Wohnen als Profilierungsfeld der AfD?

Nils B. Ludwig, Michael Mießner

1.Einleitung

Die Bezahlbarkeit von Wohnen hat nicht zuletzt durch das Berliner Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ Aufmerksamkeit erlangt. Bereits seit einigen Jahren wird jedoch eine „Wiederkehr der Woh­nungs­frage“ (Holm 2014) konstatiert. Diese ist begleitet von Protes­ten und sozialen Kämpfen um bezahlbares Wohnen (bspw. Vogel­pohl et al. 2017; Vollmer 2019). Vor diesem Hintergrund positionieren sich mittlerweile Parteien aller politischen Ausrichtungen zum Thema Wohnen, so auch die Alternative für Deutschland (AfD).

In den vergangenen Jahren sind angesichts der Wahlerfolge der AfD verschiedene wissenschaftliche Arbeiten entstanden, die sich mit dem ideologischen Kern der Partei (Schmitt-Beck/van Deth/Staudt 2017) sowie mit neurechten Strategien (Bruns/Glösel/Strobl 2015) befassen. Auch aus geographischer Perspektive fand eine vermehrte Auseinandersetzung mit der AfD und der Neuen Rechten statt (sub\urban 2019; Geographische Zeitschrift 2021). Die geographischen und stadtsoziologischen Forschungen untersuchen unter anderem die Zusammenhänge zwischen städtischer Aufwertung und reaktionären populistischen Meinungen und Ressentiments (u. a. Mullis 2019; Bescherer et al. 2021; Mackenroth 2022). Weniger im Fokus standen hingegen bisher die politischen Positionen zum Thema Wohnen innerhalb der AfD. Eine Ausnahme davon bilden zwei kürzere Beiträge. Domann und Hölzl (2021) beschäftigen sich im „MieterEcho“ der Berliner MieterGemeinschaft e. V. mit dem wohnungspolitischen Programm der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie bezeichnen das wohnungspolitische Programm der Berliner AfD als „völkisch aufgeladene Zusammenstellung neoliberaler Ideen“ (ebd.: 22). Kreils (2019) knappe Einschätzung der Positionen der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) zur Wohnungsfrage argumentiert, dass FPÖ und AfD das Thema Wohnen mit der vermeintlichen Migrationskrise verweben und mit der Förderung von Wohneigentum eine neoliberale Strategie verfolgen. Mit der in diesem Beitrag vorgestellten Untersuchung zur Thematisierung des Themas Wohnen seitens der AfD wollen wir auf diese Leerstelle hinweisen. Für unsere Untersuchung haben wir die Wahlprogramme der AfD aus der Perspektive der kritischen Stadtforschung analysiert, im Einzelnen die Landtagswahlprogramme aus allen 16 Bundesländern seit 2013, die Bundestagswahlprogramme seit 2013 sowie das Grundsatzprogramm von 2016. Das Material haben wir mit MAXQDA kodiert und ausgewertet. Die Kodierung und damit auch Strukturierung des Materials erfolgte im Sinne der Critical Discourse Analysis (vgl. Fairclough 2010: 266 f.) entlang von Problematisierungen und politischen (Lösungs-)Strategien der AfD. Dieser Struktur folgt auch die Gliederung dieses Beitrags.

Uns ist bewusst, dass unsere Analyse keine abschließende Bewertung der The­matisierung des Wohnens in rechten Kreisen darstellen kann. Vielmehr soll unser Beitrag einen Anstoß für eine kritische Stadtforschung liefern, sich stärker mit der Thematisierung des Wohnens innerhalb der AfD zu be­schäftigen, denn – so ein Ergebnis unserer Analyse: Die AfD versucht, An­schlüs­se an allgemeine Debatten zum Thema Wohnen herzustellen, um dieses Feld von rechts zu besetzen. Damit greift die AfD auch beim Thema Woh­nen ihre häufig genutzte Strategie auf, bestimmte gesellschaftliche Ent­wick­lungen (wie z. B. die sogenannte Flüchtlingskrise) argumentativ zu besetzen, um so den Diskurs weiter nach rechts zu öffnen (vgl. Walther/Ise­mann 2019) und für rechtsextreme Positionen anschlussfähig zu machen.

