Urbane Politische Ökologie im Rück- und Ausblick

Matthew Gandy

In diesem Essay befasse ich mich mit dem derzeitigen Status des als „Urbane Politische Ökologie“ bekannten akademischen Feldes, das sich Mitte der 1990er Jahre herausgebildet hat und sich schwerpunktmäßig mit der Ausübung gesellschaftlicher Macht in Bezug auf Infrastruktursysteme, die metabolischen Dimensionen des urbanen Raumes und die Schaffung hybrider Naturen auseinandersetzt.[1] Obwohl ein ganzer Korpus an wichtigen Arbeiten entstanden ist, denke ich, dass sich zwischen dem im Kern neomarxistischen Analyserahmen und einigen Herausforderungen angesichts neuer Konzepte von Handlungsmacht (Agency), Materialität und Subjektivität eine Reihe von Spannungsfeldern auftut. Ich überlege, ob sich eine neue Art der konzeptionellen Synthese erreichen ließe, deren Schwerpunkt zwar weiterhin auf der Kreislaufdynamik des Kapitals liegt, die aber in der Lage ist, komplexere Verflechtungen mit der nicht-menschlichen Sphäre und die eigenständige Handlungsmacht der Natur miteinzubeziehen. Insbesondere möchte ich betonen, dass sich das interdisziplinäre Potenzial der Urbanen Politischen Ökologie von jenem universalistischen Impetus unterscheidet, der der systemischen Stadtökologie und verwandten Arbeitsgebieten inhärent ist, die mit dem Aufkommen von Resilienzparadigmen im Zuge des vermeintlichen Wandels hin zu einem urbanen Anthropozän an Bedeutung gewonnen haben.

1. Ein Manifest der ersten Welle

In ihrem 2006 erschienenen wegweisenden Sammelband In the nature of cities: Urban political ecologies and the politics of urban metabolism formulieren die Herausgeber*innen Nik Heynen, Maria Kaïka und Erik Swyngedouw ein Zehn-Punkte-Manifest der Urbanen Politischen Ökologie, das einige zentrale Elemente beinhaltet. „Obwohl die Urbane Politische Ökologie keinen hermetischen Untersuchungskanon hat, und auch nicht haben sollte“, sind sie der Ansicht, dass „eine Reihe zentraler Themen und Perspektiven klar erkennbar“ sei (Heynen et al. 2006: 11; dieses und alle folgenden Zitate sind aus dem Englischen übersetzt). Dieser Band ist kennzeichnend für das, was Heynen und andere Wissenschaftler*innen später als „erste Welle“ der Forschung auf diesem Gebiet bezeichnet haben.

Was aber zeichnet diese „erste Welle“ der Urbanen Politischen Ökologie aus? Heynen, Kaïka und Swyngedouw beginnen ihr Manifest damit, die „Kodetermination“ des sozialen und ökologischen Wandels zu betonen, wodurch die materiellen Dimensionen des urbanen Raumes „bestimmte metabolische und soziale Beziehungen verkörpern und enthalten“ (Heynen et al. 2006: 11). Hier zeigen sich allerdings bereits die ersten Anzeichen einer Spannung zwischen unterschiedlichen Modalitäten von Handlungsmacht im urbanen Raum: Inwieweit muss z.B. zwischen menschlicher Handlungsfähigkeit und anderen Formen von Handlungsmacht in der urbanen Arena unterschieden werden? Und in welche Skaleneffekte oder Temporalitäten spielt sich die Produktion urbaner Natur ab? Hier lassen sich möglicherweise einige der latenten Unvereinbarkeiten zwischen metabolischen und neolefebvrianischen Lesarten des urbanen Prozesses ausmachen. Während die eine Seite die Besonderheiten des urbanen Raumes betont, setzt die andere Seite den Schwerpunkt zunehmend auf das globale Ausmaß kapitalistischer Urbanisierung.

