Replik

Walter Siebel

Jan Wehrheim (2013) nennt zwei gegensätzliche Gründe, aus denen alte Artikel von Interesse sein könnten: weil sie heute noch gültige Aussagen enthalten, oder weil ihre Problemdefinitionen und Kategorien, gerade weil sie überholt sind, dazu dienen können, neue Zugänge zum Gegenstand der Forschung zu präzisieren. Was an unserem Aufsatz heute noch gültig sei, wird in den Kommentaren ausführlich angesprochen. Auch kann ich den darin angedeuteten Forschungsperspektiven überwiegend zustimmen. Eine produktive Auseinandersetzung damit würde einen sehr langen Aufsatz zur Folge haben. Es scheint mir deshalb sinnvoller, mich auf die Lücken unseres damaligen Diskussionsbeitrags zu konzentrieren und darauf, was heute anders formuliert werden müsste. Zum Schluss will ich etwas ausführlicher eingehen auf die für uns zentrale Diskussion über das Verhältnis von kritischer Stadtsoziologie und einer am Informationsbedarf des politisch-administrativen Systems (PAS) orientierten Stadtplanungssoziologie.

Wir haben vieles nicht erwähnt und manches auch nicht vorausgesehen: die Rolle der Immobilienwirtschaft, der Wandel von der Industrie zur Dienstleistungs- und Wissensökonomie, die Rolle der Geschlechterverhältnisse. Wir haben kein Wort über den demographischen Wandel verloren, geschweige denn von Deindustrialisierung und Schrumpfung geschrieben; von einer möglichen Renaissance der Städte ist nirgends die Rede, im Gegenteil, Suburbanisierung wird als auch in der Zukunft dominanter Trend unterstellt. Begriffe wie soziale Polarisierung und Ausgrenzung, die als neue und verschärfte Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit in der heutigen Stadtdiskussion eine zentrale Rolle spielen, kommen gar nicht vor. Über all das haben wir selber später viel und ausführlich geschrieben[1], aber in diesem Aufsatz ging es uns um Programmatisches: Wenn die Stadtsoziologie Soziologie sein will, muss sie Anschluss an die zentralen Fragen der Soziologie halten. Wenn sie Wissenschaft sein will, darf sie die Thematisierungskompetenz nicht der Planungspraxis überlassen. Wenn sie kritische Wissenschaft sein will, muss sie die Stadt als eine von der bestehenden Gesellschaft, ihren ökonomischen und sozialen Strukturen geprägten Gegenstand analysieren. Und wenn sie politisch sein will, muss sie die Stadt als einen auch von der Politik und von gesellschaftlichen Interessen konstituierten Gegenstand verstehen.

Blinde Stellen in wissenschaftlichen Arbeiten haben mit subjektiven Mängeln zu tun, aber nicht nur. Max Weber hat der Soziologie „ewige Jugendlichkeit“ attestiert, weil sich Gesellschaft laufend ändert. Anders als in den Naturwissenschaften kann Soziologie nicht hoffen, ihrem Gegenstand in geduldiger Forschungsarbeit allmählich näher zu kommen. Sie kann froh sein, wenn der Abstand nicht größer wird, und dazu muss sie ihre Fragestellungen, ihre Begriffe und Erklärungen laufend ändern. Wenn sich die Stadtsoziologie und die Soziologie generell in den letzten 35 Jahren verändert haben, so ist dies, wie Wehrheim schreibt, deshalb doppelt zu analysieren: als Veränderung ihres Gegenstands und als Veränderung der Soziologie selber, die im Zuge methodischer und theoretischer Fortschritte ihre theoretischen Prämissen, Fragestellungen und Erhebungsinstrumente laufend verändert hat.