2.Problematisierungen des Wohnens durch die AfD: Urbanisierungskritik, Migration, staatliche Vorgaben und mangelndes Eigentum

In ihrer Gründungsphase hatte die AfD ein kaum ausformuliertes politisches Programm, wie das lediglich vier Seiten umfassende Bun­des­tags­wahl­pro­gramm (AfD_BTW 2013) deutlich macht. Dementsprechend wurde Wohnen im ersten Bundestagswahlprogramm gar nicht thematisiert und auch in den frühen Landtagswahlprogrammen der AfD nur wenig sowie unsystematisch aufgegriffen. Erst in den letzten drei bis vier Jahren machen die Parteiprogramme sowohl der Bundes-AfD als auch der AfD-Landesverbände deutlich mehr Aussagen zum Wohnen. Mittlerweile lassen sich etwas strukturiertere Argumentationslinien erkennen.

Die auch in der Öffentlichkeit stark diskutierte Wohnungsnot erklärt die AfD auf doppelte Weise mit Wanderungsbewegungen. Erstens hätten die Vernachlässigung des ländlichen Raums und dessen Bedeutungsverlust zu Binnenwanderungen in die Großstädte geführt (z. B. AfD_BTW 2017: 93). Der so entstandenen höheren Nachfrage nach Wohnraum in Großstädten stünde daher ein knappes Angebot gegenüber (AfD_GP 2016: 186). Damit einher gehe eine räumliche Polarisierung der Wohnungsnachfrage. Im Grundsatzprogramm heißt es: „Dem wachsenden Zuzugsdruck in die Zentren der Wachstumsgebiete steht eine rückläufige Nachfrage nach Wohnraum in der Fläche gegenüber“ (AfD_GP 2016: 184). Die baden-württembergische AfD fordert deswegen: „Ländlichen Wohnraum stärken, der Urbanisierung entgegensteuern“ (AfD_BW 2021: 37). An diesen Aussagen wird die „anti-urbane Ideologie“ der AfD deutlich, die an „eine lange Tradition rechten Denkens in Deutschland“ (Domann/Hölzl 2021: 23) anknüpft. Dabei geht es der AfD Domann und Hölzl zufolge zum einen um den Erhalt der kleinbürgerlichen Idylle in der Stadt, weshalb sie bauliche Verdichtungen ablehnt (ebd.). Die Partei fordere zwar Neubau, allerdings eher im Stile einer Gartenstadt. Das mache deutlich, dass Familialismus in der Stadtgesellschaft im Vordergrund stehe (ebd.). Weiterhin spreche sich die AfD gegen zunehmende stadtpolitische Interventionen der Zivilgesellschaft aus, was auch als Angst vor zunehmender Emanzipation und Demokratisierung interpretiert werden könne (ebd.).

Zweitens verhandelt die AfD Wanderungsbewegungen mit Bezug auf den Som­mer der Migration 2015 häufig als „Massenmigration“ (AfD_HH 2020: 14). So heißt es in einem Wahlprogramm zur Bremischen Bür­ger­schaft, „die Wohnungsnot“ sei „selbstgemacht“ und werde „durch die un­gezügelte Masseneinwanderung und den Familiennachzug in Zukunft weiter verschärft“ (AfD_HB 2019: 21). Diese klar migrationsfeindlichen Einstellungen finden sich auch in weiteren AfD-Programmen. Sie werden immer wieder unterschiedlich gerahmt, mal als „ungebremste[r] illegale[r] Zuzug hunderttausender meist illegaler Migranten“ (AfD_BW 2021: 37), mal als „[u]ngeregelte Zuwanderung“ (AfD_RP 2021: 171) oder als „anhaltende Massenmigration“ (AfD_HH 2020: 14). Die AfD nutzt so das Thema Wohnen als eine weitere Möglichkeit, rassistische Res­senti­ments zu mobilisieren, was generell ein themenübergreifender Inhalt der AfD ist (Dietl 2017: 26 ff.).