Ein zentraler Ausgangspunkt für Heynen, Kaïka und Swyngedouw ist, jegliche in antimodernistische Umweltparadigmen eingebettete Charakterisierung der Stadt bzw. des urbanen Raumes als „unnatürliche“ Abweichung grundsätzlich zu hinterfragen. Insofern steht der Ansatz der Urbanen Politischen Ökologie in diametralem Gegensatz zur langen Tradition antiurbanen Denkens, das die negativen Folgen urbanen Wachstums ablehnt, aber gleichzeitig die kapitalistische Urbanisierung als quasi naturgegeben ansieht. Ihre Forderung nach einer „konkreten historisch-geographischen Analyse“ zeigt deutliche Bezüge zur neomarxistischen Stadttheorie, wie sie von David Harvey, Neil Smith, Ed Soja und anderen ausgearbeitet wurde (Heynen et al. 2006: 12). Diese Feststellung verweist auf einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf der Historiographie des Feldes: Trotz einer Anzahl von Studien, die die Ursprünge der Urbanen Politischen Ökologie vor allem in der etablierten Denkschule der Politischen Ökologie verorten, als eine im Wesentlichen auf den ländlichen Raum bezogene Dimension der Analyse landschaftlichen Wandels im globalen Süden (siehe z.B. Zimmer 2010), sollten wir anerkennen, dass die radikalen Strömungen der Stadt- und Umweltgeschichte ebenfalls bedeutende Impulse beigesteuert haben. Die neomarxistische Interpretation der materiellen und symbolischen Dimensionen urbaner Landschaften verweist z.B. auf einen anderen und mitunter nicht hinreichend gewürdigten geistigen Vorläufer dieser frühen Debatten (siehe z.B. Green 1990). Wahrscheinlich ist es sinnvoller, die Urbane Politische Ökologie als eine Kombination aus mehreren unterschiedlichen, aber sich ergänzenden Forschungsbereichen zu begreifen: Zu nennen wären hier die von Piers Blaikie, Harold Brookfield, Michael Watts und anderen angeführte politische Analyse der Umweltzerstörung im globalen Süden, die vom Kulturmarxismus Raymond Williams’ inspirierten Debatten, nebst der späteren Beiträge von John Barrell, Denis Cosgrove, Kate Soper und anderen geisteswissenschaftlich orientierten Forscher*innen, die sich mit der Interpretation von Natur, Landschaft und Ideologie als symbolischen Formationen befassen. Dies gilt ebenso für die umfassende Wissenschafts-, Technologie- und Modernekritik in der Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule sowie die radikalen Perspektiven auf Körper, Hybridität und Materialität, die wir vor allem im marxistischen Feminismus von Donna Haraway finden, plus eine Reihe damit verbundener ontologischer Herausforderungen für die wissenschaftliche Praxis.

Ein zentrales Element dieser frühen Arbeiten ist, dass sie die Rolle nicht-menschlicher „Aktanten“ – man beachte die Latoursche Terminologie – bei der Mobilisierung „gesellschaftlich-natürlicher Kreislauf- und Stoffwechselprozesse“ hervorheben (Heynen et al. 2006: 12). Hier finden wir einen erweiterten Begriff des urbanen Metabolismus, der die Kreislaufdynamik des urbanen Raumes so fasst, dass die verschiedenen in die Produktion von Raum, Natur und technologischen Netzwerke involvierten Kapitalkreisläufe miteinbezogen werden. Anders als in Abel Wolmans technokratischer Interpretation der Stadt als Maschine oder Marina Fischer-Kowalskis Modell der systemisch orientierten Sozialökologie entwickelt der neomarxistische Ansatz den Metabolismus-Begriff zur Beschreibung dessen, wie menschliche Arbeit die Rohstoffe der Natur transformiert. Allerdings finden sich der Urbanen Politischen Ökologie zwei gegensätzliche Perspektiven auf Metabolismus: Zum einen ein Verständnis des urbanen Metabolismus, das sich direkter an den ursprünglichen Beitrag von Marx anlehnt, der, beeinflusst durch den Industriechemiker Justus von Liebig, das Phänomen des „metabolischen Risses“ und die irreversiblen Auswirkungen kapitalistischer Landwirtschaft herausgearbeitet hat (insbesondere die Schädigung des Bodens). Diese Denkrichtung wurde von Georg Lukács, István Mészáros und John Bellamy Foster geprägt und zeigt sich aktuell am deutlichsten in Jason Moores Konzept des Kapitalozäns.

Die zweite Lesart des urbanen Metabolismus ließe sich als These der „Cyborg-Urbanisierung“ bezeichnen. Hier wird der urbane Raum vor allem als ein ausgefeiltes Lebenserhaltungssystem begriffen (siehe Gandy 2005; Swyngedouw 1996). Die Kreislaufdynamik des urbanen Raumes kann demnach einem lebendigen oder körperlichen Raum ähneln, aber einem, der sich nicht auf einzelne Zellen oder Stoffströme reduzieren lässt. Dies ist keine organizistische Interpretation von Urbanisierung, sondern postuliert ein relationales Verständnis der Vielzahl organischer und anorganischer Elemente, aus denen die moderne Stadt besteht, einschließlich der weiter entfernten Netzwerke zur Versorgung mit Energie, Wasser und anderen Dingen des Alltags. Die Betonung der soziotechnologischen Fragilität reicht von der physischen Verwundbarkeit des menschlichen Körpers bis hin zu den komplexen Systemen, auf denen die funktionale Integrität des urbanen Raumes beruht. Von Interesse ist hier die weitgehende Verwischung der Grenze zwischen organisch und anorganisch, zwischen verschiedenen Formen menschlicher und nicht-menschlicher oder programmierter Intelligenz und zwischen verschiedenen soziotechnischen Konfigurationen von Raum. In Übereinstimmung mit kritischen Arbeiten zu nachhaltiger Entwicklung wird betont, dass jede Form des ökologischen Urbanismus im Verhältnis zu weiter entfernten Schauplätzen der Gewalt und Ausbeutung interpretiert werden muss, mitsamt den riesigen Umweltschäden, die mit der urbanen Problematik der Spätmoderne einhergehen. Diese Konflikte, Ungleichheiten und Verschiebungen des urbanen Prozesses bilden einen konsistenten Ausgangspunkt für die analytische Auseinandersetzung.

