Küchentechnik ist politisch!

Eine feministische Perspektive auf Mensch-Technik-Beziehungen am Beispiel des Thermomix

Marlene Hobbs

Permanent halten neue technische Geräte Einzug in unsere Wohnräume. Der Haushalt ist damit ein Ort, an dem neue Technologien[1] alltäglich werden. Aktuell versprechen digitale Technologien in fast allen Lebensbereichen eine bessere räumliche und zeitliche Organisation von Reproduktions- und Erwerbsarbeit (Carstensen 2018). Eine Hoffnung ist dabei, Arbeit so zu gestalten, dass Erwerbstätigkeit, Kindererziehung, Hausarbeit und Freizeit besser vereinbar werden; eine Herausforderung, die insbesondere Frauen[2] zu bewältigen haben (Speck 2019). Während raumzeitliche Veränderungen sozialer Reproduktion durch Technisierung und damit zusammenhängende Geschlechterverhältnisse beispielsweise in Debatten um die Smart City diskutiert werden (vgl. Carstensen 2018), steht die Debatte um Reproduktionsarbeit und aktuelle Technisierungsprozesse in Wohninnenräumen noch am Anfang (Isselstein 2021: 103; Marquardt 2018: 285). Der vorliegende Artikel fragt, inwiefern häusliche Technologien vergeschlechtlichte Reproduktionsarbeit verändern können und wie sich Mensch-Technik-Beziehungen in räumlichen Praktiken ausdrücken. Der Wohnraum mit den darin stattfindenden sozialen Praktiken wird dabei im Sinne Feministischer Stadtforschung (vgl. Hayden 2017 [1981], 1981) und Feministischer Technikforschung (Marquardt 2019: 216 f.) nicht als abgeschlossener, privater Bereich verstanden, sondern als zentraler Aushandlungsort von Geschlechterverhältnissen und Schauplatz von Technisierung. Damit einher geht die Kritik am Dualismus einer männlich konnotierten Öffentlichkeit gegenüber einer weiblich assoziierten Privatheit sowie an der Technisierung als kostengünstiger Lösung für gesellschaftliche Probleme wie die aktuelle Krise sozialer Reproduktion (Marquardt 2018: 294).

Intelligente Kühlschränke, Einkaufs-Apps, Staubsaugerroboter oder automatisierte Küchenmaschinen werden gegenwärtig als Lösung für zeitaufwendige Tätigkeiten im modernen Haushalt mobilisiert (Kindermann 2018; MacLeavy/Lapworth 2019). Derartige Versprechen sind nicht neu. Die enorme Haushaltstechnisierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat zur Individualisierung der Hausarbeit beigetragen, die Frauen zu den Hauptverantwortlichen für die tägliche Reproduktionsarbeit im privaten Haushalt machte und so die Dualität von öffentlich/privat und männlich/weiblich zementierte.

Die Küche bietet aufgrund ihrer hohen Dichte an technischen Geräten und der dort stattfindenden geschlechtlichen Arbeitsteilung einen vielversprechenden Einstiegspunkt zum Verständnis gegenwärtiger Mensch-Technik-Beziehungen. Am Beispiel der zunehmend digitalisierten Küchenmaschine Thermomix bin ich in einer qualitativ-ethnographischen Fallstudie der Frage nachgegangen, welche Bedeutung diese Technologie für vergeschlechtlichte Praktiken im Haushalt hat. Dazu habe ich vor dem Hintergrund bisheriger Erkenntnisse zu Haushaltstechnisierung und aktueller Begriffe Feministischer Technikforschung Fragen zu diesem aktuellen Phänomen entwickelt, die ich in einer empirischen Studie mit Nutzer_innen des Geräts erforscht habe.

Um die Technisierung des Haushalts historisch einzuordnen, beziehe ich mich im ersten Kapitel zunächst auf Studien zu den sozialen Folgen der Elektrifizierung von Haushalten. Der sich mit der Zeit wandelnden Bedeutung des Raums Küche entlang ihrer Technisierung aus feministischer Perspektive gehe ich in Abschnitt 1.2 nach. Erkenntnisse aus feministischen Technikstudien zu den historisch gewachsenen Zusammenhängen zwischen Technik, Geschlecht und den Räumen der Hausarbeit werde ich anschließend durch aktuelle Begriffe Feministischer Science and Technology Studies (STS) ergänzen. Mithilfe detaillierter Analysen häuslicher Technologien greife ich in Abschnitt 1.3 spezifische Momente der Beziehung zwischen Technik und Geschlecht auf, anhand derer vergeschlechtlichte Praktiken rund um den Thermomix im zweiten Kapitel eingeordnet werden können. Indem Technologien als soziale Verhältnisse gefasst werden, sollen ihre vergeschlechtlichten Effekte zum Vorschein gebracht und mögliche Neuaushandlungen von Machtverhältnissen in der Techniknutzung offengelegt werden. Das Ziel meines Beitrags ist es, den Haushalt als Aushandlungsort der Beziehung zwischen Technik und Geschlecht zu konturieren und Potenziale einer feministischen Betrachtung aktueller Mensch-Technik-Verhältnisse aufzuzeigen.

1. Feministische Perspektiven auf Haushaltstechnisierung

Frauen übernehmen trotz zunehmender Erwerbsarbeitstätigkeit nach wie vor den größten Teil der unbezahlten Arbeit im Haushalt, aber auch in der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen (Speck 2019; Winker 2015). Heute wird die Debatte um ungleich verteilte und unsichtbar gemachte Haus- und Sorgearbeit meist als Care-Debatte geführt. Unter Care-Arbeit werden bezahlte wie unbezahlte Sorgetätigkeiten wie Erziehen, Pflegen, Betreuen, Lehren und Beraten verstanden; damit wird der Fokus auf die Arbeitsinhalte gelegt (Winker 2015: 7). Demgegenüber verwenden Theoretiker_innen aus marxistischen Kontexten den Begriff Reproduktionsarbeit, um die Bedeutung der Herstellung und Aufrechterhaltung der Arbeitskraft selbst – zum Beispiel das Gebären – und ihre Funktion zur Aufrechterhaltung des Kapitalismus zu betonen (Cox/Federici 1975). Ich werde im vorliegenden Artikel bei dem Begriff der Hausarbeit bleiben, da ich hierunter die konkreten Tätigkeiten im Haushalt wie das Putzen, Kochen, Waschen, Staubsaugen, Spülen und so weiter fasse, um die sich das empirische Beispiel dreht. Sorgearbeit begreife ich insofern als Teil von Hausarbeit, als diese geplant, abgesprochen, verteilt und an sie erinnert wird.

Die Doppelbelastung von Frauen mit bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Reproduktionsarbeit bezeichnet Regina Becker-Schmidt (2010) als „doppelte Vergesellschaftung“. Doppelt vergesellschaftet sind demnach alle Frauen, die neben Erwerbsarbeit „selbstverständlicherweise“ das Gros der Haus- und Sorgearbeit im eigenen Haushalt übernehmen. Die traditionelle Sichtweise von Geschlechterrollen, nach der Männer allein für die Sicherung des Familieneinkommens verantwortlich sind, entspricht heute nicht mehr der sozialen Realität. Sie wirkt sich jedoch nach wie vor auf die geschlechtsspezifische „Verteilung von bezahlter und unbezahlter, gut dotierter und schlechter dotierter Arbeit aus. […] auch wenn beide [Männer und Frauen] auf vergleichbarem Niveau tätig sind“ (ebd.: 72). In der Folge bleibt Hausarbeit mit ihrer Verortung in der weiblichen, privaten Sphäre abgewertet. Claudia Koppetsch und Sarah Speck (2015) zeigen darüber hinaus, wie ein Ungleichgewicht in der Verteilung der Haus- und Sorgearbeit bei einer vermeintlichen Gleichverteilung zwischen heterosexuellen Paaren durch latente Regulative in alltäglichen Praktiken ebenso aufrechterhalten wird.