Als weiteren Grund für steigende Wohnkosten und Mietpreise nennt die AfD die staatliche Wohnungspolitik. Dabei adaptiert sie eine ihrer Strategien, die Ablehnung des Wohlfahrtsstaats als Akteur (Priester 2019: 494 f.). Laut der AfD – und hier wird das neoliberale Framing deutlich – treiben zum einen staatliche Auflagen die Kosten beim Eigen­heim­bau in die Höhe. Zum anderen werden staatliche Regulierungen des Mietwohnungsmarktes als enormes Hindernis dargestellt. Beispielsweise heißt es in einem Landtagswahlprogramm aus Hessen, „[s]taatliche Vorgaben zur Energetik und zum Brandschutz sowie die Forderung nach Sozialwohnungen“ trieben „die Preise für Wohnungsbau unnötig in die Höhe“ (AfD_HE 2018: 86). Daher stiegen „nicht nur die Baukosten, sondern auch die Mieten ins Unerschwingliche“ (ebd.: 86 f.). Dies behindere sowohl den Mietwohnungsneubau als auch den Eigenheimbau (vgl. AfD_BE 2016: 24 f.). Der Bau von Sozialwohnungen ist für die AfD aber auch noch aus einem anderen Grund problematisch: Die AfD argumentiert immer wieder, dass es bei der Vergabe von Sozialwohnungen sogenannte Fehlbelegungen gebe. So heißt es etwa im Wahlprogramm der AfD Berlin: „Wissenschaftliche Untersuchungen […] zeigen, dass mehr als die Hälfte der Mieter von Sozialwohnungen nicht (mehr) sozial bedürft­ig sind.“ (AfD_BE 2021: 72) Die AfD beklagt damit, dass Mieter:innen länger in einer Sozialwohnung lebten, als sie dazu berechtigt seien. Der Hintergrund ist, dass in Berlin – aber auch in vielen anderen Bundesländern – die soziale Bedürftigkeit von Mieter:innen nach deren Einzug in eine Sozialwohnung nicht mehr überprüft wird. Diese Politik, so die AfD, sei „ineffizient, ungerecht und teuer“ (AfD_NW 2017: 44).

Auch andere staatliche Regulierungen des (Miet-)Wohnungsmarktes, wie die Mietpreisbremse oder den Milieuschutz, kritisiert die AfD (z. B. AfD_BE 2021: 73 f.). Sie argumentiert etwa, dass die Mietpreisbremse „einkommensstarken Mietern“ nütze, „Mietern mit niedrigen Einkommen“ (AfD_HH 2015: 24) hingegen aber schade. Als Grund hierfür führt sie die vermeintliche Bevorzugung einkommensstarker Bewerber:innen bei der Vergabe von Wohnraum an (ebd.). Hier geriert sich die AfD als Partei der einkommensschwachen Haushalte, was allerdings im Kontrast zur eigentlich (noch) dominierenden Parteiausrichtung steht, die normalerweise durch neoliberale Vorstellungen geprägt ist, bei denen die Privatwirtschaft im Vordergrund steht (Dietl 2017: 82 f.). Die AfD Berlin lehnt auch den Milieuschutz ab (vgl. Domann/Hölzl 2021). Sie argumentiert zum einen gegen investitionshemmende Vorschriften. Zum anderen diene die „Ausweisung von Wohnvierteln als Milieuschutzgebiete […] dem Zweck, die Zusammensetzung der bestehenden Wohnbevölkerung zu erhalten“ (AfD_BE 2021: 74). Die Ablehnung des Milieuschutzes bezieht sich also auf die realen Sozialstrukturen in den Milieuschutzgebieten. Diese sind etwa in Berlin von einer sozialen Durchmischung unter anderem hinsichtlich Einkommen, Bildung, Nationalität und Berufstätigkeit geprägt (vgl. z. B. LPG 2018). Der AfD mit ihrem Fokus auf homogene kulturelle Identitäten (Kleinert 2018: 40 f.) sind diese Milieuschutzgebiete also aufgrund der sozialen und ethnischen Vielfalt ihrer Bewohner:innen ein Dorn im Auge.