Ein weiteres Element der „ersten Welle“ der Urbanen Politischen Ökologie ist ihr Fokus auf die Ausübung gesellschaftlicher Macht in der urbanen Arena, was sowohl direkte Formen der politischen Intervention als auch indirektere oder diskursive Dimensionen der ökologischen Gouvernementalität umfasst. Für Heynen, Kaïka und Swyngedouw betreffen diese „Machtgeometrien“ sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Akteur*innen, obwohl sie nicht klar herausarbeiten, was unter Handlungsmacht genau zu verstehen ist. Unbestimmt bleibt in dieser frühen Darstellung auch die Beziehung zwischen metabolischen und kreisläufigen Prozessen. Gleiches gilt für die Formulierung spezifisch ökologischer Visionen in der kulturellen und politischen Sphäre. Die Transformation von Henri Lefebvres „Recht auf Stadt“ in das, was sie als „Recht auf Metabolismus“ bezeichnen, ließe sich in gewisser Hinsicht als eine Art „metabolischen Reduktionismus“ begreifen, der die Tendenz hat, nur ganz bestimmte Formen soziotechnischer Verflechtungen in den Analysefokus zu rücken. Ein Problem, das sich aus den Arbeiten der „ersten Welle“ ergibt, ist, dass der Körper-Stadt-Nexus, auf dem der metabolisch abgewandelte Analyserahmen beruht, nicht notwendigerweise zu einem besseren Verständnis des urbanen Alltagslebens führt (siehe Doshi 2017).

Obwohl Heynen, Kaïka und Swyngedouw klarstellen, dass „ökologischer Wandel nicht unabhängig von Klassen-, Geschlechter-, ethnischen und anderen Machtkämpfen [ist]“, wurden die Überschneidungen zwischen Urbaner Politischer Ökologie und anderen Entwicklungen, wie etwa dem Aufkommen der Umweltbewegung, in den Arbeiten der ersten Phase nur teilweise erforscht (Heynen et al. 2006: 13). Beispielsweise ist durch Heynens Dialog mit den Critical Race Studies das Thema rassistische Diskriminierung im weiteren Verlauf wesentlich stärker in den Fokus gerückt (z.B. Heynen 2016). Zentrale Beiträge liefern auch die Arbeiten von Laura Pulido, Malini Ranganathan und anderen Forscher*innen (z.B. Pulido 2016; Ranganathan 2016). Bei der Frage, wie die Urbane Politische Ökologie mit dem Thema Rassismus umgeht, geht es eindeutig um mehr als eine einfache Erweiterung des Konzepts der Umweltgerechtigkeit. Sie betrifft auch das epistemische Feld der Wissensproduktion selbst.

Dass die Urbane Politische Ökologie die Geschlechterfrage thematisiert, ist maßgeblich auf empirische Studien aus dem globalen Süden zurückzuführen. Zugleich steht sie in intensiver Beschäftigung mit neuen feministischen Perspektiven in der Wissenschafts- und Technologieforschung, angestoßen von Donna Haraway, Sandra Harding und anderen, die eine Alternative zum essenzialistischen Umweltdiskurs formuliert haben. Das relationale Naturverständnis, das vor allem von Haraways Kritik an Natur-Kultur-Dualismen beeinflusst wurde, markierte einen formalen Bruch mit verschiedenen essenzialistischen Positionen wie etwa dem „Ökofeminismus“ oder der „Tiefenökologie“, die im Umweltdiskurs der 1980er Jahre bestimmend waren. In jüngster Zeit führte die Auseinandersetzung mit Entkolonialisierungsdiskursen, intersektionalen Erkenntnissen und Formen des indigenen Wissens dazu, das Geschlechterthema in der Urbanen Politischen Ökologie in verschiedener Hinsicht erneut zu fokussieren (siehe z.B. Elmhirst 2015; González-Hidalgo/Zografos 2019; Rocheleau/Nirmal 2015).

Das letzte Element des Manifests von Heynen, Kaïka und Swyngedouw ist die Forderung nach einem „demokratisch kontrollierten und organisierten Prozess der sozioökologischen (Re-)Konstruktion“ (Heynen et al. 2006: 13; siehe auch Keil 2003). Mit einem erweiterten Begriff des öffentlichen Raumes knüpfen sie an die lange Geschichte politischer Kämpfe zur Verbesserung der städtischen Umwelt, zur Sicherung des Zugangs zu Wasser und zu anderen grundlegenden Dienstleistungen an. Hier zeigt sich eine Nähe zum Verständnis der Moderne als einem Set soziotechnologischer Pfade anstelle einer blinden Dynamik in Richtung eines einzigen möglichen Resultats, wie es in eher dystopischen oder neomalthusianischen Positionen vertreten wird. Die explizit politische Ausrichtung der Urbanen Politischen Ökologie unterstreicht das gewachsene Interesse an der Beziehung zwischen Ökologie und den Neuen Sozialen Bewegungen. Insofern haben Heynen, Kaïka und Swyngedouw in ihrer Intervention direkt auf die ihrer Ansicht nach fehlende Beschäftigung der neomarxistischen Forschung mit Umweltfragen im urbanen Raum hingewiesen. Sie beklagen, dass „Ökologie“ oder Umweltfragen im Allgemeinen gegenüber klassenbasierten Formen der politischen Mobilisierung von untergeordneter Bedeutung zu sein schienen. Dabei wurden Forschungen zu Umweltwissen, das zu einer Bereicherung der öffentlichen Kultur urbaner Natur beitragen könnte, ebenso vernachlässigt, wie die Spezifika des urbanen Umweltdiskurses, wie z.B. die Aufwertung multilokaler Ökologien oder die Rolle der Stadt als kulturelles und ökologisches Refugium. Diese radikal-politischen alternativen Konzeptualisierungen wurden ab den 1990er Jahren vor allem in Deutschland durch eine Reihe von Beiträgen weiterentwickelt, was aber im größtenteils anglo-amerikanisch dominierten Diskurs der Urbanen Politischen Ökologie kaum zur Kenntnis genommen wurde.[2]

