Dachgärten im Geschosswohnbau

Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“

Bernhard Hohmann, Thomas Höflehner, Andrea Jany

1. Einleitung

Europas Städte sind von umfangreichen Veränderungsprozessen betroffen, welche auch den Wohnbausektor vor große Herausforderungen stellen. Als Reaktion auf die hohen Umweltbelastungen und den steigenden Ressourcenverbrauch städtischer Entwicklungen erlangte das Leitbild der ‚Nachhaltigen Stadtentwicklung‘ seit den 1990er Jahren eine zentrale Bedeutung. Im Bemühen um integrierte Ansätze im Umgang mit den komplexen Herausforderungen, die sich aus dem stetig zunehmenden Verkehrsaufkommen und anhaltender Zersiedelung ergeben, versucht das städtebauliche Prinzip der ‚Stadt der kurzen Wege‘ seither, kompakte Siedlungsgestaltung und durchmischte Funktionen zu verknüpfen. Auf diese Weise sollen soziale und ökologische Vorzüge kombiniert werden, wodurch es neben einer Erhöhung der Lebensqualität und Attraktivierung des städtischen Umfeldes zu einer Reduktion von Umweltbelastungen kommen soll, die sich aus einem zu hohen Flächenverbrauch und einer exzessiven räumlichen Mobilität ergeben (Beckmann et al. 2011: 5).

Die Wohnraumverdichtung zur Schaffung ressourceneffizienter Siedlungsstrukturen ist jedoch eine sehr sensible Aufgabe, da neben der Auslastung von Verkehrs-, Entsorgungs-, und Versorgungsinfrastruktur auch der Zugang zu Frei-, Rückzugs- und Erholungsflächen berücksichtigt werden muss. Gebäudeaufstockungen oder Baulückenauffüllungen schaffen zusätzliche Wohnungen für mehr Menschen, was nicht nur in den Gebäuden selbst, sondern auch in den anliegenden Außenräumen zu einer höheren Ereignisdichte führen kann. Werden keine Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt, welche die Bewohner_innen vor den zusätzlichen Emissionen schützen, die mit der Intensivierung der Ereignisse einhergehen, können sich Nutzungskonflikte verstärken. Dabei spielen die qualitätsvolle Anordnung und Gestaltung der Außenräume eine wichtige Rolle. Gerade in kompakten Siedlungsstrukturen sollten ausreichend Freiräume vorhanden sein, welche es den spezifischen Nutzer_innengruppen ermöglicht, ihre Bedürfnisse auszuleben, ohne dabei die Interessen anderer zu beeinträchtigen (Schibli 2014: 21). Neben dieser wichtigen sozialen Funktion von städtischen Grün- und Freiräumen sind deren positive Auswirkungen auf das Stadtklima sowohl für die Aufenthaltsqualität von Stadtteilen beziehungsweise die dortigen Immobilienwerte als auch für die Lebensqualität und das gesamte Image einer Stadt weitestgehend anerkannt (Gulsrud/Gooding/Konijnendijk van den Bosch 2013: 336). Zudem sind Grünflächen eine wichtige Grundlage für die psychische, physische und soziale Gesundheit von Stadtbewohner_innen, da sie zu Bewegung, Erlebnis und Begegnung animieren (BMUB 2015: 72). Trotzdem führt innerstädtische Verdichtung zunehmend zur Überbauung bestehender Freiräume, wodurch auch der Nutzungsdruck auf die verbleibenden Parks und Plätze weiter zunimmt (Wullschleger 2014: 13). Platzmangel und hohe Bodenpreise erschweren die Erhaltung von Grünflächen und das Schaffen ausgleichender Freiräume (Dunnett/Kingsbury 2008; Heusinger/Weber 2015: 713; Gill et al. 2007: 127). Diese werden somit zu einem teuren Standortfaktor, deren Zugang nicht allen gleichermaßen gewährt ist. Da städtische Grünflächen und die Wohnnähe zu Stadtgrün die Miet- und Grundstückspreise der anliegenden Immobilien erhöhen können, gelten sie häufig als zentrales Identitätsmerkmal gehobener Stadtteile. Die ungleiche Verfügbarkeit dieser Freiräume ist daher stark vom Haushaltseinkommen abhängig: Je höher das Einkommen, desto besser ist der Zugang zu wohnorientierten Freiräumen wie öffentlichen Grünanlagen oder privaten Freiräumen beziehungsweise Gärten (Rosol 2011: 99).