Geschlechtersensible Analysen von Haushaltstechniken stützen sich auf die feministische Kritik an der räumlichen Trennung von Produktions- und Reproduktionsarbeit und der damit einhergehenden Isolierung von Frauen im Privathaushalt. Feministische Architektur-, Planungs- und Stadtkritiken der 1970er Jahre nahmen dabei vor allem die fehlende Ausrichtung von Wohnungsgrundrissen und Siedlungsstrukturen auf Reproduktionsarbeit in den Blick (Becker 2010: 807). Gebaute Umwelt und Infrastrukturen wurden hier als Ausdruck patriarchaler gesellschaftlicher Strukturen und Machtverhältnisse verhandelt. Feministische Technikstudien haben Wohnraum und Haushalt als Schauplatz technischer Veränderungen herangezogen (Cockburn 1997; Hayden 1984; Schwartz Cowan 1983).[3] Die enorme Technisierung und Rationalisierung von Haushalten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden zur Zeit der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er und 80er Jahren zum Gegenstand feministischer Auseinandersetzungen. Im Folgenden beleuchte ich einige der Erkenntnisse feministischer Technikstudien, um die Effekte bisheriger Technisierung von Haushalten in Zusammenhang mit sozialem Wandel und gesellschaftlichen Anforderungen nachzuvollziehen und daraus aktuelle Fragen abzuleiten.

1.1. More work for mother: Effekte der Haushaltselektrifizierung

Der Einzug elektrischer Geräte in die Haushalte hatte in den USA und Teilen Europas Mitte des 20. Jahrhunderts seinen Höhepunkt (Schwartz Cowan 1976). In den 1920er und 30er Jahren führte die schlechte Wirtschaftslage der Mittelklasse zu einer verminderten Anstellung von Haushaltshilfen; durch bessere Wohn- und Bildungsmöglichkeiten, aber auch durch den hohen Bedarf an Arbeitskräften in Kriegszeiten gingen wieder mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nach (Llewellyn 2004: 46). Elektrische Herde, Kleingeräte und Waschmaschinen sollten einen Ausgleich für die fehlenden Haushaltshilfen und Zeit für Kindererziehung und Freizeit schaffen. Mit dem Fordismus wurden die funktionalistischen und rationalisierenden Abläufe der Fabriken zunehmend in die Haushalte übertragen (Hayden 1984: 70). Technikforscherin Ruth Schwartz Cowan (1976: 23) bezeichnet dies treffend als eine gescheiterte „industrial revolution in the home“: Frauen blieben nicht wie in der Vorkriegszeit spezialisierte Lohnarbeitskräfte in frauenspezifischen Bereichen, beispielsweise der Textil- oder Bäckereiindustrie, sondern wurden zu Managerinnen und Arbeiterinnen im Privathaushalt. Entgegen der Annahme, dass Technisierung gleichzeitig eine Professionalisierung der Hausarbeit bedeutet, ging mit ihrer Individualisierung schließlich eine Dequalifizierung und Entspezialisierung und damit eine Entwertung von Arbeitsverhältnissen einher.

Feministische Technikstudien der 1970er und 80er Jahre stellten den vorherrschenden Technikdeterminismus, also die Annahme, dass die Einführung der Geräte in die Haushalte gesellschaftliche Probleme lösen könnte, infrage. Mithilfe von quantitativen Zeitbudgetanalysen stellten sie zum Beispiel fest, dass die Zeit, die Männer und Kinder für Hausarbeit aufwendeten, abnahm, während sie für Frauen konstant blieb, da zur Bedienung der Maschinen nur eine Person nötig war (vgl. Bose/Bereano/Malloy 1984; Hausen 1987; Schwartz Cowan 1983). Die Studien zeigten, dass neue Haushaltsgeräte zwar manche Tätigkeiten erleichtern können, gleichzeitig aber neue Aufgaben und höhere Ansprüche, etwa an Sauberkeit oder Hygiene, mit sich bringen, wodurch letztlich weder Zeit noch Arbeit gespart werden (Bose/Bereano/Malloy 1984; Schwartz Cowan 1983). Neben den erhöhten Ansprüchen an Hausarbeit und ihrer Individualisierung trug Technisierung außerdem dazu bei, dass Hausarbeit verschleiert und abgewertet wurde: Da die Maschine die Wäsche wäscht, das Geschirr spült und das Essen kocht, bliebe schließlich mehr Zeit, die Kinder in die Schule und zu Terminen zu fahren. Die gesteigerten Anforderungen an gute Erziehung bedeuteten letztlich eine Emotionalisierung der Tätigkeiten. Ungeachtet ihrer Möglichkeiten wurden dabei erhöhte Ansprüche an Frauen gestellt. In diesem Zusammenhang beschreibt Schwartz Cowan (1976) eine Verschärfung von Klassenunterschieden, denn Arbeiterinnen waren mit den gestiegenen Anforderungen an die Hausarbeit zusätzlich zur Lohnarbeit mehr belastet als bürgerliche Hausfrauen. So ist Techniknutzung tief in gesellschaftliche Verhältnisse und sozialen Wandel eingebettet.

Heute erscheint das Modell des individualisierten Haushalts als selbstverständlich. Tatsächlich ist es jedoch das Ergebnis eines komplexen historischen Prozesses, der durch Technisierung mitverantwortet ist. Technische Geräte machten das Bild der allein verantwortlichen Hausfrau erst möglich, und die an sie gestellten Ansprüche manifestierten das romantisierte Bild des geregelten Zuhauses als sicheren, erholsamen Zufluchtsort, das in feministischen Diskursen immer wieder hinterfragt wird (vgl. Blunt/Dowling 2006; Brickell 2012; Hayden 1984). Der Blick auf die Geschichte der Technisierung von Hausarbeit eröffnet zugleich neue Perspektiven: Wenn das Phänomen Hausarbeit, wie wir es heute kennen, historisch geworden ist, ist es veränderbar! Daher werden im Folgenden die spezifischen gesellschaftlichen Arrangements der Technisierung am Beispiel der Küche diskutiert.

1.2. Kitchen politics: Technik und Geschlecht in der Küche

Wie die Vergeschlechtlichung von Hausarbeit räumlich und technisch organisiert ist, zeigt sich im Wandel von Küchen. Sozial- und kulturwissenschaftliche Arbeiten betrachten spezifische Praktiken in Küchen, um dort verhandelte Phänomene wie Hausarbeit, Design und Rationalisierung (Hayden 2011; Jerram 2006; Llewellyn 2004; Meah 2016), aber auch Konsum, Identität oder Geschlechterbeziehungen (Hand/Shove 2004; Hand/Shove/Southerton 2007; Johnson 2006; Meah 2016; Saarikangas 2006) zu untersuchen. Die Küche eignet sich aus mehreren Gründen als Ausgangspunkt und Gegenstand für eine Annäherung an das Verhältnis von Haushalt, Technik und Geschlecht aus feministischer Perspektive. Als Symbol des modernen Haushalts ist sie zentraler Ort des feministischen Kampfes für die Sichtbarkeit von Hausarbeit. Dies zeigt sich in frühen wie aktuellen Streitschriften wie Counter-planning from the kitchen (Cox/Federici 1975), dem Manifest der Kampagne Wages for Housework, oder der Reihe des Kollektivs Kitchen Politics mit (queer-)feministischen Analysen aktueller Arbeits- und Geschlechterverhältnisse (Cooper et al. 2015; Federici 2015; Kitchen Politics 2015). Weiterhin obliegt der Ort Küche ständiger Technisierung und wird, den gesellschaftlichen Imaginationen des modernen Familienlebens entsprechend, architektonisch und technisch immer wieder angepasst. Seit dem späten 19. Jahrhundert bis heute stellen Studien zu Küchendesigns die Küche immer wieder als Aushandlungsort bürgerlichen Lebens in urbanen, westlich-industrialisierten Regionen heraus (Hayden 2017 [1981], 2011, 1984; Llewellyn 2004; Meah 2016). Die Studien zeigen, dass die auf eine Person ausgerichtete Privatküche voller Konsumgüter, die die Hausfrau an das Zuhause bindet, weder jemals die einzig vorstellbare Art von Küche war, noch, dass diese unumstritten hingenommen wurde. Im Folgenden gehe ich auf einige Zusammenhänge zwischen den gesellschaftlichen Anforderungen an den Raum Küche und den darin ausgehandelten Geschlechterbeziehungen ein.