Neben dem Mietwohnungsmarkt problematisiert die AfD – wenn auch in deutlich geringerem Umfang – auch den Wohneigentumsmarkt. Sie moniert dabei insbesondere den aus ihrer Sicht mangelnden Bau und Besitz von Eigenheimen, etwa anhand der im Vergleich zu anderen europäischen Ländern geringeren Eigentumsquote in Deutschland. Die AfD argumentiert, dass „die geringe Wohneigentumsquote die maßgebliche Ursache“ dafür sei, „dass die Deutschen von allen EU-Bürgern das geringste Haushaltsvermögen haben“ (AfD_BE 2021: 74) und verkehrt damit Ursache und Wirkung. Im Wahlprogramm zur Senatswahl 2020 in Hamburg führt die AfD aus: „Wohneigentum schützt nachhaltig vor Mieterhöhungen, Kündigungen, Altersarmut und bildet inflationssicheres Vermögen.“ (AfD_HH 2020: 16) Des Weiteren sieht die AfD in der geringen Eigentumsquote die Ursache für eine Überhöhung der Mietpreise im Vergleich zu den Renteneinkommen. Aus diesem Grund bezeichnet die AfD Wohneigentum auch als Alterssicherung (AfD_BE 2021: 74).

3.Politische Strategien der AfD: Förderung von Eigentum für junge, deutsche Familien und Reduktion staatlicher Eingriffe

Nach diesen Erläuterungen zu den Problematisierungen des Wohnens durch die AfD wenden wir uns in diesem Abschnitt den wohnungspolitischen Strategien der AfD zu. Dabei zeigt sich, dass das Programm der Partei noch recht vage ist und daher vergleichsweise viel Spielraum für soziale und völkische Interpretationen lässt. Auffällig ist, dass sich ein Großteil der Vorschläge auf den ländlichen und suburbanen Raum bezieht.

Ein erster politischer Lösungsvorschlag der AfD ist der Bürokratieabbau. Dieser soll eine Vereinfachung der Grundstücksvergabe ermöglichen und entsprechende Verfahren beschleunigen (AfD_BTW 2021: 168). Vom Abbau bürokratischer Hürden erhofft sich die AfD auch, die Kosten für die Erbauung von Häusern zu senken und dadurch die Eigentumsquote zu erhöhen (z. B. AfD_BE 2016: 25). Konkret nennt die AfD den Verzicht auf Umweltauflagen oder andere vermeintlich „unsinnig[e] kostenintensive“ (AfD_TH 2019: 56) Vorgaben. Auf diese Weise will die AfD das Bauen von Eigenheimen wieder attraktiver machen (z. B. AfD_HH 2015: 23 f.) und die Eigentumsquote erhöhen.

Auffällig ist zweitens, welche Bevölkerungsgruppen die AfD adressiert. Der Fokus liegt auf jungen einheimischen Familien. So heißt es im Wahlprogramm für Brandenburg: „Wir wollen die Schaffung von Wohneigentum fördern, um insbesondere jungen Familien im ländlichen Raum eine attraktive Lebensperspektive in ihrem Heimatort oder in ihrer Heimatregion zu geben“ (AfD_BB 2019: 65). Gemeint sind damit vorwiegend „einheimische […] Familien“ (ebd.). Neben der (unterschwelligen) urbanisierungskritischen Perspektive wird hier auch der explizite Fokus auf „deutsche“ und „einheimische“ Familien sichtbar. Den Erwerb von Grundstücken und damit die Steigerung der Wohneigentumsquote will die AfD durch eine Reduzierung oder gar Streichung der Grunderwerbssteuer vereinfachen. So heißt es im Landtagswahlprogramm für Sachsen-Anhalt: „Wir wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Die Grund­erwerb­steuer verhindert Mobilität und trifft verstärkt junge Familien, die bauen wollen“ (AfD_RP 2016: 21). Zugleich fordert das aktuelle Bun­des­tags­wahlprogramm der AfD eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer um 20 Prozent für bestimmte Eigentümer:innen. Genannt werden explizit „Käufer ohne deutsche Staatsbürgerschaft, deren Hauptwohnsitz im Ausland liegt“ (AfD_BTW 2021: 68). Die AfD unterstellt hier einen Gegensatz zwischen Eigenheimen für junge deutsche Familien und ausländischen Investor:innen. Dabei kann dies sowohl kapitalismuskritisch als auch rassistisch interpretiert werden.