Der anhaltende Trend zur Versiegelung führt zu einem Verlust der urbanen Vegetation, die durch Verdunstung, Regenwasserrückhalt, Beschattung, Speicherung und Versickerung zahlreiche positive stadtklimatische Effekte aufweist (Gill et al. 2007: 116; Mentes/Raes/Hermy 2006: 224). Die Verlagerung der Vegetation auf die bisher kaum genutzte Dachebene könnte daher eine geeignete Strategie sein, um die negativen Auswirkungen der Versiegelung zu mildern (Heusinger/Weber 2015: 713; Gill et al. 2007: 127). Generell sind gebäudegebundene Begrünungsformen in dichten Siedlungsgebieten eine interessante Alternative zu Grünflächen in der Erdgeschosszone, da sie zusätzliche Produktions- und Nutzungsweisen ermöglichen, welche die zunehmende Flächenversieglung und Flächenkonkurrenz abmildern.

Neue Konzepte zur urbanen Landwirtschaft mit innovativen Bauwerksbegrünungen spielen weltweit eine immer größere Rolle. Die vielfältigen Ausführungsarten reichen von geschlossenen Innenraumanlagen über Glashäuser in und auf Gebäuden bis hin zu aufwändigen agrarischen Dachflächengestaltungen, wobei offene Systeme hinsichtlich der positiven Effekte auf das Stadtklima wirksamer sind (BMUB 2015: 66). Neben den ökologischen und ökonomischen Überlegungen werden bei aktuellen Umsetzungen auch soziale Funktionen berücksichtigt. Im direkten Wohnumfeld sind Dach- und Gemeinschaftsgärten wichtige Orte der Begegnung und Integration (Claßen 2018: 305 f.). Sie haben eine große Anziehungskraft auf alle Altersgruppen, und die gemeinsame Beschäftigung mit gärtnerischen Aktivitäten begünstigt das gegenseitige Kennenlernen. Dies fördert die Identifikation der Bewohner_innen mit ihrem Wohnumfeld, wodurch nachbarschaftliche Solidarität gestärkt, gesellschaftliche Mitwirkung ausgebaut sowie Ausgrenzung und Diskriminierung vermieden werden können (BMUB 2015: 42).

Derzeit kommt es im urbanen Geschosswohnbau auf Flachdächern vereinzelt zur Anlage extensiver Dachbegrünungen, während sich Dachgärten meist nur auf wenige Ausnahmen beschränken. Doch gerade die Nutzung von intensiv begrünten Dachflächen kann neben den positiven Auswirkungen auf das Stadtklima und das soziale Gefüge auch zur lokalen Lebensmittelversorgung beitragen und damit die sozial-ökologische Resilienz der Stadt verbessern. Um diese Potenziale besser nutzbar zu machen beziehungsweise konkrete Umsetzungen zu fördern, ist es notwendig, gemeinsame Lern- und Kommunikationsprozesse zwischen den verschiedenen Stakeholdern im Wohnbau zu initiieren. Das Zusammenbringen gegensätzlicher Perspektiven und Handlungsmuster ermöglicht praxisnahes Erfahren, Experimentieren und Reflektieren. Durch diesen transformativen Dialog ist es möglich, Gemeinsamkeiten zu konstruieren und nachhaltige Handlungsänderungen anzustoßen (Gergen/McNamee/Barrett 2003: 71; Schneidewind/Singer-Brodowski 2015: 20).

2. Ein transdisziplinärer Dialog über grüne Dächer

Die Attraktivität des städtischen Wohnens und der damit verbundene Zuzug in urbane Gebiete ist ein langfristiger Trend, der auch die südostösterreichische Stadt Graz vor große Herausforderungen stellt. Um den Bodenverbrauch für neuen Wohnraum und zusätzliche Versorgungsinfrastruktur möglichst gering zu halten, setzt die Stadtverwaltung zunehmend auf verdichtete Bebauungsformen. Die damit einhergehende Reduktion von Frei- und Grünflächen wirkt sich jedoch negativ auf die Lebensqualität der Bewohner_innen aus. Zusätzlich verursacht der Klimawandel durch Zunahme des Wärmestresses bioklimatische Belastungen für die Stadtbevölkerung, was das Wohlbefinden besonders von älteren oder gesundheitlich vorbelasteten Menschen sowie Kindern zusätzlich verschlechtert.