Diese erste Welle der Forschung stützte sich schwerpunktmäßig auf die Analyse der vielfältigen Verflechtungen zwischen Kapital, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit auf verschiedenen Maßstabsebenen des Urbanen. Die latenten Unstimmigkeiten mit anderen Erklärungsansätzen, die sich aus dieser Schwerpunktsetzung ergaben, wurden jedoch nicht aufgelöst, sondern eher durch eine primäre Konzentration auf Manifestationen sozialer Macht in der urbanen Arena beiseitegeschoben. Besondere Unsicherheit bestand hinsichtlich der Schnittstellen zwischen nicht-menschlichen Formen von Handlungsmacht und der Produktion von Natur. Eines der Spannungsfelder war, wie die neomarxistische Stadttheorie mit einer Ontologie Latourscher Prägung, die der Handlungsmacht verschiedener Arten nicht-empfindungsfähiger Objekte im urbanen Raum größeres Gewicht einräumt, zu verbinden wäre (siehe z.B. Grove 2009; Holifield 2009). Ryan Holifield (2009: 654) hat z.B. herausgestellt, dass eine konzeptionelle Synthese zwischen neomarxistischer Theorie und Akteur-Netzwerk-Theorie neue Erkenntnisse darüber liefern könnte, wie nicht-menschliche Ontologien einfach unter bestehende Interpretationsformen subsumiert werden, wodurch wenig Raum für weiter gefasste Konzeptionen von Handlungsmacht bleibt.

2. Neue Herausforderungen und Lücken

In den letzten Jahren haben sich die Arbeiten im Bereich der Urbanen Politischen Ökologie sowohl konzeptionell als auch empirisch weiterentwickelt. Nik Heynen unterstreicht z.B., dass eine „zweite“ oder gar „dritte“ Forschungswelle als Reaktion auf Herausforderungen wie etwa die Critical Race Studies, Queer Theory oder das wachsende Interesse an über den Menschen hinausreichenden (more-than-human) Geographien entstanden sei. Allerdings wurde dieses etwas teleologische Verständnis der Historiographie des Feldes ihrerseits durch Positionen infrage gestellt, die trotz aller konzeptioneller Lücken auf zahlreiche unterschwellige theoretische Kontinuitäten und Bezüge hinweisen (siehe Tzaninis et al. 2021). Man kann aber durchaus sagen, dass sich in der Forschungsliteratur mittlerweile ein gewisses Unbehagen hinsichtlich der Frage ausbreitet, ob sie auch in der Lage ist, auf die Vielfalt neuer intellektueller wie politischer Problemstellungen zu reagieren (siehe Ernstson/Swyngedouw 2019: 5). Den verbleibenden Teil des Beitrags möchte ich einigen dieser neuen Herausforderungen widmen, vor denen die Urbane Politische Ökologie steht. Sie könnten entscheidend dafür sein, ob das Feld auch weiterhin eine wichtige Rolle im urbanen Umweltdiskurs spielen wird.

Der erste Streitpunkt betrifft das unzureichend geklärte Verhältnis zwischen der Urbanen Politischen Ökologie und dem Arbeitsgebiet der „Stadtökologie“ als eigenständigem und dynamischen Forschungsfeld. Bestrebungen, Ökologie mit der Analyse des urbanen Raumes zu verbinden, lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als ungewöhnliche Pflanzengesellschaften, wie sie rund um Häfen, Eisenbahnanlagen und verlassene Gebäude zu finden waren, eingehend untersucht wurden. Dieser stark in naturkundlichen Traditionen verwurzelte Beobachtungsansatz hat neben dem, was wir als „systemische Stadtökologie“ bezeichnen könnten, weiterhin Bestand. Letztere bildete sich später heraus, wird häufig auf die Chicagoer Schule der Stadtsoziologie der 1920er Jahre zurückgeführt und hat sich im Zuge intensiver Forschungsprogramme ab den 1970er Jahren in Brüssel, Wien, Baltimore und anderswo weiter ausdifferenziert. Dabei nutzt sie eine Vielzahl ökologischer Modelle und Metaphern, um die funktionale Dynamik der modernen Stadt als integriertem urbanen Ökosystem zu erklären. So wurde versucht, eine „epistemologische Einheit“ zwischen sozialen und ökologischen Prozessen im urbanen Raum zu schaffen. Parallel zu diesen sozialökologischen Modellen zeigt sich allerdings auch, dass die urbane Natur wieder verstärkt zu einem Thema in den Biowissenschaften wird, beispielsweise in der Epigenetik und Evolutionsbiologie sowie in der Beschäftigung mit neuen Ökosystemen. Allerdings hat sich die Urbane Politische Ökologie noch nicht systematisch mit der „epistemologischen Überfrachtung“ systemischer Modelle in Bezug auf die historisch verortete Produktion urbanen Raumes auseinandergesetzt. Ebenso wenig hat sie eine alternative konzeptionelle Synthese angeboten, mithilfe derer neue wissenschaftliche Erkenntnisse in einen neomarxistischen oder strukturalistischen Analyserahmen integriert werden könnten. Anders ausgedrückt, ich würde die These wagen, dass die Urbane Politische Ökologie bislang dazu tendiert hat, das systemische Paradigma nicht nur als dominierend in der Stadtökologie anzusehen, sondern faktisch als das einzige Feld der biophysikalischen Wissenschaften, das sich mit der Analyse der urbanen Natur befasst.