Alternative Visionen der Küche sind bereits im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zu finden. Mit der Idee des „cooperative housekeeping“ propagierte die Feministin Melusina Fay Pierce in den 1860ern entlohnte, kollektivierte Hausarbeit, die eine Reduktion privater Küchen zur Folge haben sollte. In sogenannten Einküchenhäusern, einer Idee, die auf die sozialistische Frauenrechtlerin Lily Braun Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeht, sollte Hausarbeit kollektiviert werden, um Frauen den Zugang zu Lohnarbeit und öffentlichem Leben zu ermöglichen (Hayden 1981, 2017). Kochen und andere Hausarbeit wurden dazu teilweise entlohnt, Designer_innen und Architekt_innen statteten Großküchen aus, die viele Menschen auf einmal versorgen konnten, oder es wurden Betreuungskonzepte für Kinder in den Häusern mitgedacht. Diese Küchenkonzepte verschwanden jedoch schnell hinter der Bildfläche konsumorientierter Modelle für den Privathaushalt der Kleinfamilie (Hayden 2011). Im Zuge der oben beschriebenen industriellen Revolution des Haushalts wurden Prinzipien der Effizienz auf das Design von Küchen übertragen. So hielt die Küche als Experimentierraum und als Ort der zu optimierenden Frauenarbeit gegenüber der bereits optimierten männlichen Fabrikarbeit her (Llewellyn 2004: 45). Auch hier war das propagierte Ziel, Frauen zu entlasten. Dahinter stand jedoch insbesondere der hohe Bedarf an Lohnarbeitskräften (Meah 2016: 43).

Nach dem Ersten Weltkrieg für neue soziale Wohnungsbauprojekte angestellte Architekt_innen wollten die Arbeitsbelastung für die gestiegene Zahl alleinstehender Frauen radikal verkürzen. Die bekannten und konkurrierenden Modelle der Frankfurter und der Münchner Küchen bauten unter anderem auf den Ideen des arbeitssparenden „new housekeeping“ der Hauswirtschafterin Christine Frederick (1913) auf. Technische Fortschritte in der Industrie ermöglichten die Vorfertigung von Küchenmodulen für die neu entstehenden Wohnungen. Die Anwendung von Time-and-motion-Prinzipien hatte zum Ziel, Arbeitswege zu verkürzen und Müdigkeit vorzubeugen (Llewellyn 2004: 45; Meah 2016: 43). Im Sinne der Produktivität und der Beschaffung von günstigem Wohnraum für arbeitende Frauen wurden mit der vorgefertigten Frankfurter Küche der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky Wohnräume auf ihre substanziellsten Arbeitsbereiche reduziert und so Arbeit und Freizeit räumlich getrennt. Diese Art der Werkstatt-Küche bestand aus Einbaumodulen, die so angeordnet waren, dass alle Bereiche auf möglichst kurzen Wegen in effizienter Reihenfolge erreicht werden konnten. Die Frankfurter Küche sollte Frauen unter anderem von traditionellen Familienstrukturen befreien (Jerram 2006: 547). Kritikerinnen bemängelten allerdings an derartigen Modellen unter anderem, dass sie die Frau mehr als Konsumentin denn als Produzentin in den unpersönlichen Räumen verstanden, die mit allerlei Gerätschaft ausgestattet werden sollten. Die vom Effizienzgedanken geleitete Planung brachte auch Kritik seitens der Bewohnerinnen mit sich. Der fehlende Raum für soziale Interaktionen während des Arbeitens in der (ausgesprochen kleinen) Küche und die standardisierte Einrichtung wurden als isolierend und bevormundend empfunden (Meah 2016: 44 f.). Während die rationale Küche mit ihrer Trennung von Arbeit (dem Kochen in der Küche) und der sozialen Praxis des Essens (das ins Wohn-/Esszimmer ausgelagert wurde) bei Frauen aus bürgerlichen Mittelklasse-Verhältnissen mitunter als positiv empfunden wurde, traf sie vor allem bei Arbeiterinnen auf Widerstand. Sie kritisierten, dass sich das Zuhause zunehmend zum zweiten Arbeitsort wandelte (ebd.: 45 f.).

Mit der Münchner Küche wurde auf diese Kritik reagiert und dementsprechend die Küche wieder mit dem Wohnen verbunden. Wohnküchen mit Kochnischen sollten hier die Grenzen zwischen sozialem Leben und Hausarbeit aufweichen (Jerram 2006: 549). Dies erlaubte Frauen die gleichzeitige Verrichtung von Hausarbeit während des Beaufsichtigens von Kindern. Zweifelsohne schrieben die gebaute Struktur und die Einrichtungsmöglichkeiten trotz des größeren Handlungsspielraums im Vergleich zur kleinen, geschlossenen Arbeitsküche weiterhin bestimmte soziale Standards, zum Beispiel im Familienleben, vor (ebd.: 544).

Trotz der Berücksichtigung ihrer Doppelbelastung konnten die Küchendesigns entgegen ihrer Versprechen die Frauen nicht befreien oder ihre Arbeit reduzieren. Vielmehr manifestierten sie gesellschaftliche Ansprüche an verschiedene Versionen der modernen Frau – mit oder ohne Kinder, gering oder besser verdienend. Obgleich die neue Küchenarchitektur emanzipatorische Versuche der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen darstellte, zeigen historische Analysen, dass insbesondere die Möglichkeit der selbstbestimmten Gestaltung der Wohnräume und deren Aneignung je nach persönlichen Vorlieben wichtig für die hausarbeitenden Bewohnerinnen waren. Die Ausstattung mit Gegenständen und das Sich-Abheben, beispielsweise von den Nachbar_innen, durch eigene Haushaltsgestaltung waren hier von Bedeutung (Jerram 2006: 548; Meah 2016: 47).

Feministische Studien zur rationalisierten Küche und zu ihrem Wandel in offen gestaltete, multifunktionalere Räume stellen insbesondere die physische Sichtbarkeit von Hausarbeit innerhalb des Zuhauses als Errungenschaft für die sie verrichtenden Personen und ihre Bedürfnisse heraus (Saarikangas 2006: 168). So wird dem Bild des Zuhauses als Erholungsort, das vor allem männliche Erfahrungen widerspiegelt, eine Perspektive entgegengesetzt, die nicht nur weibliche Lebensentwürfe einbezieht, sondern diese räumlich wahrnehmbar macht. Aktuell ist das Idealbild der modernen Küche von multifunktionalen, offenen Gestaltungskonzepten geprägt, in denen neben Kochen auch Wohnen stattfinden soll. Seit dem neuen Jahrtausend stellen Küche und Kochen zunehmend auch Freizeittätigkeiten dar, deren Bedarfe an technologischer Ausstattung über die Vermeidung von Hausarbeit hinausgehen (Cox 2013; Hand/Shove/Southerton 2007; Meah 2016). Die Techniken und Geräte sind Teil der Praktiken, durch die die Küche als Ort des Familienlebens hergestellt wird. Während Geräte Kochvorgänge beschleunigen oder verbessern sollen, sind sie eingebunden in die performance, das doing family, die die Küche zu dem Ort des alltäglichen Lebens machen, der er heute ist (Meah 2016: 49). Identitätskonstruktionen des modernen Familienlebens sind darin ebenso enthalten wie die Aufrechterhaltung von Lifestyle und Status durch Konsum und die Konstruktion vergeschlechtlichter Beziehungen (Cox 2013; Hayden 2017 [1981]). In der vergeschlechtlichten Küche sind die devices gleichzeitig in Prozesse der Produktion, Reproduktion und des Konsums integriert. Dieses wechselseitige Verhältnis wird in feministischen Technikstudien am Beispiel von Haushaltstechnik illustriert. Abschnitt 1.3 beschreibt zunächst relevante Einflüsse Feministischer STS auf die Konzeptualisierung der Beziehung von Technik und Geschlecht und geht dann auf Momente der Aushandlung vergeschlechtlichter Mensch-Technik-Beziehungen auf struktureller, symbolischer und materieller Ebene ein.