Für die nachhaltige Verbesserung der urbanen Lebensqualität spielt vor allem im Geschosswohnbau die Erhöhung des Grünanteils durch die Umsetzung von Fassaden- und Dachbegrünungen eine zentrale Rolle. Werden Flachdächer als begehbare beziehungsweise benutzbare Freiflächen mit intensiver Begrünung und großflächigen Bepflanzungsbereichen oder Hochbeeten als Dachgärten angelegt, ergeben sich vielfältige soziale, ökologische und ökonomische Vorteile. Diese werden in Graz bei der täglichen Planungs- und Wohnbaupraxis jedoch noch unzureichend genutzt. Aus diesem Grund initiierte das Institut für Wohnbauforschung[1] ein transdisziplinäres Forschungsprojekt, das darauf abzielt, einen transformativen Lern- und Kommunikationsprozess einzuleiten, der administrative, planerische, architektonische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Dachgärten einbezieht.

Auf Basis einer qualitativen Potenzialanalyse zur Anlage von Dachgärten im Grazer Geschosswohnbau wurde ein partizipativer Transformationsprozess gestartet, um das integrative Potenzial von Dachgärten verstärkt in das Bewusstsein von Entscheidungsträger_innen und Akteuren des Wohnbaus zu rücken. Dazu wurden bei den Vorerhebungen leitfadengestützte Interviews mit regionalen Bauträger_innen, politischen Vertreter_innen und Fachexpert_innen aus den Bereichen Landschaftsplanung, Gebäudebegrünung und Gartenbau geführt. Die daraus abgeleitete Potenzialanalyse diente als erstes Stimmungsbild für die weitere Bearbeitung des Themas, die in einem transdisziplinären Setting Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft zusammenbrachte. Dazu wurde die Initiative Wohnbau.Dialog Steiermark ins Leben gerufen, die sich als regionale Kommunikationsplattform und Schnittstelle versteht. Im Rahmen eines interaktiven Workshop-Formats zum Thema ‚Stadtgrün im Geschosswohnbau‘ konnten sich Teilnehmer_innen aus den Bereichen Garten- und Landschaftsgestaltung, Architektur, Wohnbau, Politik, Stadt- und Landesverwaltung, Wissenschaft sowie zivilgesellschaftliche Initiativen austauschen. Dabei wurden Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken diskutiert sowie gemeinsame Lösungsansätze für bestehende Herausforderungen erarbeitet. Der Fokus der Dialogplattform liegt auf der Vernetzung der Akteure zum Ausloten gemeinsamer Synergieeffekte, dem Abbauen von Vorbehalten und der Umsetzung konkreter Projekte. Durch die integrative Betrachtung der vielfältigen sozialen, ökologischen und ökonomischen Effekte von grünen Dächern soll vermittelt werden, dass Dachgärten nicht nur ein ‚nice-to-have‘-Feature für die bessere Verkaufbarkeit von Immobilien sind, sondern einen relativ einfach umzusetzenden Lösungsansatz für die sozial-ökologischen Herausforderung des modernen Wohn- und Städtebaus darstellen. Die Aktivitäten zielen daher auch auf gemeinnützige Bauträger_innen ab, damit Dachgärten zukünftig im Sinne der Umweltgerechtigkeit beziehungsweise der sozialen Verträglichkeit nicht nur bei Eliteprojekten auf hochpreisigen Immobilien des privaten Sektors entstehen, sondern für weite Teile der Bevölkerung zugänglich sind.

3. Auf dem Weg zu mehr Dachgrün

Die transdisziplinäre Diskussion und Weiterentwicklung wichtiger Kernthemen hinsichtlich der Umsetzung von Dachgärten im Grazer Geschosswohnbau adressierte sowohl Herausforderungen als auch potenzielle Lösungsansätze. In diesem experimentellen Lern- und Forschungsprozess wurden unterschiedliche Perspektiven eingebracht, um die wichtigsten Aspekte bezüglich Umsetzungsvarianten, sozialer Nachhaltigkeit, laufendem Betrieb und struktureller Rahmenbedingungen von Dachgärten zu beleuchten.