Eine andere wichtige Entwicklung, die in der Urbanen Politischen Ökologie nur zum Teil aufgearbeitet wurde, ist die Herausbildung erweiterter Konzeptionen von Handlungsmacht, Subjektivität und über den Menschen hinausgehenden (other-than-human) Geographien. Insbesondere die Dezentrierung des menschlichen Subjekts und die Identifizierung komplexerer oder verteilter Formen von Handlungsmacht unter Einbeziehung materieller und nicht-menschlicher Elemente stellt die bestehenden stadttheoretischen Ansätze vor eine Herausforderung. Es gibt ganz offensichtliche Reibungspunkte zwischen dem historischen Materialismus, wozu die Erkenntnisse von Neil Smith, Donna Haraway und einer Reihe weiterer Forscher*innen gehören, und dem gerade entstehenden Feld des „neuen Materialismus“, der objektorientierte Ontologien, neovitalistische Ansätze und diverse posthumanistische Strömungen umfasst. Mitunter führt die Verfeinerung bestehender materialistischer Analyseansätze dazu, dass die neomarxistische Theorie nicht verworfen, sondern eher weiterentwickelt wird. Beispielhaft zu nennen wäre die Erweiterung der Arbeitswerttheorie unter Einbeziehung der unverzichtbaren Arbeit nicht-menschlicher Anderer, wie z.B. der Lasttiere in der Industriestadt des 19. Jahrhunderts, oder die umfassendere Anerkennung der Handlungsmacht der Natur in der Landschaftsplanung (siehe z.B. Barua 2017; Ernwein 2020). Die Idee der „Arbeitskraft“ wird somit radikal auf den nicht-menschlichen Bereich ausgeweitet, was als Teil der lange zurückreichenden Auseinandersetzungen mit der Transformation von Arbeit in der Moderne zu sehen ist (siehe Rabinbach 1992). In anderen Konfigurationen begegnen wir Varianten des menschlichen Subjekts, wie z.B. dem „Rasenmenschen“ (turfgrass subject), an der Schnittstelle zwischen menschlichem Körper, der Produktion von Natur und der „post-war chemosphere“ (siehe Robbins/Sharp 2006). In einem ähnlich gelagerten Beispiel entwickelt die Geographin Katie Meehan den Begriff der „Werkzeugmacht“, um den Anwendungsbereich der Politischen Ökologie radikal zu erweitern und ein breiteres Spektrum materieller Artefakte miteinzubeziehen. Dafür wird der bisherige Fokus auf die metabolischen Dimensionen von großen Infrastruktursystemen so angepasst, dass er auch den Mikromaßstab der „Rohrwände, Latrinen und Regentonnen“ (Meehan 2014: 223) erfassen kann.

Ein destabilisiertes Konzept des menschlichen Subjekts lässt sich auch mit einem Interesse an Affekttheorie und neuen Konzeptualisierungen des urbanen Raumes verbinden: Hier bietet sich der Urbanen Politischen Ökologie Gelegenheit zur Erforschung der Frage, wie die Handlungsmacht der Natur bei der Gestaltung von Orten und Landschaften nutzbar gemacht wird. Außerdem gibt es spezifische Facetten des Umweltdiskurses, z.B. über die Auswirkungen exzessiven Lärms oder Lichts, die zu einer komplexeren Analyse der Subjektbildung einschließlich der Schnittstellen zwischen messbaren biophysikalischen Phänomenen und intersubjektiver Affektübertragung einladen (siehe Brennan 2004; Gandy 2017). Wir können dem konzeptionellen Terrain der Politischen Ökologie auch den Begriff der „affektiven Resignation“ hinzufügen, um zu verstehen, wie Gemeinschaften durch schlechte Gesundheit und epistemische Gewalt zunehmend marginalisiert werden (siehe Davies 2018; Lora-Wainwright 2017; Mah/Wang 2019).