1.3. Gender politics of design: Die Beziehung von Haushaltstechnik und Geschlecht

Das Paradigma der Ko-Konstruktion von Technik und Geschlecht ist bis heute die grundlegende Annahme in verschiedenen Strömungen Feministischer Technikforschung (Ernst 2017; Teubner 2012; Wajcman 2015). Technologie ist demnach sowohl Quelle als auch Konsequenz von Geschlechterverhältnissen. Geschlecht wird hier als Kategorie verstanden, deren Bedeutung über Technologieentwicklung und -nutzung „ständig neu verhandelt wird“ (Ernst 2017: 2 f.). Trotz einiger grundlegender Veränderungen im Geschlechterverhältnis und im Zugang zu technischen Bereichen für Frauen in den vergangenen 50 Jahren hat die Assoziation von Technik mit Männlichkeit nichts an Aktualität verloren (Carstensen 2018: 309; Teubner 2012: 176). Während sich frühe sozialkonstruktivistische Technikkritik besonders mit historischer männlicher Dominanz in der Technikentwicklung und den benachteiligenden Folgen für Frauen befasste, erweitern aktuelle Ansätze der Feministischen Science and Technology Studies (STS)[4] diese um den Fokus auf die Technologien selbst und ihre Bedeutung als soziale Verhältnisse (Ernst 2017; Wajcman 2015; Weber 2017). Verschiedene Herangehensweisen bieten jeweils wichtige Anknüpfungspunkte für die Untersuchung der Beziehungen von Technik und Geschlecht. Im Folgenden greife ich Zugänge auf, die für eine kritische Auseinandersetzung mit vergeschlechtlichten Mensch-Technik-Beziehungen besonders bedeutsam sind.

Sozialistische Feministinnen haben die Beziehung zwischen Technik und Geschlecht als Ausdruck kapitalistischer Verhältnisse beschrieben. Für sie ist die moderne Bedeutung von Technik zutiefst in der Verhärtung der geschlechtlichen Arbeitsteilung seit Beginn der Industrialisierung und dem damit einhergehenden Ausschluss von Frauen aus technischen Bereichen verwurzelt. Darin begründet die Technikforscherin Judy Wajcman (2006) ihr sozialkonstruktivistisches Verständnis von Technik als männlicher Kultur. Technik und Männlichkeit werden demnach als symbolisch verflochten gedacht: „The very definition of technology […] has a male bias.“ (Wajcman 2006: 709) Wer an Technik oder Technologien denkt, stellt sich zuerst vermutlich große industrielle Maschinen oder komplizierte Roboter und Algorithmen vor, nicht etwa Haushaltsutensilien oder Kochvorgänge. Der Ausschluss des Technischen aus weiblich konnotierten Bereichen wurde von feministischen Technikforscherinnen immer wieder am Beispiel der fehlenden Thematisierung von Haushaltstechnologien kritisiert (vgl. Cockburn 1997; Schwartz Cowan 1983). Technologien an traditionellen Orten der Frauenarbeit, wie Garten- und Hausarbeit, bleiben im gesellschaftlichen Diskurs über Technik – wie beispielsweise aktuelle Debatten über die Digitalisierung in Städten zeigen – meist unsichtbar. So wird letztendlich ein Stereotyp produziert, das Frauen als technisch inkompetent darstellt und hierarchische Dualismen zwischen technisch–nicht technisch, innen–außen und weiblich–männlich festschreibt.

Aktuelle Feministische STS begreifen Techniken selbst als soziale Verhältnisse, um Machtgefälle und Hierarchisierungen in vergeschlechtlichten Mensch-Technik-Beziehungen aufzuzeigen. Indem sie das Technikverständnis erweitern, reagieren sie auf die Geschlechtsblindheit der Techniksoziologie. Sie bemängeln die gängige Vorstellung, dass Technik und Gesellschaft einander zwar gegenseitig konstituieren, Techniken selbst aber keine sozialen Phänomene seien. Der Begriff Soziotechnik hebt dabei die Bedeutung von Techniken für soziales Handeln und als politische Artefakte hervor und spielt auf die verschwimmenden Grenzen zwischen „dem Sozialen“ und „dem Technischen“ an (Bauer/Heinemann/Lemke 2017). In soziotechnischen Systemen entstehen demnach technische Aktivitäten aus der Verbindung von Techniken und materieller Kultur mit gesellschaftlichen Arbeitsverhältnissen (Bray 2007: 40).

Haushaltstechnik nimmt aufgrund der sich hier kreuzenden vergeschlechtlichten Ebenen eine besondere Rolle ein. Haushaltsgeräte werden selten direkt für den Haushalt entwickelt – geschweige denn spezifisch zur Zeiteinsparung im Haushalt –, sondern sie entspringen meist industriellen, kommerziellen oder militärischen Technologien und haben somit sehr unterschiedliche Auswirkungen auf häusliche Praktiken (Wajcman 2015: 122). Ihre Adaptierung für die Anwendung im Haushalt erfolgt in einer kapitalistischen Gesellschaft erst nach einigen Reformen, einer Reduktion der Produktionskosten und dadurch möglich werdender Skalierung für die private Anwendung. Ein Beispiel dafür ist die Mikrowellentechnologie, die ein Folgeprodukt von Radartechnologien für die Essenszubereitung in U-Booten der US-Marine ist (ebd.: 123). In einer umfangreichen Studie zu den Geschlechterbeziehungen in der Produktion, Vermarktung und Nutzung der Mikrowelle stellen Cynthia Cockburn und Susan Omrod (1993) diese als eine Technologie heraus, die sich in ihrer vergeschlechtlichten Kodierung wandelt. Ihre zunächst intendierte Haushaltsanwendung – schnelles Kochen und das Aufwärmen von vorgekochten Mahlzeiten – war auf alleinstehende Männer ausgerichtet. Mit ihrer Aneignung durch Frauen wanderte die Mikrowelle vom Elektronikgeschäft für männlich kodierte Spitzentechnologie wie Fernseher und Musikanlagen in die Haushaltsabteilung neben Waschmaschinen und Staubsauger, die weiblich kodierte, funktionale, aber technisch abgewertete Haushaltsgeräte sind (Cockburn/Omrod 1993: 100). Diese Hierarchisierung, durch die die Technizität der Haushaltsgeräte heruntergespielt wird, materialisierte sich im Falle der Mikrowelle im Gerät selbst. In einem Prozess der Enttechnisierung wurden klassische Herdelemente eingebaut, um die Verortung in der Küche zu verdeutlichen, wie die Soziologin Danielle Chabaud-Rychter (2005) herausstellt:

„Diese Enttechnisierung bestand darin, die Rolle der Magnetfeldröhre (die die Mikrowellen hervorbringt) herunterzuspielen und Zubehör zu entwickeln, wie es in klassischen Herden üblich ist, wie etwa ein Rost oder Grillvorrichtungen.“ (Chabaud-Rychter 2005: 80)

Durch ihre Materialität schreiben Technologien wiederum vor, wer sie wie nutzen kann. Im Zuge dessen spricht Chabaud-Rychter von einer „Familienpolitik von Techniken“ (2005: 84) als Teil der gender politics of design. Diese wird zum Beispiel in solchen Küchen sichtbar, in denen nur eine oder zwei Personen gleichzeitig arbeiten können.