Die Lücken des Aufsatzes sind also nicht nur auf die programmatische Absicht des Aufsatzes zurückzuführen sondern auch auf den Wandel des Gegenstandes; aber eben auch auf eine Beschränkung des Blicks, d. h. auf die mehr oder weniger expliziten Vorannahmen, die in die von uns verwendeten Begriffe eingelassen sind. Heutige stadtsoziologische Argumentationen bedienen sich eines anderen Vokabulars. Aber ein Wechsel des Vokabulars ist nicht nur ein Wechsel der Sprache. Eine andere begriffliche Sprache begreift auch Anderes. Wir haben noch mit Begriffen aus der marxschen Theorie operiert, die damals schon wenig mit der Realität zu tun hatten, aber in aller Munde waren, jedenfalls bei sich explizit als kritisch verstehenden Sozialwissenschaftlern. Sehr zu recht wird die aus heutiger Sicht naive oder auch romantisierende Rede von einer Arbeiterklasse kritisiert. Und wir haben von der Industriegesellschaft geredet, als der Umbruch zur postindustriellen Gesellschaft längst stattfand. Der Aufsatz ist in der Tat auch „ein Kind seiner Zeit“ (Gestring 2013). Aber wenn Johanna Hoerning (2013) schreibt, er leide „unter einer Verkürzung auf die spezifische Situation der europäischen industriellen (Spät-)Moderne“, so ist das zutreffend und zugleich falsch: Ich halte solche Verkürzung für notwendig. Über Stadt kann immer nur im Hinblick auf eine bestimmte Gesellschaft in einer bestimmten historischen Epoche empirisch gehaltvoll gesprochen werden. Die Kritik an einem ahistorischen Stadtbegriff, wie ihn Louis Wirth versucht hat, ist gerade einer der zentralen Punkte unseres Aufsatzes.

Norbert Gestring kritisiert unsere Auseinandersetzung mit Hans Paul Bahrdt. Wir haben in der Tat in einer allzu schnellen Ideologiekritik das kritische, um nicht zu sagen utopische Potenzial der Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit übersehen. Die Kritik daran trifft zwar zu, soweit sie darauf hinweist, dass ein Modell bürgerlichen Lebens zur Grundlage einer Theorie von Stadt gemacht wird. Sie greift aber zu kurz, wo sie übersieht, dass auch Marx die bürgerlichen Ideale nicht etwa abschaffen wollte. In der marxschen Utopie sollten sie nur auf materielle Füße gestellt werden. Und schließlich: wenn Sybille Bauriedl (2013) uns vorhält, wir hätten „die Debatten der feministischen Stadtforschung seit Ende der 1970er Jahre“ nicht aufgenommen, so hat sie auch recht. Ich kann zu unserer Entlastung nur anführen, dies wäre uns auch schwer gefallen. Unser Aufsatz ist 1978 erschienen, die früheste von ihr erwähnte derartige Publikation aber erst 1984. Das ändert allerdings nichts an unserer Blindheit. Dass das Geschlechterverhältnis als eine dominante Dimension sozialer Ungleichheit in die Struktur der Städte eingeschrieben ist, hätte uns ja auch selbst auffallen können. Bei den von Bauriedl genannten Perspektiven künftiger Stadtforschung habe ich allerdings den Eindruck, dass sie noch etwas zu eng an der feministischen Kritik der Suburbanisierung orientiert sind und übersehen, welche Rolle gerade die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt bei der „Renaissance“ der Städte und den damit verbundenen Prozessen der Gentrifizierung spielt.

1978 ist schon recht lange her. In 35 Jahren ändert sich manches, die Gesellschaft, die Stadt, die Stadtpolitik, die Stadtforschung und nicht zuletzt man selber. Und zugleich ändert sich wenig. Wir haben unser Editorial zu dem Heft des Leviathans, in dem der hier wieder abgedruckte Aufsatz erschienen ist, mit dem Satz begonnen: „Die Formel von der ‚Krise der Stadt‘ ist schon so abgeklappert, daß man sie kaum noch zu gebrauchen wagt“. Das gilt heute erst recht. Und die Krise tut obendrein seit 35 Jahren immer nur dasselbe: Sie verschärft sich laufend, und das gilt für alle ihre Aspekte: für die Handlungsspielräume kommunaler Politik, die Segregation, den Verlust an urbaner Kultur… Wäre es nicht an der Zeit, dass die Stadtforschung nach den Faktoren fragt, die die deutschen Städte trotz all dieser Krisen funktionsfähig gehalten haben? Wenn in manchen Städten bereits 40% der Bewohner Migrationshintergrund haben, weshalb dann gibt es hier weniger Konflikte als in französischen, englischen oder amerikanischen Städten? Was befähigt eine Gesellschaft, noch dazu eine, in der ein eliminatorischer Rassenwahn 12 Jahre lang an der Macht war, vergleichsweise so gelassen mit so viel Fremdheit umzugehen? Wenn sich der Handlungsspielraum kommunaler Politik stetig verengt, wieso funktionieren die Städte immer noch? Die kritische Soziologie hat sich meist auf krisenhafte Phänomene und damit auf das, was eine Gesellschaft vorantreibt, konzentriert. Sollte sich die Stadtsoziologie nicht auch auf die andere Ursprungsfrage der Soziologie besinnen: Was hält eine Gesellschaft zusammen?