Aber was ist mit der nicht-menschlichen Bewohnerschaft des urbanen Raumes? Die Anwesenheit von Tieren in Städten bleibt in der Urbanen Politischen Ökologie relativ unerforscht: Das anfängliche Interesse an kritischen Tierstudien, wie es Jennifer Wolch Mitte der 1990er Jahre hervorgehoben hat, nahm die urbane Natur noch nicht in ihrer ganzen Komplexität in den Blick (siehe Wolch 1996). In jüngster Zeit rücken die liminalen Dimensionen der urbanen Natur, wie z.B. streunende Hunde, verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit, was mit einem allgemeinen Interesse an ethischen Beziehungen zu nicht-menschlichen Anderen zusammenhängt bzw. mit den Mehrdeutigkeiten, die biopolitischen Eingriffen in urbane Ökosysteme zugrunde liegen (siehe z.B. Narayanan 2017; Srinivasan 2019). Dem hinzuzufügen wären nicht nur die spontanen Formen der Natur, die in der Stadt gedeihen, sondern auch die Netze von Gewalt und Ausbeutung, die sich in der „mechanisierten Zootechnosphäre“ – um den Begriff des Historikers Chris Otter zu gebrauchen – auch auf nicht-menschliche Andere erstrecken. Zentral sind ebenso die entfernteren und unsichtbareren Grenzbereiche der Tierquälerei, auf denen die globale Nahrungsmittelproduktion basiert (siehe Otter 2017: 52). Das Feld der Urbanen Politischen Ökologie muss sich erst noch umfassend mit der Komplexität des Themas Tierethik auseinandersetzen, einschließlich der konkreten Kontexte, in denen verschiedene Organismen, auch Mitglieder derselben Spezies, ein unterschiedliches Maß an Fürsorge, Betrauerbarkeit oder Verfolgung erfahren können.

Die neolefebvrianische Schwerpunktsetzung auf „planetarische Urbanisierung“ wirft Fragen hinsichtlich der Reichweite und Definition des urbanen Raumes als Forschungsgegenstand auf. Kritisiert wird hier vor allem, dass die Arbeiten von Erik Swyngedouw und anderen Wissenschaftler*innen der „ersten Welle“ der Urbanen Politischen Ökologie die urbane Natur im Sinne eines „methodologischen Cityismus“ konzeptualisieren, d.h. als „ein erdrückender analytischer und empirischer Fokus auf die traditionelle Stadt unter Ausschluss anderer Aspekte gegenwärtiger Urbanisierungsprozesse“ (siehe Angelo/Wachsmuth 2015: 16). Diese Argumentation stützt sich auf Swyngedouws 1996 veröffentlichten Aufsatz The City as Hybrid, geht dabei aber nicht auf seine praktische Anwendung der Urbanen Politischen Ökologie ein. Bei genauerer Betrachtung von Swyngedouws Studie zur Wasserversorgung der Stadt Guayaquil – einer Metropole, die den intellektuellen Ursprüngen der Urbanen Politischen Ökologie als zentraler Ansatzpunkt dient – stellen wir fest, dass er ländliche Armut, Warenketten und die Entwicklung des postkolonialen Staates in seine Analyse der kapitalistischen Urbanisierung miteinbezieht (siehe Swyngedouw 2004). Seine ähnlich gelagerten Forschungen zur Wasserinfrastruktur im modernen Spanien basiert ebenfalls auf einem erweiterten Verständnis der Produktion von Natur, das die ideologischen Dimensionen technischer Großprojekte mit einschließt: Der analytische Ausgangspunkt ist hier nicht die urbane Arena an sich, sondern die Aneignung eines Umweltgemeinguts – in diesem Falle von Flusssystemen – während sukzessiver Phasen der Staatsbildung, einschließlich der Zusammenhänge zwischen Faschismus und der modernen, an das Leitbild der Hydraulik angelehnten Vorstellungswelt (siehe Swyngedouw 2015). Eine Überbetonung des globalen Maßstabs der Urbanisierung birgt die Gefahr, die kulturellen, politischen und materiellen Spezifika des urbanen Raumes zu übersehen, unter anderem, dass Städten nach wie vor die Rolle zukommt, neue Naturkulturen und ganz eigene Formen des sozioökologischen Zusammenlebens hervorzubringen. Ich würde anmerken, dass die neolefebvrianische Suche nach der Fetischisierung der Stadt als räumlicher Analyseeinheit besser beraten wäre, sich auf die systemtheoretische Stadtökologie und ihre Wurzeln in der Chicagoer Schule der Stadtsoziologie und die frühe Anwendung ökologischer Metaphern auf den urbanen Raum zu fokussieren.

Dieser Fokus auf die sozioökologischen Komplexitäten des urbanen Raumes oder „real existierende urbane Ökologien“ führt naturgemäß zu einer näheren Auseinandersetzung mit den epidemiologischen Dimensionen von Urbanisierung. Die Urbane Politische Ökologie hat bereits einige Beiträge zum Verständnis der Schnittstellen zwischen Urbanisierung und Krankheit geleistet, insbesondere mit Blick auf den SARS-Ausbruch von 2003 (siehe Ali/Keil 2006). Andere Erkenntnisse betreffen die Auswirkungen von Armut oder ökonomischen Störeinflüssen auf die materielle Topographie des urbanen Raumes und die Schaffung von Mikroökologien, die Überträgerinsekten von Dengue-, Chikungunya- und Zika-Fieber und anderen eng mit der urbanen Umwelt verbundenen Krankheiten Lebensraum bieten (siehe z.B. Gidwani/Reddy 2011). Bislang jedoch wurden die systematischsten Untersuchungen dessen, was wir als durch die politische Ökonomie des urbanen Raumes hervorgebrachte „Überträgertopographien“ bezeichnen könnten, eher indirekt durch die Erforschung der Ökologien aufgegebener oder vernachlässigter Landschaften vorangetrieben als dadurch, dass die Urbane Politische Ökologie ein ausgereiftes Rahmenkonzept zur Verfügung gestellt hätte.