Auf der symbolischen Ebene des Verhältnisses von Technik und Geschlecht spielen alltägliche Subjektivierungsprozesse eine entscheidende Rolle. Dabei wird die Bedeutung der Repräsentation von Akteur_innen oder Phänomenen in technischen Prozessen als männlich oder weiblich betont, da jeweils bestimmte Vorstellungen mit geschlechtsspezifischen Zuschreibungen verbunden sind. Somit werden Geschlechtssubjektivität und -identität in soziotechnischen Systemen ausgehandelt (Cockburn/Omrod 1993: 40). Cockburn und Omrod stellen mitunter fest, dass Kochen trotz des vielfältigen Einsatzes von Technologien selten als etwas Technisches verstanden wird. Dies sei auf die Assoziation mit dem weiblichen Geschlecht und dem privaten Raum des Zuhauses zurückzuführen. Demgegenüber stellen sie Kochen als technischen Prozess heraus: „Cooking, as much as engineering, is a technology. It involves using tools to transform matter. It is a production process. It involves special knowledge.“ (Ebd.: 98)

Symbolische Ausschlüsse und materielle Veränderungen prägen die Mensch-Technik-Beziehungen im Haushalt. Neue, eigensinnige Aneignungen technologischer Verfahren können hier auf mögliche Widerstandsformen und Verweigerungspraktiken hinweisen. Wie bei der Aneignung der einschränkenden Architektur von Küchen oder dem Wandel der Mikrowelle zu sehen, entstehen unter Umständen neue Modelle und Technikformen in ihrem jeweiligen Anwendungskontext. So kann theoretisch

„[j]ede neue Technologie […] immer auch Anlass sein, Macht- und Geschlechterverhältnisse neu zu verhandeln sowie Instabilitäten in sozialen Ordnungen zu erzeugen, und so z. B. vergeschlechtlichte Rollenzuschreibungen und Arbeitsteilungen aufzuweichen und in Bewegung zu bringen“ (Carstensen 2018: 309).

Gleichzeitig werden neue Technologien in den herrschenden Arrangements auf spezifische Weise definiert und können ebenso die Hierarchien des strukturierenden Geschlechterverhältnisses aufrechterhalten. Ein Verständnis von Techniken als Soziotechniken kann aufzeigen, wie Mensch-Technik-Beziehungen auf struktureller, symbolischer und materieller Ebene hierarchisiert sind, und offenlegen, wo möglicherweise Aneignungen stattfinden können.

Im Hinblick auf die sich verändernden Verantwortlichkeiten für Hausarbeit mit der Technisierung von Küchen und in Anbetracht der Momente vergeschlechtlichter Mensch-Technik-Beziehungen ergeben sich neue Fragen an aktuelle soziotechnische Systeme im Wohnraum:

  1. Bezüglich der geschlechtlichen Arbeitsteilung: Wie wird vergeschlechtlichte Arbeit über Technologienutzung definiert und welche Grenzen werden dabei gezogen? Welche Ansprüche und Bedürfnisse werden durch neue Technologien erzeugt, und welche neuen Verantwortlichkeiten entstehen? Welche nicht-intendierten Effekte entstehen in den Mensch-Technik-Beziehungen?
  2. Bezüglich der Materialität der Technologien: Wie werden die Technologien durch die herrschenden Geschlechterarrangements geformt? Welche Annahmen über die Nutzung gibt ihr Design vor?
  3. Bezüglich der Wohnräume: Wie konstruieren die Mensch-Technik-Beziehungen und die Wohnräume einander gegenseitig? Auf welche Haushaltskonstellationen und Wohnformen sind die Technologien ausgerichtet und wie werden sie dort genutzt? Welche (Un-)Sichtbarkeiten von Haus- und Sorgearbeit werden in den Mensch-Technik-Beziehungen erzeugt?

In Abschnitt 2 nähere ich mich diesen Fragen auf der Grundlage meiner eigenen empirischen Untersuchung zur Vergeschlechtlichung von Thermomix-Praktiken.

2. Vergeschlechtlichte Thermomix-Praktiken

Um zu verstehen, welche Bedeutung die zunehmende Technisierung für vergeschlechtlichte Mensch-Technik-Beziehungen im Haushalt hat, habe ich eine qualitative Untersuchung der multifunktionalen Küchenmaschine Thermomix durchgeführt. Wie die Mikrowellen-Studie (Cockburn/Omrod 1993) gezeigt hat, kann die eingehende Untersuchung der Praktiken rund um ein bestimmtes Haushaltsgerät die sich wandelnden Momente der Beziehung von Technik und Geschlecht sichtbar machen. Die Mikrowelle hat sich deshalb so gut als Untersuchungsgegenstand geeignet, da sie zum Zeitpunkt der Studie bereits in Haushaltsroutinen etabliert war (ebd.: 16). Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie ist der Thermomix, eine 1971 in Deutschland entwickelte Küchenmaschine, die heute als „Küchenklassiker“ (Kindermann 2018) bezeichnet wird. Ihre Hauptfunktionen sind das gleichzeitige Zerkleinern und Erhitzen, die im Laufe der Zeit durch weitere Funktionen ergänzt wurden und seit einigen Jahren auch digitale Eigenschaften wie das automatisierte Senden einer Einkaufsliste an ein Smartphone umfassen. Der Thermomix verspricht die Optimierung eines stressigen Alltags, in dem trotzdem gesund und lecker gekocht werden kann. So reiht er sich in die von feministischer Seite vielfach analysierten und kritisierten technologischen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen, wie die Doppelbelastung von Frauen, ein. Meine Forschungsfrage lautete: Welche Bedeutung hat der Thermomix für vergeschlechtlichte Praktiken in der Küche? Digitalisiertes Kombinations-Kochen wurde dabei als Schauplatz technologischen Wandels und der Aushandlung von Geschlechterbeziehungen verstanden.

Mein Fokus auf vergeschlechtlichte Mensch-Technik-Beziehungen in alltäglichen Praktiken im Wohnraum geht über Zeitbudgetanalysen und Fragen nach den verteilten Verantwortlichkeiten geschlechtlicher Arbeitsteilung der frühen Technikstudien hinaus. Vielmehr habe ich vergeschlechtlichte Momente und Aneignungen sowie räumliche, materielle und symbolische Verortungen der Geräte in alltäglichen Praktiken in den Vordergrund gestellt. Alltägliche Praktiken machen das Zuhause zu dem, was es ist. Sie formen materielle und soziale Beziehungen, und in ihnen spiegeln sich gesellschaftliche Anforderungen wider. Um die Einbindung von Technologien in alltägliche Praktiken und ihre Mitgestaltung sozialer Ordnungen zu untersuchen, plädieren Pink et al. (2016) für ethnographische Methoden. Durch die Teilnahme der Forschenden an alltäglichen Routinen erfassen sie, was die Beobachteten tatsächlich tun und fühlen (ebd.: 46). In den STS haben praxeologische Ansätze bereits Anwendung gefunden, indem darüber reflektiert wurde, wie Beziehungen mit Technologien durch Praktiken hergestellt werden und diese wiederum beeinflussen (ebd.: 43).

Über persönliche Kontakte habe ich im Herbst 2019 ein „Schneeballverfahren“ ausgelöst, um mit Thermomix-Nutzer_innen in Kontakt zu kommen. Mit acht sich als weiblich identifizierenden und drei sich als männlich identifizierenden Personen aus insgesamt sechs Haushalten habe ich zwischen dem 6. November und dem 30. Dezember 2019 leitfadengestützte Interviews geführt. Die Personen waren zu dem Zeitpunkt zwischen 21 und 62 Jahren alt und alle bis auf eine Person mindestens in Teilzeit berufstätig. Die Haushaltskonstellationen umfassten zwei Wohngemeinschaften mit ausschließlich weiblichen Bewohnerinnen, drei heterosexuelle Paarhaushalte und eine Familie mit einem heterosexuellen Paar und zwei Kindern. Ich habe nach Möglichkeit alle Personen des Haushalts jeweils einzeln befragt, um Unterschiede in der Nutzung und den Bezügen zur Technologie festzustellen. Im Sinne des zugrunde liegenden ethnographischen Forschungsansatzes fanden die Gespräche in den Wohnungen – wenn möglich in den Küchen – der Nutzer_innen statt. Dabei wurden der Thermomix und dessen Zubehör an ihrem Platz gezeigt und das Gerät wurde auseinander- und wieder zusammengesetzt. Die Entscheidung für die Interviewpartner_innen war bewusst auf keine spezifisch eingegrenzte Gruppe gelegt, um die Techniknutzung in verschiedenen Arrangements nachzuvollziehen. Ausschlaggebende Gemeinsamkeit der Haushalte war, dass alle schon seit mindestens einem halben Jahr einen Thermomix oder eine Thermomix-Alternative nutzen, denn ich ging davon aus, dass das Gerät so bereits in alltägliche Routinen integriert wäre.