Bei den konkreten Umsetzungen von Dachbegrünungen wurden Hintergründe zu Technik, Bepflanzung und Gestaltung thematisiert. Die Planung und Umsetzung von Dachbegrünungen unterliegen Auflagen hinsichtlich Statik, Bautechnik, Brandschutz und der Absturzsicherung. Um diese baurechtlichen Anforderungen mit den gärtnerischen Ansprüchen abzugleichen, müssen landschaftsgestalterische und architektonische Kompetenzen gleichermaßen in den Gestaltungsprozess einfließen. Technisch lassen sich Dachgärten bereits leicht umsetzen, da ausreichend Standards, Normen, Vorschriften und Regeln in Bezug auf Gebäudebegrünungen vorliegen. Häufig sind diese jedoch nicht ausreichend bekannt beziehungsweise werden nicht überprüft und exekutiert. Zudem gibt es Projekte, die ohne fachliche Einbindung von Grünraumexpert_innen umgesetzt werden, wodurch technische Mängel oder fehlerhafte Ausführungen auftreten, welche dem Gesamtimage von Dachbegrünungen schaden.

Bei der Diskussion zum Thema der sozialen Nachhaltigkeit lag der Schwerpunkt auf nachbarschaftlichen Netzwerken, Bewusstseinsbildung und Lebensqualität. Dabei wurde diskutiert, dass Dachgärten durch die Aufwertung von Stadtteilen und Wohngebäuden zu steigenden Wohnpreisen beitragen können. Gerade für einkommensschwächere Gruppen können die erhöhten Errichtungs- und Wartungskosten von Dachbegrünungen den Zugang zu Wohnungen mit grüner Gebäudeinfrastruktur erschweren. Deshalb sollten gerade im gemeinnützigen Wohnbau Möglichkeiten geschaffen werden, die Rentabilität von Dachgärten durch Lebenszyklusbetrachtungen zu belegen und damit die erhöhten Errichtungskosten zu rechtfertigen. Andererseits gilt es auch, vorrangig die Potenziale für Gemeinschaftsaktivitäten in der Erdgeschosszone auszuschöpfen und am Dach gegebenenfalls eine extensive Grünfläche zu realisieren, die nicht von den Bewohnenden genutzt werden kann, jedoch trotzdem positive Effekte auf das städtische Klima hat.

Zum laufenden Betrieb von Dachgärten wurden Erfahrungen zur Organisation, Instandhaltung und Nutzung von Synergieeffekten ausgetauscht. Dabei zeigte sich, dass die Pflegekosten für die Erhaltung und Wartung von Dachbegrünungen entsprechend der jeweiligen Begrünungsvarianten variieren, sich jedoch grob mit dem Pflegeaufwand von anderen Grünflächen vergleichen lassen. Um die Funktionalität der grünen Infrastruktur zu gewährleisten und Schäden am Gebäude zu vermeiden, sollten Pflegemaßnahmen von Dachgärten aber fachgerecht begleitet und umgesetzt werden. Erfolgt die Gartenpflege von den Bewohner_innen selbst, können entsprechende Ausgaben reduziert werden. Allerdings wurde die Notwendigkeit der klaren Definition der Zuständigkeiten hervorgehoben. Während gerade die Vertreter_innen der gemeinnützigen Bauträger_innen neben den Errichtungskosten auch die erhöhten Kosten des laufenden Betriebs als Schwäche anführten, wurde hier vor allem seitens der Architektur und Zivilgesellschaft darauf hingewiesen, dass intensive Dachgartengestaltungen aufgrund indirekter Leistungen und innovativer Anwendungsmöglichkeiten bei frühzeitiger und sorgfältiger Planung trotz erhöhter Errichtungs- und Pflegekosten neben den Wohlfahrtswirkungen auch finanzielle Vorteile mit sich bringen können.

Die Diskussion der strukturellen Rahmenbedingungen fokussierte auf Förderungen, rechtliche Aspekte und Lebenszyklusanalysen. Sowohl Wohnbauträger als auch städtische Verwaltungen und politische Entscheidungsträger_innen erkennen zunehmend den Mehrwert von attraktiven Außengestaltungen im mehrgeschossigen Wohnbau. Durch Bebauungspläne und andere gesetzliche Rahmenbedingungen werden extensive Dachbegrünungen schon jetzt bereits oft eingefordert. Der gesamte Planungs- und Einreichprozess, auch von intensiven Dachbegrünungen, funktioniert in der Praxis gut. Damit die Umsetzung von integrativen Dachgartenprojekten im Wohnbau weiter vorangetrieben werden kann, braucht es vor allem den politischen Willen zur konkreten Unterstützung. Durch eine ausgewogene Kombination von gesetzlichen Vorgaben, öffentlichen Debatten und Anreizsystemen können Pilotprojekte mit Vorzeigefunktion gefördert werden. Die Vernetzung und Zusammenarbeit von Bauträger_innen, Verwaltung, Forschung und Planung ermöglicht kollektive Lernprozesse zur Weiterentwicklung von Organisations- und Betriebsmodellen für Dachgärten.