Mit der Frage nach den Faktoren gelingender Integration oder der Stabilität von Stadtquartieren könnten Informationen erarbeitet werden, die eine präventive Stadtpolitik ermöglichen, welche also die krisenhaften Entwicklungen gar nicht erst beginnen läßt, bei denen, wenn sie einmal – häufig teufelskreisartig – in Gang gekommen sind, allenfalls Schadensbegrenzung möglich ist. Solche Fragestellung bestätigt, was in den Kommentaren mit höflicher Zurückhaltung und dankenswertem Takt angesprochen wird: dass Hartmut Häußermann und ich trotz unserer Kritik an der Banalität der Stadtplanungssoziologie uns durchaus um Praxisrelevanz bemüht haben, teilweise sogar direkt in der Praxis tätig geworden sind.

Es gibt handfeste (und legitime) Gründe für eine Orientierung auf den Informationsbedarf des PAS: Geld für Forschung und Arbeitsplätze für Absolventen. Seit 1970 sind vorwiegend in außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch in der planenden Verwaltung Arbeitsmöglichkeiten für Sozialwissenschaftler entstanden, bei denen praxisrelevante Qualifikationen gefragt sind und weniger Grundsatzkritiken, die der Praxis vorhalten, was sie alles nicht leisten kann.

Nun sind die Grenzen der Praxisrelevanz soziologischer Forschung nicht nur die der Soziologie, sondern vor allem die der Praxis [2]. Praktisch relevant ist für den Planer nur die Information, die innerhalb seines Handlungsspielraums auch verwertbar ist. Die Knappheit der Ressourcen Geld, Zeit und Legitimität verengt und verschiebt den Handlungshorizont der Planung gegenüber dem Erklärungshorizont der Soziologie. Wenn aber das politisch Machbare darüber entscheidet, was praktisch relevant ist, wird das Kriterium Praxisrelevanz in dem Maße für das Wissenschaftssystem gefährlich, wie sich der Handlungsspielraum des PAS verengt. Umgekehrt verlieren Forschungsergebnisse, die sich an innerwissenschaftlichen Kriterien orientieren, an Interesse für die Praxis. Zudem ist das PAS nicht nur an Aufklärung interessiert, sondern fördert oder verhindert Forschung durchaus auch aus „gegenaufklärerischen Interessen“ (Offe).

Sich angesichts dieser Tatsachen in den akademischen Elfenbeinturm zurückzuziehen, wäre aber nicht nur aus den oben angeführten pragmatischen Gründen problematisch. Die Soziologie ist eine empirische Wissenschaft. Als solche ist sie doppelt auf die Praxis angewiesen. Zum Einen, weil das PAS einen wesentlichen Teil der Daten, die auch eine kritische Stadtforschung benötigt, produziert und kontrolliert. Wer Stadtpolitik nicht nur an ihren Ergebnissen und damit von außen kritisiert, sondern auch die Mechanismen einer Politik offenlegen will, die zu solchen Ergebnissen führt, für den ist teilnehmende Beobachtung von Nutzen. Das von Hartmut Häußermann entwickelte Monitoring-System für Berlin liefert nicht nur Daten für die Stadtverwaltung. Es bietet zum ersten Mal in der Geschichte der Stadtforschung qualitative und quantitative Informationen aus den verschiedensten Bereichen der Verwaltung wie aus der Statistik für eine differenzierte Längsschnittbeobachtung der Veränderungen der sozialräumlichen Strukturen einer deutschen Großstadt. Zum andern sind politisch-praktische Problemstellungen nicht ohne Bedeutung für die Fortentwicklung sozialwissenschaftlicher Theorie. Theorieentwicklung in der Soziologie ist stets Reaktion auf und Verarbeitung von realen gesellschaftlichen Prozessen. Dazu gehören auch die Problemdefinitionen und Interventionen des PAS. Auch für die soziologische Theorie bietet der Elfenbeinturm nur begrenzte Aussichten. Gerade eine kritische Stadtforschung, die sich von der Politik fernhielte, geriete damit ins Abseits akademischen Räsonierens, denn es gibt wohl kaum einen Gegenstand, der stärker politisch konstituiert wäre als die Stadt.

Gewichtiger aber sind Überlegungen darüber, ob die strukturellen Hürden zwischen dem Wissenschaftssystem und dem Anwendungssystem wirklich so hoch sind, wie wir das vor 35 Jahren eingeschätzt haben. Anders gesagt: Besteht auch heute noch das gleiche „Dilemma zwischen bloßer Auftragsforschung und einer im schlechten Sinne akademischen Wissenschaft“ (Keller 2013)? Ich will vier Argumente dagegen anführen.