Um Hinweise darauf zu finden, inwiefern der Thermomix die Anforderungen an das Kochen und die kochenden Personen beeinflusst, wie sich die Personen zum Gerät in Beziehung setzen und wie der Thermomix in Haushaltsroutinen eingebunden ist, standen Fragen zum Gerät und seiner Anschaffung sowie zu alltäglichen Koch- und Haushaltsroutinen und ihrer Organisation zwischen den Haushaltsmitgliedern im Vordergrund. Durch den offenen Charakter des Leitfadeninterviews konnten die Personen zusätzlich eigene Schwerpunkte setzen. Die kurze Abfrage der persönlichen Daten und eine Einschätzung der verrichteten Hausarbeit erfolgte über einen standardisierten Fragebogen. Anschließend an die Gespräche habe ich jeweils Gedankenprotokolle und eine Skizze der Wohnräume angefertigt. In zwei Haushalten, einem WG- und einem Paarhaushalt, habe ich außerdem einen Abend verbracht und gemeinsam mit den Bewohner_innen und dem Thermomix gekocht. Durch die Teilnahme am Kochprozess konnte ich die einzelnen Schritte, Entscheidungen, Gestaltungsvorlieben, aber auch die gebaute Umwelt und die Bedeutung des Gerätes darin und für die kochenden und wohnenden Menschen genauer nachvollziehen. Die Auswertung des Materials erfolgte anhand der Transkripte und Protokolle zunächst induktiv. Anhand der theoretischen Begriffe in Bezug auf die Beziehung zwischen Technik und Geschlecht wurde zudem ein Kodierschema erstellt, mithilfe dessen die Einzelauswertungen abstrahiert wurden.

Als Antwort auf die Frage, welche Bedeutung der Thermomix für vergeschlechtlichte Praktiken im Haushalt hat, haben sich in den Interviews und an den Kochabenden zwei zentrale Thesen herauskristallisiert. Erstens wird die Verantwortung für Arbeit im Haushalt über vergeschlechtlichte Momente in den Mensch-Technik-Beziehungen definiert und legitimiert. Diese Momente werden in symbolischen Bezügen und in der Materialität des Geräts selbst deutlich. Zweitens wird dabei der räumlichen Verortung der Technik in der weiblich assoziierten Küche eine besondere Bedeutung zuteil, die eine Abwertung von Hausarbeit und Weiblichkeit reproduziert. Im Folgenden verdeutliche ich dies anhand einiger Beispiele, um anschließend Schlussfolgerungen hinsichtlich meiner Fragestellung zu ziehen.

2.1. Garzeit als Freizeit? Die Gestaltung vergeschlechtlichter Arbeit mit dem Thermomix

Die Mitgestaltung der Verantwortung für Arbeit im Haushalt durch den Thermomix zeigt sich in den symbolischen Bezügen zum Gerät seitens der Nutzer_innen. Mit der vermeintlichen Eigenständigkeit des zunehmend digitalisierten Geräts sind geschlechtsspezifische Hoffnungen der Umverteilung von Hausarbeit verbunden. Während die arbeitserleichternden Eigenschaften des Thermomix – ähnlich wie in den Studien zu elektrischen Geräten – durch erweiterte Möglichkeiten neue Anforderungen produzieren und somit letztlich kaum Zeit oder Arbeit gespart werden, beschreiben mehrere Interviewpartner_innen dennoch ein Gefühl der Verantwortungsabgabe an das Gerät. Natalie meint, es sei „irgendwie ein schönes Gefühl, wenn dein Essen so läuft und du wartest so dadrauf. Und denkst dir so: Aah. Dann riecht es irgendwann danach.“ (Interview mit Natalie, 4. Dezember 2019)

Die Tatsache, dass der Thermomix „läuft“ und etwas erhitzt, nach Ablauf der vorher bestimmten Zeit durch Piepsen darauf aufmerksam macht und den Kochvorgang anhält, erzeugt Momente, in denen die Kochsituation verlassen werden kann. Die Tatsache, „nicht mehr nachdenken“ (Interview mit Lilian, 18. November 2019), „nicht wirklich aufpassen“ (Interview mit Sebastian, 25. November 2019) oder „nicht mehr gucken“ (ebd.) zu müssen, suggeriert dann eine gewisse Eigenständigkeit des Geräts. Dadurch haben sich an den Kochabenden immer wieder Situationen ergeben, in denen die Interviewpartner_innen und ich in Ruhe miteinander sprechen konnten, während im Thermomix etwas köchelte. Natalie erzählte, dass sie sogar schon einkaufen gegangen sei, während Essen im Thermomix kochte. Der Wunsch nach weniger Verantwortung, also nicht immer danebenstehen zu müssen, ist somit gleichzeitig ein Wunsch nach räumlicher Entgrenzung. Im Gegensatz zu kleinen, versteckten Arbeitsküchen könnten in kleinen digitalisierten Küchen möglicherweise die Geräte von anderen Räumen der Wohnung aus betreut werden und weniger durch ihre Sichtbarkeit als durch Geräusche oder Nachrichten an ein weiteres Interface wie das Mobiltelefon, Tablet oder die Smartwatch auf sich aufmerksam machen. Die mögliche räumliche Entgrenzung durch den Thermomix ist kein explizit intendierter Effekt der Technologie und kann als Aneignungsmoment interpretiert werden. Tendenzen einer räumlichen Entgrenzung der Kocharbeit zeigten sich in den Interviews und beim Kochen vor allem in Wohnungen mit kleinen Küchen, zum Beispiel, wenn wir die Küche aufgrund weniger Sitzmöglichkeiten verließen, während der Thermomix kochte.

Den Wunsch nach einer Auslagerung der Kocharbeit oder ihrer Organisation äußerten in den Gesprächen hauptsächlich die voll berufstätigen Frauen. Entsprechend den Erkenntnissen aus Studien zur Vergeschlechtlichung des Kochens (vgl. Neuman/Gottzén/Fjellström 2017) sind es häufiger Frauen, die das alltägliche Kochen übernehmen und damit weniger Zeit verbringen wollen, während Männer Kochen als Freizeitaktivität oder Hobby sehen. So erhoffte sich beispielsweise Susanne, durch die Anschaffung einer Thermomix-Alternative zum einen die Kocharbeit zu reduzieren und mehr Zeit für die Familie zu haben, und zum anderen, die als ungerecht wahrgenommene Verteilung der Kocharbeit auszugleichen:

„Ja, im Prinzip will man … ist die Hausarbeit lästig und will sich die Arbeit vereinfachen. Wir hatten … oder ich hatte den Hintergedanken, zum einen, dass ich, während ich die Kinder abhole oder schon irgendwas im Haushalt tue, zeitgleich eben das Kochen von allein geschieht.“ (Interview mit Susanne, 12. November 2019)

In Susannes und Matthews Haushalt war die Anschaffung des Geräts Susannes Idee; sie ging aber davon aus, dass ihr Partner an dem Gerät interessiert sein würde: „Und gleichzeitig tatsächlich auch, hatte ich die Hoffnung, dass man sich diesen Bereich auch mehr teilt. Und eben Matthew mich auch mehr unterstützt.“ (Ebd.) Demgegenüber will Matthew lieber selbst kochen und dies nicht dem Thermomix überlassen.

In den befragten Haushalten hat sich durch die Anschaffung des Thermomix nichts an der jeweiligen Verteilung der Kocharbeit verändert, unabhängig davon, ob dies vorher antizipiert worden war oder nicht. Da, wo eine Umverteilung erhofft wurde, war auffällig, dass die neue Technologie dafür sorgen sollte, und nicht etwa ein neuer Kochplan in der WG oder Familie. So wurden Aushandlungsprozesse eher auf das Gerät übertragen und ein Nichtgelingen dem Scheitern des Geräts oder einem Desinteresse am Gerät zugeschrieben. Daraus folgt letztlich, dass in diesen Beispielen Aushandlungsprozesse über die Verteilung der Kocharbeit zwischen den Personen verstummen und die aktuelle Verteilung der Arbeit durch den Thermomix legitimiert und zementiert wird. Aussagen über die Eigenständigkeit des Thermomix verschleiern dabei lediglich die jeweils eigene Arbeit.

