Editorial

sub\urban Redaktion

Liebe Leser_innen,

die Großstädte sind liberal, die Dörfer rechts – auf diesen simplen Nenner scheint man in den öffentlichen Debatten immer wieder zu kommen, wenn die räumlichen Dimensionen des aktuellen Rechtsrucks in den Blick genommen werden. Dass dies nicht nur unterkomplex ist, sondern diese ignorante und reduktionistische Verräumlichung insbesondere für marginalisierte städtische Bevölkerungsgruppen hochgefährlich sein kann, beweist der Themenschwerpunkt „Stadt von rechts?“ unseres aktuellen Hefts. Die insgesamt 21 Beiträge im Schwerpunkt verdeutlichen eindringlich die Strategien und Dynamiken der städtischen Raumnahme rechter Gruppierungen und diskutieren auch, vor welchen Herausforderungen ihre kritische Beforschung steht.

Herausgegeben wird der Schwerpunkt von Tobias Bernet, Peter Bescherer, Kristine Beurskens, Robert Feustel und Boris Michel. Sie führen in einem einleitenden Text an die Thematik heran und stellen die einzelnen Beiträge des Schwerpunkts vor. Für die Zusammenarbeit mit den drei externen Herausgebern – von der Konzeption des Call for Papers bis zum Feinschliff der Texte – möchten wir uns herzlich bedanken!

Neben den Beiträgen des Themenschwerpunkts widmet sich in diesem Heft Martin Sarnow in einem Aufsatz aktuellen Gegentendenzen zur Finanzialisierung des Wohnens. Hanna Hilbrandt rezensiert die Neuauflage des Handbuchs Kritische Stadtgeographie. Eike Bülow bespricht Matthias Wendts Studie zur Commons-basierten Selbstorganisation in der Leipziger Hausprojekteszene und Giulia Montanari diskutiert Monika Streules Ethnographie der Urbanisierungsprozesse von Mexiko-Stadt.

Einige werden unsere Ausschreibung einer DFG-finanzierten Stelle für unser Redaktionssekretariat im Herbst mitbekommen haben: sub\urban wird jetzt wieder über einen Zeitraum von drei Jahren von der DFG unterstützt. Diesmal erhalten wir Fördermittel (einschließlich Sach- und Personalmittel) aus dem Bereich „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme“ (LIS). Wir freuen uns sehr! Ganz besonders freuen wir uns, euch mitteilen zu können, dass wir Michael Keizers für diese Stelle gewinnen konnten. Michael ist Geograph und bringt viel Erfahrung im digitalen Publikationswesen mit. Seit Februar unterstützt er die Redaktion in diversen Arbeitsfeldern. So werden wir in den nächsten Monaten gemeinsam an einem schickeren Online-Auftritt inklusive der Einreichung von Artikeln über unsere Webseite, dynamischeren und vielfältigeren digitalen Publikationsformaten, einer stärkeren Präsenz von sub\urban bei Konferenzen und einer Verbesserung der internen Abläufe basteln.

Eine selbstkritische Anmerkung noch zum Schluss. Von Anfang an war und ist es ein zentraler Anspruch unserer Arbeit als Redaktionskollektiv, die Dominanz weißer, männlicher Stimmen in der deutschsprachigen Stadtforschung nicht nur zu hinterfragen, sondern ihr durch unsere Veröffentlichungspolitik auch praktisch entgegenzuwirken. Dies mag uns zwar in den Debatten, im Magazinteil und den Rezensionen immer wieder gelingen, jedoch sind diese Positionen insbesondere in der Kategorie der begutachteten Aufsätze noch immer sehr dominant, wie auch das aktuelle Heft deutlich macht. Wir sehen dies gleichzeitig als eine Aufforderung an uns selbst, verstärkt bislang marginalisierte Perspektiven sichtbar zu machen, als auch an euch, liebe Leser_innen und Stadtforscher_innen, unsere Aufsatzrubrik noch stärker aus unterschiedlichen Positionen zu bestreiten. Daneben drängt sich allerdings auch die Frage auf, ob nicht nur dem Wissenschaftsbetrieb allgemein, sondern womöglich auch dem Format anonym begutachteter Aufsätze ein inhärent maskulinistisches Bias innewohnt. Würden andere wissenschaftliche Formate helfen, diese Dominanz aufzubrechen? Anregungen, Beiträge und Kritik dazu sind uns sehr willkommen!

 

Wir wünschen eine inspirierende Lektüre!

Die sub\urban-Redaktion:

Kristine Beurskens, Laura Calbet i Elias, Antonio Carbone, Nina Gribat, Johanna Hoerning, Stefan Höhne, Jan Hutta, Justin Kadi, Michael Keizers, Yuca Meubrink, Boris Michel, Carsten Praum, Nikolai Roskamm, Nina Schuster und Lisa Vollmer

 

P.S.: Leser_innen, die nach den Titeln der Schwerpunkte in diesem („Stadt von rechts?“) sowie dem letzten Heft („Stadt von unten“) Sorge haben, es würde nun auch in den nächsten Heften nach diesem Schema weitergehen, können wir beruhigen. Stattdessen bereiten wir aktuell spannende Schwerpunkte zu Methoden und Erkenntniswegen kritischer Stadtforschung, zu urbanen politischen Ökologien, sowie zu Psychoanalyse und Stadt vor.