Erstens: Die Stadtplanung hat sich geändert. Noch in den 70er Jahren ging es um Verkehrsprobleme, die Zuordnung der „städtischen Funktionen“, um Dichtemaße, technische Ausstattungsstandards und Dachformen. Soziales kam allenfalls als unbeabsichtigte Nebenfolge physisch-technischer Planungen in den Blick. Heute ist von Integration, Segregation, kreativen Milieus, Ausgrenzung, von Bildungsproblemen, der ethnischen Ökonomie und der Zugänglichkeit des lokalen Arbeitsmarkts die Rede. Kurz: die Probleme der Stadtplanung werden nicht mehr ausschließlich in technischen und physisch-räumlichen Kategorien definiert, sondern mehr und mehr in sozialen. Die kommunale Politik kommt also den Problemdefinitionen der Sozialwissenschaften näher. Zu diesem Wandel hat die Stadtsoziologie selbst beigetragen, indem sie Deutungsmuster und Kategorien bereitgestellt hat, um die Veränderungen der städtischen Wirklichkeit überhaupt wahrnehmen zu können. Aber entscheidend war der steigende Problemdruck. Die sozialen Probleme der Städte sind zu offenkundig geworden, als dass es der Politik (oder auch einer noch so elfenbeinartig abgeschlossenen akademischen Soziologie) gelingen dürfte, sie zu übersehen. Immer mehr Menschen leben in Städten. Die Probleme einer zunehmend ungerechteren Gesellschaft werden in den Städten sichtbar, sie werden durch städtische Entwicklungen auch verschärft. Ausgrenzung beispielsweise ist ohne eine räumliche Dimension kaum zu diagnostizieren. Es muss nicht gleich das organisierte Proletariat sein, es genügen auch schon ein paar Riots, und die soziale Frage wird sich der Stadtpolitik wie der Stadtforschung unabweisbar stellen.

Zweitens: Wir haben damals die in den Kommunalverwaltungen und der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft institutionalisierten Traditionen einer sozial verantwortlichen Stadtpolitik unterschätzt. Das Programm Soziale Stadt war ein Schritt in die richtige Richtung, von dem jetzt allerdings gerade das, was daran vorbildhaft für eine neue Stadtpolitik hätte sein können, wieder zurückgenommen worden ist: die Verbindung von physisch-technischen Maßnahmen mit Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Integrations- und Sozialpolitik. Trotzdem bemühen sich viele Kommunalverwaltungen zusammen mit den noch verbliebenen gemeinnützigen Trägern weiterhin um eine Stabilisierung problembeladener Quartiere, die ohne solche in den Kommunalverwaltungen und gemeinnützigen Trägern tradierte Fürsprache wohl noch weit weniger Berücksichtigung fänden.

Drittens: Wir haben damals mit etwas zu pauschaler Geste Stadt und generell räumliche Kategorien als Einheiten soziologischer Problemdefinitionen verworfen. Norbert Gestring (ebd.) betont zu Recht, dass die Spaltung der Städte in zwei konträre Entwicklungsmuster – Wachstum versus Schrumpfen – räumliche Disparitäten für die Differenzierung sozialer Ungleichheit hoch relevant gemacht hat. Martin Gornig (2012, vgl. auch Häußermann 2012) beispielsweise hat kürzlich festgestellt, dass zwar in den prosperierenden Großstädten des Westens von einer sozialen Polarisierung zu sprechen ist, in den schrumpfenden Städten des Ostens aber von einer generellen Verarmungstendenz. Interessant wäre auch, die durch die Darmstädter These von der Eigenlogik der Städte[3] wieder aktualisierte Frage systematisch anzugehen, inwieweit wirklich mehr als bloße „Filterwirkung“ (Oswald) hinter der „lokalen Vermittlung“ (Johanna Hoerning 2013) gesellschaftlicher Entwicklungen steht.