Darüber hinaus werden in der Materialität des Geräts selbst spezifische Vorstellungen von Kochen und Haushaltsführung reproduziert. Beim Thermomix ist, wie bei der Mikrowelle, die Bestimmung der Technologie schon in ihrer Erscheinung angelegt. Die Familienpolitik des Thermomix ist auf höchstens vier Personen, für die pro Mahlzeit gekocht werden kann, ausgerichtet. Die Größe des Mixtopfs basiert also auf der typischen Personenzahl einer Kleinfamilie. Somit bestimmt das Fassungsvermögen des Thermomix, für wie viele Menschen gekocht werden kann, was die Gesprächspartner_innen als negativ bewerteten, wenn zum Beispiel für mehr Gäste gekocht werden sollte.

Neben diesen Einschränkungen bietet das Gerät durch seine Eigenschaften neue Möglichkeiten, aufwendige Gerichte zu kochen oder selbst zu machen, die man sonst als Fertigprodukte gekauft hätte. Theresa sieht darin eine Chance: „In diesem Hype, von wegen alles mal so selber machen, regionale Produkte, saisonal und so. Da kann das schon unterstützend wirken. Weil das halt diese Hemmungen und Angst so nimmt, das selber zu machen.“ (Interview mit Theresa, 4. Dezember 2019) Die Küchenmaschine prägt folglich die Kriterien, nach denen das Essen bewertet wird: ausgefallen, gesund, frisch, selbst gemacht (anstelle von gekauft und konserviert) – und die Konsistenz der Speisen: am besten fluffig und cremig. Letztlich werden im Zusammenhang mit dem Thermomix Bedürfnisse nach gesundem, vielfältigem Essen erst (mit) hervorgebracht. Die entstehenden Ansprüche sind dabei in gesellschaftliche Normen und Trends eingebettet und nicht losgelöst von diesen zu betrachten. Gesundheits-, Lifestyle- und Kochtrends werden auf den Thermomix übertragen und durch diesen aufrechterhalten oder sogar verstärkt.

Aneignungsmomente finden hauptsächlich im Kleinen, innerhalb der dennoch stark routinierten und vergeschlechtlichten Kochpraktiken, statt. Die Erfahrungen der Nutzer_innen haben bereits zu technologischen Anpassungen geführt, da das Fassungsvermögen des Thermomix mit jedem Modell vergrößert wurde. In einem wechselseitigen Prozess werden dadurch wieder neue Aneignungen erforderlich, da die auf das größere Modell ausgerichteten Rezepte nur durch Mengenanpassung mit den älteren Modellen durchgeführt werden können. So wird der Thermomix durch soziale Beziehungen konstituiert und erhält diese selbst aufrecht.

2.2. „… although I like technology, I just wasn’t really interested in it“

Insgesamt spielt die Abwertung von Weiblichkeit und von Technizität im Raum Küche eine bedeutende Rolle für die spezifische soziotechnische Konstellation, in die der Thermomix eingebunden ist.

„And then in the same sense with the Thermomix, it was not something that interested me, because I do the food prep myself and I find it for me it’s actually something that’s … that can be almost … puts me in a meditative state. That I can sit there and just sit in the kitchen and cook. I’ve got music on, I do all of the cutting and the idea of the Thermomix and doing that, although I like technology … I just wasn’t really interested in it.“ (Interview mit Matthew, 12. November 2019)

Aus Matthews Sicht ist Kochen ein meditatives und entspannendes Erlebnis, in das der Thermomix nicht hineinpasst. Im Gegensatz zum Staubsaugen muss beim Kochen aus Matthews Sicht keine Zeit gespart werden. Theresa, die das Kochen eher als Arbeit versteht, sieht das anders. Sie findet, dass es manchmal „einfach nur schnell gehen“ soll (Interview mit Theresa, 4. Dezember 2019), wobei der Thermomix unterstützend sein könne. Man müsse ja „nicht aus jedem Kochen ein Event machen“ (ebd.). Die Einordnung der Kochaktivitäten in Arbeit oder Freizeit ist also stark geschlechtsspezifisch bestimmt und entspricht in den befragten Haushalten häufig einer traditionellen Rollenverteilung. Damit bekommt auch der Thermomix selbst jeweils eine spezifische – vergeschlechtlichte – Bedeutung, irgendwo zwischen einem praktischen Alltagsgerät und einem zu technischen Schnickschnack, um damit der meditativen Freizeitbeschäftigung nachzugehen.

Der Thermomix wird über derartige Einordnungen vergeschlechtlicht kodiert. Die Technizität wird nicht in den Vordergrund gestellt, dennoch ist er mehr als ein rein funktionales Gerät. Seine Einschätzung als „cooles Gimmick“ (Interview mit Mona, 6. November 2019) bis hin zu „ein digitales Kochbuch und ein digitaler Kochtopf“ (Interview mit Gaby, 30. Dezember 2019) verschiebt sich unter anderem entlang der Erfahrung, die man bereits mit ihm sammeln konnte. Das heißt, die Personen, die den Thermomix für sich und ihre Rezepte zu nutzen wissen, empfinden ihn eher als durchschaubar denn als kompliziert. Er wird einerseits als Spielzeug bezeichnet – also eher wie ein hochtechnisches, männlich kodiertes Gerät –, aber als „Thermi“ (Interview mit Theresa, 4. Dezember 2019) andererseits verniedlicht.

Die Roboterhaftigkeit und der Preis des Thermomix sind darüber hinaus Eigenschaften, die ihn zu etwas Besonderem machen. Natalies Gäste sind überrascht von ihrer „Luxus-WG mit ’nem Thermomix“ (Interview mit Natalie, 4. Dezember 2019), und Matthew betont grundsätzlich das „prestige thing about it“ (Interview mit Matthew, 12. November 2019), wenn ein Roboter Arbeit für ihn erledigt. Das gilt allerdings mehr für den Staubsaugerroboter als für den Thermomix. Ersterer wird im Vergleich zum Thermomix in den Gesprächen mit drei der sechs Haushalte anders kodiert. Hier sind das roboterhafte Aussehen und seine Eigenschaft, fast durch die gesamte Wohnung fahren zu können, ausschlaggebend für seine Einschätzung als hochtechnisches Gerät. Demgegenüber ist der Thermomix als unbewegliches Gerät fest im Raum Küche verankert.

In den Gesprächen kristallisiert sich Kochen vordergründig als weiblich konnotierte Tätigkeit heraus. Mütter, Tanten, Omas, Thermomix-Vertreterinnen und -Bloggerinnen sind die Expertinnen für den Thermomix und werden zum Beispiel bei Fragen zur Handhabung der Küchenmaschine noch vor der Google-Suche zurate gezogen. So setzen sich die Nutzer_innen nicht nur in Bezug zu dem Gerät, sondern auch zu den Personen, die sie kennen, die den Thermomix nutzen oder von denen sie seine Anwendung gelernt haben. Dabei bleibt der Thermomix mit dem Bild der Frau verbunden, die für das Familienkochen verantwortlich ist. Theresa macht die Assoziation explizit: „Wenn ich jetzt irgendwie ’ne Hausfrau wäre, würd’ ich den vielleicht noch öfter benutzen.“ (Interview mit Theresa, 4. Dezember 2019) Sebastian erzählt überdies, dass sich seine männlichen Arbeitskollegen über den Thermomix lustig machten. Während der Forschung konnte ich mir selbst das Schmunzeln manchmal nicht verkneifen, wenn ich vom Thema Technisierung auf die Küchenmaschine schwenkte. Durch seine Verortung in der Kleinfamilienküche wird der Thermomix in den Gesprächen als Küchentechnologie insgesamt abgewertet. Im weiblich assoziierten Haushalt wird seine Technizität von den Gesprächspartner_innen heruntergespielt, ähnlich wie es bei der Mikrowelle der Fall ist. Der Thermomix wird zwar aufgrund seiner guten Zerkleinerungsfunktion über den Privathaushalt hinaus in professionellen Küchen verwendet, allerdings ist seine intendierte Funktion – die des effizienten und gleichzeitig gesunden bis aufwendigen Kochens – explizit auf die bessere Vereinbarung von Berufs- und Familienleben ausgerichtet und trägt im Anwendungskontext der heterosexuellen Paarbeziehung oder Kleinfamilie zur Legitimierung der Doppelbelastung von Frauen bei.

