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Als Auftakt des Workshops stellten Mélina Germes und Nina Gribat vom Redaktionskollektiv das Zeitschriftprojekt sub\urban vor. Schon in der daran anschließenden Diskussion zeigte sich, dass das Vorhaben insgesamt sehr begrüßt wurde, in einigen Punkten aber Diskussionsbedarf bestand. Unter anderem die Fragen der freien Zugänglichkeit, der Deutschsprachigkeit und der Wissenschaftlichkeit der Zeitschrift sollten reflektiert werden, besonders in Hinsicht auf die Umsetzung der Zeitschrift innerhalb bestehender Kontexte neoliberaler Praktiken. Die kommenden Abschnitte des Workshops dienten dazu, die Ansprüche und Erwartungen an die Zeitschrift sub\urban vor verschiedenen Hintergründen weiter zu diskutieren und zu konkretisieren. Die Panels des ersten Workshoptages näherten sich diesen Fragen unter dem Thema: ‚Kritisches Publizieren: Kontexte, Probleme, Ansprüche’.

Produktionsbedingungen kritischer Wissenschaften

Thomas Bürk, Mary Dellenbaugh, Max Welch-Guerra
Moderation: Laura Calbet & Manfred Oberländer

Das Panel „Produktionsbedingungen kritischer Wissenschaften“ thematisierte die derzeitigen Arbeitsverhältnisse und Förderbedingungen in der Forschung, die sich u. a. mit den Schlagwörtern „kognitiver Kapitalismus“ (Thomas Bürk), „unternehmerische Universität“ (ebd.), Verringerung der Risikobereitschaft in Forschungsfragen (Mary Dellenbaugh) und Rücklauf von Langzeitprojekten (ebd.) zusammenfassen lassen. Obwohl diese Bedingungen nicht ausschließlich die kritische Forschung betreffen, sei es für Kritik immer notwendig eigene Wege einzuschlagen. Bestandteil von Kritik sei zudem die Reflexion über die Bedingungen des eigenen Schaffens. Besonders kontrovers wurden die Fragen nach einer Hegemonie kritischer Diskurse und deren Akteur_innen (Max Welch Guerra) sowie nach der Anbindung an soziale Bewegungen (ebd.) diskutiert.

Erfahrungen und Ansprüche kritischer Zeitschriften. Ein Dialog

Bettina Engels (PERIPHERIE), Christoph Laimer (dérive)
Moderation: Nina Gribat & Nikolai Roskamm

In der Session „Erfahrungen und Ansprüche kritischer Zeitschriften. Ein Dialog“ mit Bettina Engels (PERIPHERIE) und Christoph Laimer (dérive) berichteten die beiden Gäste von den Gründungsgeschichten ihrer Zeitschriften-Projekte. Die dérive, Zeitschrift für Stadtforschung aus Wien, wurde im Jahre 2000 mit dem expliziten Ziel gegründet, sich anhand des Stadt- beziehungsweise des Stadtforschungsbegriffs einer Thematik zu widmen, die unterschiedliche Ansätze, Sichtweisen und Disziplinen unter einem Dach versammelt. In der neusten Zeit wurde das Angebot der dérive durch regelmäßige Radiosendungen ausgeweitet. Die PERIPHERIE, Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der 3. Welt, erschien bereits im Jahre 1980 zum ersten Mal und zielt auf eine akademische und kritische Leser_innenschaft. Bisher wurde ein explizites Stadtheft (zum Thema „Global Cities“) herausgegeben. Bettina Engels berichtete unter anderem von den unterschiedlichen Erfahrungen, die in der PERIPHERIE nach der Umstellung auf ein Peer-Review-Verfahren gemacht worden sind. Dabei stellte sie heraus, dass durch dieses Verfahren die Redaktionsarbeit nicht weniger aufwendig geworden ist. Das Reviewverfahren wurde bei der PERIPHERIE zum einen für eine Qualitätssicherung der Beiträge eingeführt, zum anderen aber auch, um den Autor_innen der Zeitschrift ein in vielen Kontexten inzwischen nachgefragtes Format anbieten zu können. In der Diskussion wurde deutlich, dass s u b \ u r b a n sowohl von den Gemeinsamkeiten (zum Beispiel bei der dérive: dem Umgang mit der verwandten Thematik, bei der PERIPHERIE: der reflektierten Anwendung des Review-Vefahrens) als auch hinsichtlich der Unterschiede (etwa: Online statt Print) von beiden Zeitschriften viel lernen kann.