Durch die evolutionäre Dynamik von Krankheitserregern entsteht eine zusätzliche Komplexitätsebene, was die Notwendigkeit einer direkten Zusammenarbeit zwischen der Urbanen Politischen Ökologie und den Biowissenschaften im Rahmen eines erweiterten analytischen Zugangs zur urbanen Epidemiologie unterstreicht. Beispielsweise stellt die zunehmende Bedeutung von Zoonosen die Urbane Politische Ökologie vor eine Reihe von Herausforderungen hinsichtlich der Interaktionszonen zwischen menschlichem und nicht-menschlichem Leben, der vernetzten Räume des globalen Urbanismus und der industriellen Landwirtschaft sowie der allgemeinen Auswirkungen des Biosicherheitsdiskurses auf den urbanen Raum.

Die körperliche Dimension der urbanen Epidemiologie wird in der Literatur der Urbanen Politischen Ökologie ebenfalls zu wenig erforscht. Hier gibt es eindeutig Spielraum für eine Verbindung von Politischer Ökologie mit der Analyse biopolitischer Formen der Gouvernementalität, wozu auch die Herausbildung eines „wissenschaftlichen Rassismus“ in der Stadtplanung gehört. Überschneidungen zwischen Rassismus und Epidemiologie zeigen sich unter anderem in der langjährigen Verwendung kulturessenzialistischer Bilder hinsichtlich der körperlichen Empfindlichkeit gegenüber Umweltrisiken wie z.B. Lärm, Extremtemperaturen und hoher Bevölkerungsdichte. Hier gibt es Anknüpfungspunkte zu einer differenzierteren und dezentrierten Deutung des menschlichen Subjekts mit Blick auf Gender, Ethnizität, Alter und andere Formen der Vulnerabilität, die ihrerseits zur Schaffung ungleicher ökologischer und epidemiologischer Risikolandschaften beigetragen haben. Die Vervielfachung von Unsicherheiten im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheitskrise infolge der Corona-Pandemie, dem Klimawandel und den sich verändernden Landschaften sozialer und ökonomischer Prekarität bietet einen Anknüpfungspunkt zu umfassenderen theoretischen Überlegungen über die Gestaltung zukünftiger Städte. Genau in diesem Kontext können konkurrierende ökologische Vorstellungswelten zur Erhellung unterschiedlicher kultureller Repräsentationsmodi und alternativer urbaner und ökologischer Zukunftsentwürfe dienen.

Dieser Begriff der „ökologischen Vorstellungswelt“ ist auf den ersten Blick etwas rätselhaft, auch wenn er in der in der Literatur zu Stadt und Umwelt gelegentlich auftaucht. Obwohl die „erste Welle“ der Urbanen Politischen Ökologie in hohem Maße von der an die Frankfurter Schule angelehnten Wissenschafts- und Technologiekritik inspiriert war, ist offensichtlich, dass die damit ebenfalls einhergehende Kulturkritik wesentlich geringeren Einfluss hatte. Angesichts des in jüngerer Zeit aufkeimenden Ecocriticism und neuer Genres der kulturellen Repräsentation im Kontext des Anthropozän ist offensichtlich, dass der Beitrag der Urbanen Politischen Ökologie zu diesen Debatten bislang recht begrenzt war. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Reaktionen auf die Ästhetisierung postindustrieller Landschaften in nordamerikanischen Städten (siehe z.B. Draus/Roddy 2018). Ebenso betrifft es die politische Strategie, Flurstücke erst als „Brachflächen“ auszuweisen und dann aufzulösen, um diese Randzonen in die spekulative Dynamik der kapitalistischen Urbanisierung einzubinden (siehe Harms 2014). Mit Blick auf die geokonstruktivistischen Dimensionen eines „adaptiven Anthropozäns“ ist die Urbane Politische Ökologie inzwischen dabei, interessante Kritikansätze zu entwickeln (siehe z.B. Swyngedouw/Ernstson 2018), die Auseinandersetzung mit den kulturellen Dimensionen urbaner Zukunftsvorstellungen bleibt jedoch etwas unbestimmt.