Die bisher genannten politischen Strategien der AfD beziehen sich insbe­son­dere auf den ländlichen bzw. suburbanen Raum. Die AfD schlägt drittens für Städte die Förderung von Wohnungsneubau im Niedrigpreissegment vor (vgl. AfD_RP 2021: 173). Dies geht einher mit der bereits erwähnten Forderung nach einer Reduzierung von Bauvorschriften. Diese schreckten – so die klassisch neoliberale Begründung – Investor:innen ab (AfD_HH 2015: 23). Zu dieser Reduzierung der Vorschriften zählt auch die Forderung nach einer Abschaffung von Sozialwohnungen. Stattdessen solle ärmeren Menschen der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum mithilfe des Wohngeldes ermöglicht werden. Dieses wird als Zuschuss zum marktüblichen Mietpreis gezahlt. Aus Sicht der AfD erlaubt das, die Fehlbelegungsquote zu reduzieren und die Steuerung der Vergabe zu erleichtern (z. B. AfD_NW 2017: 44). Da die AfD an anderer Stelle fordert, dass Asylbewerber:innen keine Sozialleistungen mehr erhalten sollten (AfD_TH 2019: 57) zielt sie mit der Idee eines an den Sozialleistungsbezug gebundenen Wohngelds – ebenfalls in rassistischer Weise – auf eine Steuerung ab, wessen Wohnungen gefördert werden und wessen nicht. Abgesehen davon ist das Wohngeld deutlich kompatibler mit neoliberalen Wohnungspolitiken als der Sozialwohnungsbau, sichert es doch durch staatliche Transferleistungszahlungen die Profitinteressen privater Vermieter:innen.

Ein vierter Vorschlag ist die Förderung von Genossenschaften – eine Forderung, die auch in linken Kreisen weit verbreitet ist. Die AfD schlägt vor, dass städtische Grundstücke vermehrt über das Erbbaurecht an Genossenschaften vergeben werden (AfD_BTW 2021: 169). Diese könnten zu einer Lösung des Wohnungsmangels auch im Niedrigpreissegment beitragen (AfD_TH 2019: 57). Diese recht allgemeine Überlegung macht eine Herausforderung für linke, grüne und antikapitalistische wohnungspolitische Akteur:innen deutlich: Es besteht die Gefahr, dass die AfD die Genossenschaften unter anderem deshalb attraktiv findet, weil sie – ähnlich wie in der Sozialpolitik – auch hier eine Möglichkeit sieht, Nicht-Deutsche von der Förderung auszuschließen. Schließlich können Genossenschaften selbst entscheiden, wer ihr Mitglied werden kann. Aufgrund unserer Analyse gehen wir davon aus, dass sich hier eine Strategie der AfD andeutet, Genossenschaften zu nutzen, um einen ethnisch homogenen Zugang zu Wohnhäusern und schließlich ganzen Wohnquartieren zu etablieren und dies zugleich als soziales Vorgehen zu framen. Einen ähnlichen Weg schlägt auch die extrem rechte Partei „Der III. Weg“ ein, die sich für das Modell des Miethäuser-Syndikats ausspricht (Der III. Weg 2015).

4.Rechte Vereinnahmung des Wohnens als Herausforderungen für eine kritische Stadtforschung

Unser Beitrag zeigt, dass auch die AfD das Thema Wohnen aufge­grif­fen hat. An dieser Stelle möchten wir die damit verbundenen Her­aus­for­derungen für eine kritische Stadtforschung und eine sozial-inklusive Wohnungspolitik umreißen. Uns ist bewusst, dass das Feld bisher von der AfD noch wenig bespielt wurde und wir möchten auch keine Herausforderungen herbeireden. Dennoch macht unsere Analyse deutlich, dass es seitens der AfD zumindest Versuche gibt, das Thema Wohnen von rechts zu besetzen. Kritische Wissenschaften und progressive soziale Bewegungen sollten sich dessen bewusst sein und entsprechende Handlungsstrategien entwickeln.

