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Liebe Leser:innen,

hiermit möchten wir auf unseren Call für die Herbstausgabe 2026 mit dem Schwerpunkt „Urban Commons“ aufmerksam machen.

Herzliche Grüße

die Redaktion von sub\urban

Kristine Beurskens, Laura Calbet i Elias, Nihad El-Kayed, Nina Gribat, Stefan Höhne, Johanna Hoerning, Jan Hutta, Michael Keizers, Yuca Meubrink, Boris Michel, Gala Nettelbladt, Lucas Pohl, Nikolai Roskamm, Nina Schuster, Lisa Vollmer

 

Call for Papers: Urban Commons

Herausgeber:innen des Schwerpunkts: Stefan Gruber, Susanne Heeg, Isabel Feichtner, Tim Wihl, Boris Michel, Laura Calbet Elias

Einladung zu Beiträgen für einen Themenschwerpunkt vons u b \ u r b a n – zeitschrift für kritische stadtforschung

Vor dem Hintergrund rasanter Umweltzerstörung, zunehmender sozialer Ungleichheiten und der Erosion demokratischer Institutionen rücken Commons in den Mittelpunkt von Diskussionen über eine sozial-ökologische Transformation. Im Bereich der politischen Ökonomie und der institutionellen Governance wird bereits seit den 1950er Jahren zu Commons geforscht (Ostrom 1990). Mit dem „Spatial Turn“ in den Sozial- und Geisteswissenschaften findet die Commons-Forschung ab den 1980er Jahren auch in die kritische Stadtforschung Eingang, zunächst implizit mit der Untersuchung emanzipatorischer Raumpraxen, dann expliziter mit dem Begriff der „Urban Commons“ (Harvey 2012) und der Forschung zu sozialen Bewegungen, insbesondere der Recht-auf-Stadt-Bewegung. Das zunehmende Interesse wird auch im deutschsprachigen Raum mit verschiedenen Publikationen (Dellenbaugh et al. 2015; Pelger 2022) und special issues (Arch+ 2018; dérive 2023) sichtbar. Die Commons-Forschung stellt dabei die Dichotomie zwischen privatem und öffentlichem Raum auf den Prüfstand und schärft so die aktuellen Debatten um Eigentum und Bodenfrage in der kritischen Stadtforschung. Feministische Perspektiven wiederum haben dazu beigetragen, verschiedenen Stränge der Commons-Forschung weiterzuentwickeln. Damit rücken Fragen der Alltäglichkeit und der sozialen Reproduktion von Raum aber auch Fragen von Stewardship, Sorge und Reproduktionsarbeit (Petrescu/Trogal 2017) in den Blick. Silvia Federici (2019) argumentiert, dass emanzipatorische soziale Bewegungen nur dann nachhaltig sein können, wenn der Ausgangspunkt für Veränderungen im alltäglichen Kampf um die soziale Reproduktion liegt. Neuere Forschungen erweitern das Care-Paradigma über das individuelle oder soziale Wohlergehen hinaus auf die Sorge um die Umwelt und das planetarische Wohlergehen (Fitz et al. 2019).

Die gegenwärtige Verbreitung von Urban-Commons-Forschung ergibt sich aus der Konvergenz dreier dringender gesellschaftlicher Herausforderungen: der Notwendigkeit nach sozialer Gerechtigkeit, Klimaanpassung und Demokratisierung. In dieser Hinsicht werfen Commons eine Reihe von dringenden Fragen auf: Wie lassen sich Verantwortung und Zugang zu schwindenden Ressourcen regeln? Wie gestaltet sich der Übergang von einer extraktiven zu einer regenerativen Ökonomie? Wie lässt sich Macht besser verteilen und das Zusammenleben demokratischer gestalten? Welche ontologischen und epistemologischen Grundlagen müssen wir überdenken, um uns auf ein Commonsverse einzulassen? Wichtig erscheint dabei, dass diese Diskussion über die bloße Kritik an profitorientierten Märkten und dem Verfall des Staates hinausgeht und einen Ansatzpunkt für die Imagination von alternativen Gesellschaftsmodellen bietet.