Kritik im Spannungsfeld von Akademie und Aktivismus

Hanna Hermes, Kris Maschewsky, Britta Grell, Laura Colini
Moderation: Kristine Müller & Nelly Grotefendt

Das letzte mit Gästen besetzte Panel des ersten Workshoptages mit dem Titel „Kritik im Spannungsfeld von Akademie und Aktivismus“ brachte die Teilnehmer_innen Hanna Hermes, Kris Maschewsky, Britta Grell und Laura Colini in eine Diskussion. Zu den wesentlichen Überlegungen gehörten das Zusammendenken, Vereinen und gegebenenfalls Trennen von kritischer Stadtforschung und Aktivismus. Diskutiert wurden kritische Reflexionen zu zeitgenössischer Bewegungsforschung, die notwendige Berücksichtigung von Bedürfnissen sozialer Bewegungen in Hinsicht auf Wissenstransfer sowie mögliche Nähe-Distanz-Beziehungen der Handlungsfelder aufgrund ihrer unterschiedlichen Wege und Mittel, verschiedenen Sprachen sowie Einstellungen. Konsequenzen für die Redaktion bestehen nun im Besonderen in einer weiterführenden Diskussion über Zielgruppen, Ansprechpartner_innen und Verantwortlichkeiten gegenüber sowohl kritischer Stadtforschung als auch sozialen Bewegungen.

Der erste Workshoptag ging mit einer Zwischendiskussion zum Thema „Wie wollen wir veröffentlichen?“ zu Ende. Die genaueren Umsetzungsformen der kritischen Zeitschrift – darunter ganz besonders die Auswahl von Begutachtungsverfahren sowie die Offenheit für aktivistische Stimmen – riefen einige spannende Debatten hervor, die auf die Frage zurückgriffen, inwiefern kritische Wissensproduktion von den wissenschaftlichen Legitimierungsprozessen (somit auch von Normalisierungs- und Ausschlussprozessen) abhängen (sollen). Bereits absehbare Ansprüche an die Zeitschrift wurden noch einmal festgehalten und einige weitere Fragen für den folgenden Tag wurden aufgeworfen. Moderation: Mélina Germes & Nina Schuster.

Freitag der 19.10.2012

Der zweite Workshop-Tag zum Thema ‚Positionsbestimmungen kritischer Stadtforschung’ begann mit der Darstellung der inhaltlichen Positionierung von sub\urban durch Laura Calbet i Elias und Jan Hutta vom Redaktionskollektiv (siehe Positionspapier).

Stadtforschung - Kritik - (Inter)disziplinarität

Bernd Belina, Wolf-Dietrich Bukow, Stephan Lanz, Nikolai Roskamm, Jörg Stollmannn
Moderation: Nina Schuster & Carsten Praum

Im Zentrum der Podiumsdiskussion mit Bernd Belina, Wolf-D. Bukow, Stephan Lanz, Nikolai Roskamm und Jörg Stollmann stand die Frage nach der Bedeutung von Disziplinarität für die kritische Stadtforschung. Plädiert wurde für eine gegenstandsorientierte Forschung, in der disziplinäre Schranken eher unbedeutsam seien. Im Gegenzug ergebe sich aus einer interdisziplinären Vorgehensweise aber nicht automatisch eine kritische Perspektive. Verwiesen wurde auch auf bislang fehlende Brücken und Übersetzungsleistungen zwischen den Disziplinen. Ein kritisches Element in der Forschung entstehe vor allem durch die thematische Fokussierung, und entsprechend sei das, was zähle, auch die Art und Weise der Intervention. Das bedeute insbesondere, die Involviertheit der Forschung in die Forschungsfelder und den ausgeübten Einfluss auf diese in der Forschung immer mit zu reflektieren. Der Vorschlag: „Lasst uns Stadtforschung machen und dann darüber in Konflikte geraten“, verdeutlichte die Ungeduld in der Erwartung sowohl von gemeinsamen Stadtforschungsprojekten als auch von produktiven Auseinandersetzungen, z. B. im Rahmen der neuen Zeitschrift.