Viertens: Das klassische Modell der Politik-Beratung kennt nur zwei Akteure: Das Wissenschaftssystem und das Politisch-Administrative System. Wenn sich aber der Staat aus der Wohnungspolitik zurückzieht, macht es wenig Sinn, dass die Wissenschaft ihre – sei es bloß anwendungsbezogenen, sei es kritischen – Erkenntnisse nur an ihn adressiert. Sie muss den Adressatenkreis erweitern: die Öffentlichkeit, Bürgerinitiativen, soziale Bewegungen, Parteien, private Unternehmen, die Medien, zivilgesellschaftliche Akteure. Und sie muss auch ihren Auftraggebern immer mehr antworten, als sie gefragt wurde (Bahrdt). Carsten Keller nennt das eine schöne Idee, aber „[…] angesichts der Prekarität im Bereich der Wissenschaft ist es scheinbar nur jenen wenigen Erlesenen vorbehalten, sich kritisch aus dem Fenster zu lehnen, die eine feste Stelle haben“. Aber in Krisen werden gewohnte Problemdefinitionen und Lösungsmuster auch aufgebrochen. Themen wie soziale Polarisierung, Ausgrenzung, Integration, Renaissance der Städte und Schrumpfen sind auch Anzeichen dafür, dass sehr viel grundsätzlichere Phantasie gefordert ist, seit der klassischen Verteilungspolitik die Basis üppiger Wachstumsraten abhandengekommen ist. Sicherlich darf nicht so getan werden, als würden sich in der Krise nicht Schablonen auch verhärten, aber es verstärkt sich auch der Problemdruck, der nach strukturellen Alternativen suchen lässt. Damit – so ist zu hoffen – könnten sich auch die Chancen für eine von den unmittelbaren Handlungszwängen des PAS entlastete Stadtforschung bessern, die sich auf andere Adressaten als nur die institutionalisierte Politik und auf eine gegenüber staatlicher Planung erweiterte politische Praxis orientiert. So könnte sich eine kritische Stadtforschung vielleicht doch von jenem unangenehmen Automaten unterscheiden, an den F. W. Bernstein in seiner „Durchsage“ erinnert:

Zu Mannheim stand ein Automat
um die Jahrhundertwende,
der jeden an das Schienbein trat,
der dafür zahlte. Ende.

Endnoten

Autor_innen

Walter Siebel forscht zu Stadtentwicklung, Stadtkultur, Integration, Stadt und soziale Ungleichheit.

Kontakt: walter.siebel@uni-oldenburg.de

Literatur

Bauriedl, Sybille (2013): Androzentrische Leerstellen der Stadtforschung: Geschlechtliche Arbeitsteilung, heteronormative Geschlechterkonstruktion und deren sozialräumliche Organisation. Kommentar zu Hartmut Häußermann & Walter Siebel "Thesen zur Soziologie der Stadt". In: sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung, 1, 119-123

Gestring, Norbert (2013): Thesen zur Soziologie der Stadt – revisited. Kommentar zu Hartmut Häußermann & Walter Siebel "Thesen zur Soziologie der Stadt". In: sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung, 1, 124-128.

Goebel, Jan / Gornig, Martin / Häußermann, Hartmut (2012): Wirtschaftliche Dynamik der Städte und Einkommenspolarisierung. In: Leviathan 40, 371-398.

Gornig, Martin (2012): Bestimmt die wirtschaftliche Dynamik der Städte die Intensität sozialräumlicher Spreizungen mit? In: BBSR-Berichte KOMPAKT 03/2012, 8.

Häußermann, Hartmut (2012): Wirtschaftliche Dynamik der Städte und Einkommenspolarisierung. In: Leviathan 40, 371–398.

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (1985a): Die Chancen des Schrumpfens. Plädoyer für eine andere Großstadtpolitik in: Die Zeit Nr. 13/85 (22.03.1985).

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (1985b): Neue Urbanität. Frankfurt/M.

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (1995): Dienstleistungsgesellschaften. Frankfurt/M.

Hoerning, Johanna (2013): Von der Stadtsoziologie des Bürgertums zur Stadtsoziologie der industriellen Moderne? Kommentar zu Hartmut Häußermann & Walter Siebel "Thesen zur Soziologie der Stadt". In: sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung, 1, 129-134.

Keller, Carsten (2013): Alte Thesen neu gelesen. Perspektiven kritischer Stadtforschung. Kommentar zu Hartmut Häußermann & Walter Siebel "Thesen zur Soziologie der Stadt". In: sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung, 1, 135-140.

Kronauer, Martin / Siebel, Walter (2004): An den Rändern der Städte. Frankfurt/M.

Läpple, Dieter / Siebel, Walter (2007): Stadtpolitik. Frankfurt/M.

Siebel, Walter (1984): Minnesänger und Narren. Zu Funktion und Voraussetzungen sozialwissenschaftlicher Stadtforschung. In: Raumforschung und Raumordnung 7/42, 287-294.

Wehrheim, Jan (2013): Konjunkturen gesellschaftstheoretischer Perspektiven auf große Städte: Zur Aktualität der Thesen zur Stadtsoziologie von Häußermann und Siebel (1978). In: sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung, 1 S.141-146.