Während ein Forschungsstrang die Arbeit in der Tradition von Elinor Ostrom fortsetzt und sich auf Commons als Common Pool Resources oder Gemeingüter fokussiert, betonen neuere Forschungsarbeiten vielfach die relationale Dimension. Sie plädieren für die Verwendung des aktiven Verbs „Commoning“ (Bollier/Helfrich 2019; De Angelis 2017) und heben hervor, dass Commons nicht nur Ressourcen sind, die gefunden und geteilt werden, sondern eine kontinuierliche Produktion und soziale Reproduktion erfordern, um erhalten zu werden. In diesem Kontext sind auch Räume mehr als nur geteilte Ressourcen; sie sind die Voraussetzungen, Infrastrukturen und Ergebnisse, die die sozialen Beziehungen des Commoning ermöglichen (Stavridis 2016; Gruber/Ngo 2018). Bollier und Helfrich (2019) gehen noch einen Schritt weiter, indem sie einen ontologischen Wandel als Voraussetzung von Commons beschreiben und ein tieferes, integriertes Verständnis von Commons als komplexe, lebende Systeme fordern, die sich regenerieren und aus gemeinschaftlicher Verwaltung und Widerstand gegen die Kommerzialisierung hervorgehen.

Mit diesem Aufruf suchen wir nach Beiträgen aus verschiedenen Disziplinen der kritischen Stadtforschung, die sich aus einer urbanen Perspektive heraus mit der Ermöglichung oder Verhinderung von Praktiken des Commoning befassen. Wir begrüßen insbesondere Beiträge, die sich mit den folgenden Herausforderungen befassen:

Theorien und Praktiken des Wandels

Eine Schlüsseldiskussion dreht sich um Transformationstheorien und die Frage, inwieweit die sozial-ökologische Transformation bottom-up erfolgen kann oder Top-Down-Interventionen erfordert, die die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Commoning überhaupt erst entfalten kann. Kann ein Systemwandel je aus lokalen, vereinzelten Momenten des Widerstands entspringen? Wenn ja, wie können sich Commoning-Initiativen ausbreiten und vernetzen? Welche Rolle spielen soziale Bewegungen in Bezug auf die alltäglichen Praktiken des Commoning? Und kann der Wandel schrittweise erfolgen, oder müssen bestehende Machtstrukturen und Institutionen erst niedergerissen werden? Gesucht werden Beiträge, die Hindernisse und Potenziale im Commoning analysieren sowie Gefahren, die in der Vereinzelung und Institutionalisierung von Commons bestehen können.

Re-scaling und die Beziehung zum Staat

Die sich beschleunigenden Zyklen der Aneignung und sogar der Kriminalisierung von Commons haben ein tiefes Misstrauen in den Staat und in die Fähigkeit öffentlicher Institutionen, den Markt zu regulieren, geschaffen. Gleichzeitig sind die Commons auf unterstützende Infrastrukturen angewiesen. Wie kann die Beziehung zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen und dem Staat so neu formuliert werden, dass der binäre Gegensatz zwischen top-down und bottom-up überwunden wird? Wie kann eine mögliche Kooptation von Commons in staatliche Aufgaben bzw. eine Form des Community-Capitalism (van Dyk/Haubner 2021) vermieden werden? Was sind strategische Ansatzpunkte, um das Vertrauen in demokratische Prozesse und die Regierung als Vertreterin des Gemeinwohls wiederherzustellen? Hier suchen wir nach Forschung, in der das Verhältnis von Commons und Staat sowie Kommunen und damit einhergehend die Aneignung und Verweigerung von Rechten reflektiert wird. Es geht also um die Vielfalt von Initiativen im Commoning und wie sie zu einer Transformation städtischer und staatlicher Governance beitragen.