Kritik, Stadt und ethnographisches Arbeiten. (Trans)disziplinäre Verortung

Beate Binder, Alexa Färber, Manuela Bojadžijev (verhindert)
Moderation: Jan Hutta & Kristine Müller

Im letzten Panel des Workshops stellten Alexa Färber und Beate Binder ihre Erfahrungen mit ethnographischem Arbeiten dar. Sie betonten vor allem die Eigenheit der Ethnographie als Forschungshaltung oder Form der Wissensproduktion, in welcher die wechselseitige Verknüpfung zwischen Theorie und Empirie zentral sei. Damit verbunden sei eine beständige Reflexion der eigenen Konstitution ‚des Feldes’ und Position des Forschenden, auf theoretischer sowie empirischer Ebene und nicht zuletzt in der Repräsentation des Gegenstandes in Darstellungsformen wissenschaftlicher Ergebnisse. Beate Binder machte deutlich, dass diese Reflexionen der eigenen komplexen Eingebundenheit in verschiedene gesellschaftliche Kontexte auch die Frage vielseitiger Loyalitäten mit sich bringe. Einen möglichen Beitrag ethnographischer Forschung in Hinsicht auf Kritik und gesellschaftsrelevante Intervention sah sie daher weniger im „großen Agenda-Setting“, sondern vor allem darin, auf kleinteiligen Ebenen „andere Fragen“ zu stellen, zu stören, für „Unterbrechungen“ in gegenwärtig laufenden politischen Prozessen zu sorgen.
Anhand eigener Forschungsbeispiele diskutierten Alexa Färber und Beate Binder Vorzüge und Nachteile sowohl disziplinär verorteter als auch transdisziplinärer ethnographischer Forschung. So würde beispielsweise eine einseitig disziplinäre Ausrichtung oft erst Probleme erschaffen, die aus anderer Perspektive so nicht bestünden. Auf eine Schwierigkeit transdisziplinärer Arbeitsorganisation hingegen verwies Alexa Färber, indem sie die besondere Rolle von Zeit in den Forschungsverläufen der Ethnographie ansprach – eine Verlangsamung, die auch spezifische wissenschaftliche/institutionelle Umfelder erfordere. Somit hätten verschiedene Disziplinen ihre eigenen Ansprüche und Temporalitäten, die auch ernst genommen werden müssten – und denen auch eine Zeitschrift wie sub\urban genügend Platz bieten sollte.

Was wollen wir lesen? Abschlussdiskussion

Moderation: Jan Hutta & Nelly Grotefendt

Die Abschlusssitzung trug den Titel „Was wollen wir lesen?“. Hier wurden konkrete Ideen insbesondere für die ersten Hefte von s u b \ u r b a n diskutiert. In der einleitenden „Blitzlicht“-Runde wurde die Schwierigkeit geäußert, sich innerhalb des noch recht offenen Zeitschriftenkonzepts Beiträge vorzustellen. Einerseits wurde die Notwendigkeit weiterer Vorgaben oder Klärungen – etwa hinsichtlich des Review-Verfahrens, aber auch inhaltlicher Art – seitens der Redaktion gefordert; andererseits wurde jedoch darauf hingewiesen, dass zu konkrete inhaltliche Vorgaben dem Anspruch eines transdisziplinären und partizipativen Austauschs heterogener kritischer Auseinandersetzungen zuwider laufen würde, und dass ein gewisses Maß an Unbestimmtheit irreduzibler Teil des Projekts sei. Schließlich wurden auch einige Ideen gesammelt, von möglichen Debattenformaten bis zu konkreten Themen für Hefte und Beiträge.