lutz und Holger Manuel dar, wie Potsdam auf Geheiß und die Einflussnahe lokaler Eliten hin städtebaulich zurück in den Barock geführt werden soll. Die Erinnerung an die preußische Obrigkeitsstaatlichkeit trumpft über die sozialistische Moderne. Anne Vogelpohl setzt sich mit der Rolle von Unternehmensberatungen auseinander und erörtert Machttechniken, mit denen sie ihren Einfluss in der Stadtpolitik zunehmend ausweiten. Der Beitrag von Phillipe Rekacewicz und Victor Gurrey beschäftigt sich in Text und Bild kritisch mit der Kommerzialisierung von Flughäfen.

Neben den Beiträgen des Themenschwerpunkts versammelt das Heft auch eine ganze Reihe weiterer spannender Beiträge. Eine zweite Debatte nimmt das 50jährige Jubiläum des Epochenjahres 1968 zum Anlass, auf die Debatten rund um das Thema Stadt in dieser Zeit zurückzublicken. Aufbauend auf einen Workshop am Institut für Europäische Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar beleuchten Felicita Reuschling, Maren Harnack, Lisa Vollmer, Sebastian Haumann, Nina Gribat und Anne Vogelpohl verschiedene Aspekte sozialer Wohnutopien und der Kritik am Massenwohnungsbau, über Mieter_innenproteste und Debatten um den Begriff der Partizipation bis zur stadttheoretischen Querverbindung einer feministischen Lektüre Lefebvres. Johanna Hoerning führt die verschiedenen Perspektiven zusammen und diskutiert sie.

Online vorabveröffentlicht aus dem vorliegenden Heft wurde bereits die kollektiv verfasste Stellungnahme „Für eine wirklich soziale Wohnungspolitik“, die sich gegen die Ratschläge des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft stellt, den sozialen Wohnungsbau abzuschaffen.

Außerdem rezensiert Carola Fricke den Sammelband Raumproduktionen II, herausgeben von Anne Vogelpohl, Boris Michel, Henrik Lebuhn, Johanna Hoerning und Bernd Belina, und Johannes Coughlan rezensiert den von Anna-Lisa Müller herausgegebenen Sammelband Infrastrukturen der Stadt.

 

Die s u b \ u r b a n -Redaktion:

 

Kristine Beurskens, Laura Calbet i Elias, Antonio Carbone, Nina Gribat, Johanna Hoerning, Stefan Höhne, Jan Hutta, Justin Kadi, Yuca Meubrink, Boris Michel, Carsten Praum, Nikolai Roskamm, Nina Schuster und Lisa Vollmer