Pluriversale Dimensionen des Commoning

Kapitalistisches Wachstum und Entwicklung haben zu verschiedenen Formen von Ungerechtigkeit, ökologischem Verfall, Ausbeutung, kultureller Unruhe und Aneignung geführt. Seit über drei Jahrzehnten wird der Begriff Globalisierung kritisch diskutiert, da er symbolisiert, die Welt zu erobern. Wir suchen nach Arbeiten, die kritisch über diesen Prozess des Worldmaking reflektieren: Welche Beiträge können Commons und gemeinschaftliches Handeln leisten, um eine gerechtere, sozial und kulturell ausgewogenere Vision des Weltbewohnens aufzubauen? Eine Welt, die allen gehört und für die jeder Verantwortung übernehmen muss? Hilft gemeinschaftliches Handeln dabei, die Reflexion über die Welt, das Planetarische und das Globale auf neue Weise zu beleben und umzulenken? Auf welche Weise könnte gemeinschaftliches Handeln als positive globale Kraft wirken? Und welche Gefahren einer Aneignung durch regressive Bewegungen bestehen vielleicht auch? Wir bitten um Beiträge, die die modernistische Ontologie des monolithischen Universalismus in Frage stellen, indem sie pluriversale Visionen globaler Solidarität und Degrowth entwickeln.

Wir freuen uns über Vorschläge zu Aufsätzen ebenso wie zu Debatten- und Magazinbeiträgen oder Rezensionen (mehr Informationen zu den Rubriken hier). Dazu bitten wir um die Einreichung von Abstracts im Umfang von 300-500 Wörtern bis zum 31.03.2025. Vollständige Beiträge bitten wir nach Einladung bis zum 01.08.2025 einzureichen; Aufsätze durchlaufen ein Peer-Review-Verfahren. Wir bitten um die Beachtung der Richtlinien für Autor_innen. Einreichungen von Vorschlägen bitte als Word- oder RTF-Datei an info@zeitschrift-suburban.de.

 

De Angelis, Massimo (2017): Omnia sunt communia: On the commons and the transformation to post-capitalism. London: Zed Books.

Dellenbaugh, Mary / Kip, Markus / Bieniok, Majken / Müller, Agnes / Schwegmann, Martin (Hg.)(2015): Urban commons. Moving beyond state and market. Basel: Birkhäuser Verlag.

Dyk, Silke van / Haubner, Tine (2021): Community-Kapitalismus. Hamburg: Hamburger Edition.

Federici, Silvia (2019): Re-enchanting the World. Feminism and the politics of the commons. Oakland: PM Press.

Fitz, Angelika / Krasny, Elke / Architekturzentrum Wien (Hg.) (2019): Critical care. Architecture and urbanism for a broken planet. MIT Press.

Gruber, Stefan / Ngo, Anh-Linh (2018): The contested fields of commoning. In: Arch+: An atlas of commoning 51/232, 4-5.

Gatti, Mirko / Gruber, Stefan / Hiller, Christian / Kaldenhoff, Max / Lovell, Sophie / Moore, Elke aus dem / Ngo, Anh-Linh / Rüb, Christine (Hg.) (2018): An atlas of commoning: places of collective production. In: Arch+ 51/232.

Harvey, David (2012): Rebel cities. From the right to the city to the urban revolution. London and New York: Verso.

Helfrich, Silke / Bollier, David (2019): Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons. Bielefeld: Transcript Verlag.

Ostrom, Elinor (1990): Governing the commons. The evolution of institutions for collective action. Cambridge, UK: Cambridge University Press.

Pelger, Dagmar (2022): Spatial Commons. Zur Vergemeinschaftung urbaner Räume. Hamburg: Adocs Verlag.

Petrescu, Doina / Trogal, Kim (Hg.) (2017): The social (re)production of architecture politics, values and actions in contemporary practice. Oxon/New York: Routledge.

Stavridis, Stavros (2016): Common Space. The city as commons. London: Zed Books.