Um das langfristig angestrebte Ziel, Dachgärten im Grazer Wohnbau sowohl bei Neubau-, aber vor allem auch bei Bestandsobjekten zu realisieren, wurden von den beteiligten Akteuren Demonstrationsprojekte konzipiert, die das gemeinsame Erfahren, Experimentieren und Reflektieren mit innovativen Dachbegrünungen ermöglichen sollen. Dazu wurden im Rahmen der qualitativen Potenzialanalyse zur Anlage von Dachgärten im Grazer Geschosswohnbau potenziell geeignete Liegenschaften für Pilotprojekte erhoben. Von Seiten des zuständigen Landesrats für Wohnbau, Sanierung und Revitalisierung wurde signalisiert, dass es für entsprechende Objekte eine Anstoßfinanzierung für die Anlage von Dachgärten geben wird. Auch das städtische Umweltamt bietet Förderungen für Gemeinschaftsgärten, Fassaden- und Dachbegrünungen, Stadtbäume und entsprechende Beratungen, die bei Weiterentwicklung der Pilotprojekte unterstützend sein können. Die befragten gemeinnützigen Bauträger_innen bekundeten großes Interesse an der Umsetzung von nutzbaren Dachgärten und nannten insgesamt 14 potenziell geeignete Liegenschaften für Pilotprojekte, die sich über das gesamte Stadtgebiet von Graz erstrecken. Anhand einer multikriteriellen Entscheidungsanalyse wurde eine Reihung dieser Objekte hinsichtlich ihrer Eignung für eine Dachgartennachrüstung vorgenommen. An den vier erstgereihten Standorten wird in weiterer Folge die statische, bautechnische, infrastrukturelle und rechtliche Machbarkeit überprüft sowie objektspezifische Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten gegenübergestellt.

Die transdisziplinäre Diskussion im Rahmen der Dialogplattform brachte unterschiedliche Sichtweisen zusammen und schaffte es, durch die interaktive Programmgestaltung gegenseitige Lernprozesse zwischen den Akteuren zu fördern. Auf diese Weise konnten Vorbehalte reduziert sowie Stärken und Chancen in den Vordergrund gestellt werden. Zudem fand eine Vernetzung zwischen interessierten Bauträger_innen mit Expert_innen und politischen Vertreter_innen statt. Die Weiterentwicklung innovativer Organisations- und Betreibermodelle für Dachgärten im Geschosswohnbau erfordert die kontinuierliche Vernetzung von Forschung, Verwaltung, Bauwirtschaft und Bürger_innen, wodurch ein gemeinschaftlicher Aushandlungs- und Lernprozess angestoßen wird. Dachgärten können hierbei als wirksamer Lösungsansatz für die sozial-ökologischen Herausforderungen des modernen Wohn- und Städtebaus thematisiert und weitere Nachhaltigkeitstransformationen angeregt werden.

 

Dieser Artikel wurde durch Mittel der RCE Graz-Styria, Universität Graz gefördert.

Endnoten

Autor_innen

Bernhard Hohmann ist Geograph und widmet sich der Nachhaltigkeitsforschung und Transformationsprozessen mit speziellem Fokus auf den Wohnbau.

bernhard.hohmann@uni-graz.at

 

Thomas Höflehner ist Geograph und beschäftigt sich mit integrativer Nachbarschaftsentwicklung sowie kooperativen Innovations- und Veränderungsprozessen.

thomas.hoeflehner@uni-graz.at

 

Andrea Jany ist promovierte Architektin. Ihre Forschung konzentriert sich auf die sozio-ökologischen Aspekte des Wohnbaus.

andrea.jany@uni-graz.at

Literatur

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Claßen, Thomas (2018): Urbane Grün- und Freiräume. Ressourcen einer gesundheitsförderlichen Stadtentwicklung. In: Sabine Baumgart / Heike Köckler / Anne Ritzinger / Andrea Rüdiger (Hg.), Planung für gesundheitsfördernde Städte. Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 297-313.

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