Die Praktiken rund um den Thermomix werden einerseits durch das Gerät selbst und die symbolischen Bezüge der Nutzer_innen zu ihm, und andererseits durch die herrschenden Arrangements bestimmt. So werden Grenzen innerhalb vergeschlechtlichter Arbeitsteilung definiert und legitimiert. Ausschlaggebend für seine vergeschlechtlichte Nutzung ist in den befragten Haushalten seine Verortung in der Küche. Zu den strukturellen, symbolischen und materiellen Ebenen der Mensch-Technik-Beziehungen kommt also eine räumliche Komponente hinzu. Bei der Betrachtung möglicher Aneignungen und Entgrenzungen tut sich jedoch ein Widerspruch auf: Während des Kochens mit dem Thermomix entstehen Momente, in denen die Kochsituation verlassen werden kann. Aufgrund der gelegentlichen Eigenständigkeit des Geräts, das automatische Anhalten und die hörbaren Signale kann das Kochen in der Küche stattfinden, während sich die verantwortliche Person in anderen Räumen aufhält. Auch wenn das Gerät nicht mobil ist, macht es eine gesteigerte Bewegungsfreiheit der kochenden Person(en) möglich. Damit verliert die physisch-materielle Verräumlichung in der Küche an Bedeutung. Die symbolische Bedeutung als weiblich assoziierter und abgewerteter Ort der Hausarbeit ist jedoch ausschlaggebend für die Abwertung des Thermomix selbst. In Anbetracht der zunehmenden Digitalisierung des Geräts – etwa die Kommunikation über das Smartphone, zum Beispiel vom Supermarkt aus – und alternativer Nutzungen sind einerseits Entgrenzungen möglich und die funktionale Trennung der Wohninnenräume wird infrage gestellt; andererseits verhärten sich alte Grenzen geschlechtlicher Arbeitsteilung innerhalb des Wohnraums.

3. Küchentechnik ist politisch: Mensch-Technik-Beziehungen zwischen Verräumlichung und Entgrenzung

Letztlich verschwimmen bei der Betrachtung des Thermomix als Soziotechnik im vergeschlechtlichten Haushalt Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sowie zwischen Mensch, Arbeit und Technik auf subtile Weise. Gleichzeitig verfestigen sich mit der Nutzung des Geräts Grenzen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung wie die Doppelbelastung von Frauen, denn diese wird durch die Technik legitimiert und unsichtbar gemacht. Auch der Thermomix trägt zu den verschleiernden und individualisierenden Effekten der Haushaltstechnisierung bei. Mensch-Technik-Beziehungen werden nicht nur durch geschlechtliche Arbeitsteilung als Referenzrahmen bestimmt, sondern erzeugen diese selbst in spezifischen räumlichen Kontexten. Da neue Technologien das Potenzial haben, räumliche Grenzen zu überwinden, aber gleichzeitig Arbeit unsichtbar machen können, stellt sich nun die Frage, wie ihre Eigenschaften genutzt werden könnten, um mögliche neue Sichtbarkeiten für eine emanzipatorische Techniknutzung zu erzeugen. In Anbetracht vergeschlechtlichter Thermomix-Praktiken sollten zur Beantwortung dieser Frage sowohl physisch-materielle als auch symbolische Aspekte herangezogen werden. Über die Effekte der Verschiebungen der funktionalen Trennung zwischen den Wohninnenräumen mit zunehmender Technisierung haben die Gespräche zwar nur wenig Aufschluss gegeben. Der Einbezug der Wohnungsgrundrisse in die Analyse der Interviews ist jedoch ein Anhaltspunkt, um weiter über die Wechselwirkungen zwischen physisch-materiellen Räumen und Mensch-Technik-Beziehungen nachzudenken. Daran anschließend stellen sich neue Fragen nach den Bedürfnissen von Haushaltsmitgliedern in Bezug auf ihre Wohnformen und danach, wie eine emanzipatorische Techniknutzung diese unterstützen könnte. Weiterhin müsste eine ökonomische Perspektive auf den Zugang zu Wohnraum und Technologien integriert werden, um die Verschränkung von Machtbeziehungen zwischen Raum, Technik und Geschlecht genauer einzuordnen.

Eine feministische Perspektive auf Mensch-Technik-Beziehungen im Haushalt kann zeigen, wie die Beziehung von Technik und Geschlecht auf struktureller, materieller, symbolischer und räumlicher Ebene im Wechselspiel wirkt. Anhand der Untersuchung von Thermomix-Praktiken habe ich die Bedeutung der räumlichen Wirkungsebene der Küche untersucht und Fragen nach möglichen Verschiebungen in geschlechtlicher Arbeitsteilung und in (Un-)Sichtbarkeiten von Arbeit und Geschlechterverhältnissen in Wohninnenräumen entwickelt. Dabei stellte sich heraus, dass geschlechtliche Arbeitsteilung ebenso wie die Abwertung weiblich konnotierter Tätigkeiten ausschlaggebende Referenzrahmen für die Technologie und ihre Nutzung bleiben. Der von den Interviewpartnerinnen geäußerte Wunsch, Verantwortlichkeiten umzuverteilen, kann durch die Technik allein nicht gelöst werden. Aushandlungsprozesse über die Integration des Thermomix in die gewünschten Abläufe blieben offen oder waren nicht vorhanden. Hier lässt sich mitunter erkennen, wie wirkmächtig vergeschlechtlichte Arrangements in unserer Gesellschaft sind, in die neue Technologien Einzug halten. Mit Rückgriff auf historische Entwicklungen gesellschaftlicher Techniknutzung zeigen sich Zusammenhänge zwischen sozialen Ordnungen und neuen Technologien. Feministische STS leisten dazu einen wichtigen Beitrag, indem sie Techniken als soziale Verhältnisse fassen und Momente der Beziehung zwischen Technik und Geschlecht auf mehreren Wirkungsebenen konzeptualisieren. Wie die Geschichte der Küchendesigns gezeigt hat, wandeln sich diese in Aushandlungen zwischen gebauter Umwelt, Technik, Nutzer_innen und Architekt_innen. Um emanzipatorische Techniknutzung zu fördern, reicht es folglich nicht, neue, digitalere Technologien mit immer mehr Funktionen auf alltägliche Praktiken aufzulegen. Stattdessen muss das Zusammenspiel der Wohnungsgrundrisse, der Bedürfnisse aller Bewohner_innen und der Technologie in den Praktiken der Techniknutzung und -entwicklung mitberücksichtigt werden. Das heißt, dass es einerseits ohne Emanzipationswunsch keine entsprechende Nutzung gibt und dass andererseits Geräte bestenfalls gemeinsam mit Nutzer_innen entsprechend ihren Bedürfnissen und ihrer Wohnumgebung entwickelt werden müssen.

Aus feministischer Perspektive ist Technisierung so spannend, weil an ihr Grenzen zwischen Produktion/Reproduktion, Arbeit/Konsum, aktiv/passiv, öffentlich/privat oder männlich/weiblich infrage gestellt und evaluiert werden können. Während Technologien als Teil der Aufrechterhaltung des modernen Haushalts Geschlechterungleichheiten manifestieren, treffen dort gesellschaftliche Normen, tatsächliche Praktiken und Materialitäten aufeinander, die immer von Widersprüchen gekennzeichnet sind. Neben Fragen nach emanzipatorischen Aushandlungen von Technik und Geschlecht im Haushalt bleibt das Ziel, vermeintlich private Technikverhältnisse auf eine gesellschaftliche Ebene zu heben und somit die Verwobenheit technischer Geschlechterbeziehungen zu verstehen, relevant. Küchentechnik ist politisch!

 

Dieser Artikel wurde durch Mittel des Open Access-Publikationsfonds der Universität Jena gefördert.

Endnoten

Autor_innen

Marlene Hobbs ist Sozialgeographin und beschäftigt sich mit Feministischer Geographie, Geographischer Wohnforschung und Digitalisierung.

marlene.hobbs@uni-jena.de

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