Ebenso verwunderlich ist, dass die Urbane Politische Ökologie bislang keine klare Antwort auf die neovitalistische Wende artikuliert hat. Hier gilt es, zwei Aspekte zu bedenken: Erstens die Frage, inwieweit ein erweitertes Verständnis von Handlungsmacht den historischen Materialismus herausfordert und welche Rolle die neomarxistische Stadttheorie im urbanen Umweltdiskurs spielt. Und zweitens die komplexen Historiographien des europäischen Umweltdenkens, das auch primordiale und obskurantistische Ontologien umfasst, die sich für reaktionäre politische Projekte einspannen lassen. Beim Thema Handlungsmacht besteht eine zentrale Herausforderung darin, ob komplexere Spielarten des Materialismus mit dem bestehenden Fokus auf die Kreislaufdynamik des Kapitals und die Produktion des urbanen Raumes kombiniert werden können. In einem derartigen Ansatz implizit enthalten wäre eine differenziertere Unterscheidung zwischen verschiedenen materiellen und sozioökologischen Konstellationen im urbanen Raum, einschließlich der Schnittstellen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Zeitlichkeiten. Der Anthropozän-Diskurs dreht sich aktuell schwerpunktmäßig um Themen wie „tiefe Zeit“ und „Artengeschichte“. Um dem etwas entgegenzusetzen, müssen unterschiedliche Formen menschlicher Handlungsmacht in ihren konkreten historischen Kontexten herausgearbeitet werden.

3. Fazit

In diesem Beitrag habe ich dargelegt, dass die Urbane Politische Ökologie als eigenständiges Arbeitsgebiet auch weiterhin von Bedeutung ist, aber konnte auch eine Reihe von Leerstellen bzw. Problemen in der vorhandenen Literatur aufzeigen. Ich möchte betonen, dass „Politische Ökologie“ und „Urbane Politische Ökologie“ keine identischen Teildisziplinen darstellen, sondern ein Set von sich überschneidenden und oftmals ergänzenden Forschungsfeldern. Aber wie ließe sich die weiterhin fortbestehende Besonderheit der urbanen Arena aus dem Blickwinkel der „Urbanen Politischen Ökologie“ beschreiben? Hier gibt es sechs deutlich hervorstechende Dimensionen: Erstens die spezifischen sozioökologischen Charakteristika des urbanen Raumes, einschließlich der konkret vorfindlichen Ansammlungen von Organismen, die Anlass zu ökologischer Sorge oder Freude bieten, sowie die zugrunde liegenden epigenetischen oder evolutionären Pfade. Ein engerer Dialog zwischen der Urbanen Politischen Ökologie und den Biowissenschaften ist nicht dasselbe wie die verschiedenen Formen epistemologischer Einheit, die seitens der systemischen Stadtökologie und im eng mit ihr verbundenen Anthropozän-Resilienz-Diskurs vertreten werden.

Zweitens birgt eine Dezentrierung des menschlichen Subjekts zahlreiche Herausforderungen für die Entwicklung eines erweiterten Verständnisses von Handlungsmacht, das es ermöglicht, urbane Phänomene wie z.B. affektive Atmosphären oder die eigenständige Handlungsfähigkeit der Natur miteinzubeziehen. Eine Verschränkung von Urbaner Politischer Ökologie und nicht-menschlichen Geographien dient der Erweiterung des Verständnisses von (Lohn-)Arbeit und der Herstellung (oder Erhaltung) von urbanem Raum.

Drittens erfordert die Frage des Maßstabs, wie sie in der neolefebvrianischen Literatur gestellt wird, eine präzisere Definition des „Urbanen“, die sowohl globale Manifestationen der kapitalistischen Urbanisierung umfasst als auch eine Reihe spezifischerer kultureller, politischer und ökologischer Entwicklungen unterschiedlichen räumlichen Maßstabs, einschließlich der Mikrosphäre der „Gehwegökologien“ (sidewalk ecologies).

Viertens ermöglicht der Fokus auf die materiellen Charakteristika des urbanen Raumes eine genauere Untersuchung der körperlichen Vulnerabilitäten und „Überträgertopographien“, die in der heutigen Stadt epidemiologische Landschaften hervorbringen.

Fünftens erfordert der kritische Dialog mit neu entstehenden ökologischen Vorstellungsbildern eine differenziertere Ästhetiktheorie, wozu auch eine präzisere Beschäftigung mit dem zunehmend dynamischen Feld des Ecocriticism gehört. Es gibt eindeutig Spielraum für die Entwicklung einer prägnanteren Antwort auf das kulturell-politische Moment der Repräsentationen, die mit den geokonstruktivistischen Dimensionen des Anthropozän-Diskurses einhergehen. Und schlussendlich möchte ich noch betonen, dass die Urbane Politische Ökologie das „Politische“ in Bezug auf die Historiographien des Umweltdenkens ernster nehmen muss.

 

Übersetzung aus dem Englischen von Andrea Tönjes für SocioTrans – Social Science Translation & Editing Services.

Endnoten

Autor_innen

Matthew Gandy ist Geograph mit besonderem Interesse an Landschaft, Infrastruktur und urbaner Biodiversität.

mg107@cam.ac.uk

Literatur

Ali, S. Harris / Keil, Roger (2006): Global cities and the spread of infectious disease: The case of severe acute respiratory syndrome (SARS) in Toronto, Canada. Urban Studies 43/3, 491-509.

Angelo, Hillary / Wachsmuth, David (2015): Urbanizing urban political ecology: A critique of methodological cityism. International Journal of Urban and Regional Research 39/1, 16-27.

Barua, Maan (2017): Nonhuman labour, encounter value, spectacular accumulation: The geographies of a lively commodity. Transactions of the Institute of British Geographers 42/2, 274-288.

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