Die AfD schafft – wohl durchaus bewusst – rechte Inter­pre­ta­tions­mög­lichkeiten. Sie versucht auch im Bereich des Wohnens An­schluss­mög­lich­kei­ten für rechtsextreme Positionen herzustellen. Wie wir gezeigt haben, können diese Inhalte durchaus rassistisch gedeutet werden. Während die untersuchten schriftlichen Dokumente noch vergleichsweise zurückhaltend formuliert sind, wird der rassistische Sprachgebrauch bei Reden von AfD-Abgeordneten schon üblicher. Beispielhaft dafür steht eine Bundestagsrede von Roger Beckamp (AfD) im Januar 2022, die mit den abschließenden Worten „Abschieben schafft Wohnraum!“ (Deutscher Bundestag 2022: 685) sehr deutlich macht, was die Ziele der AfD sind. Der von uns konstatierte breite Interpretationsspielraum wird hier tatsächlich genutzt, um rechte Ressentiments bedienen zu können. Diese Herausforderung sollte eine kritische Forschung zukünftig im Blick behalten.

Unsere Ausführungen zu Genossenschaften machen deutlich, dass die AfD ebenfalls im Bereich des Wohnens versucht, auch solche Strategien teilweise zu übernehmen und neu zu besetzen, die in den letzten drei bis vier Jahrzehnten vermehrt links geprägt waren. Damit übernimmt sie die klassische Mimikry-Strategie der Neuen Rechten, die schon seit längerer Zeit eine Umdeutung linker Theoreme für sich beansprucht (Bruns/Glösel/Strobl 2015: 71 f.). Somit zeigt die AfD hinsichtlich des Wohnens nicht nur eine inhaltliche Nähe zur Neuen Rechten, sondern scheint auch deren strategische Ideen zu übernehmen.

Vor dem Hintergrund dieser Analyseergebnisse sowie dem Einzug der AfD in den Bundestag und in viele Landtage verstehen wir unseren Beitrag vor allem als ein Plädoyer, der Besetzung sozialer Themen mit rechten Inhalten Einhalt zu gebieten. Das Thema Wohnen ist hier aus Sicht der Neuen Rechten nur ein weiteres Themenfeld, auf das die Mimikry-Strategie angewandt werden kann. Eine kritische Stadtforschung und progressive soziale Bewegungen sollten sich dieser Gefahr bewusst sein, sich klar dagegen abgrenzen und Gegenstrategien entwickeln

Danksagung

Wir danken Felicitas Kübler für die Gespräche und Diskussionen vor und während der Erstellung dieses Beitrags sowie für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Bei Toni Adscheid und Andreas Kallert bedanken wir uns für die hilfreichen Kommentare und Rückmeldungen zu einer früheren Version des Manuskriptes.

Anhang

Diese Publikation wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und aus dem Open-Access-Publikationsfonds der Universität Trier unterstützt.

Autor_innen

Nils B. Ludwig studiert Stadt- und Regionalforschung M. Sc. an der Universität Bayreuth. Als Themenschwerpunkte behandelt er radikal rechte Bewegungen, die AfD und Fragen der Wohnungspolitik.

Nils.Ludwig@uni-bayreuth.de

Michael Mießner forscht aus wirtschafts- und humangeographischer Perspektive zur Stadt-, Regional- und ländlichen Entwicklung sowie zu Immobilienmärkten abseits der Metropolen.

miessner@uni-trier.de

Literatur

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Dietl, Stefan (2017): Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradikalismus und „völkischem Antikapitalismus“. Münster: Unrast.

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Quellen

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sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung

2022, 10(2/3), -247

doi.org/10.36900/ suburban.v10i2/3.800

zeitschrift-suburban.de

CC BY-SA 4.0