Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage
Die Debatte widmet sich dem Zusammenhang von sozialer und ökologischer Wohnungsfrage. Einem offenen Aufruf zur Einreichung von Beiträgen von Lisa Vollmer und Boris Michel sind erfreulich viele Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen nachgekommen. Andreas Koch verweist darauf, dass die ökologische Frage nur im Rahmen einer politischen Ökologie zu verstehen ist, die die Kommodifizierung des Wohnens und die Dominanz bürgerlicher Wohnideale gleichermaßen konzeptualisiert. Lukas Häfner beschäftigt sich mit der Flächeninanspruchnahme als ökologischem Aspekt der Wohnungsfrage, der eng mit Einkommenshöhen und Wohnformen und damit sozialen Aspekten der Wohnungsfrage zusammenhängt. Auch Anton Brokow-Loga und Miriam Neßler stellen die Frage nach Flächengerechtigkeit als Frage der Verteilung von Wohnflächen. Michael Mießner und Michael Naumann zeigen, dass sich die Wohnungsfrage nicht nur in der Stadt stellt, sondern auch auf dem Land. Sie schlagen daher mögliche Themen einer kritischen Landforschung vor. Katrin Großmann erläutert, wie das ökologische Instrument der energetischen Modernisierung in seiner Ausgestaltung in Deutschland zu residentieller Segregation beiträgt. Sören Weißermel und Rainer Wehrhahn zeigen am Beispiel des einkommensschwachen Stadtteils Gaarden in Kiel die Konfliktfelder, die durch eine stadtpolitisch motivierte, aber privatwirtschaftlich umzusetzende energetische Sanierung entstehen. Klaus Geiselhart beschreibt anhand von konkreten Neubauprojekten in München einige Versuche, soziale und ökologische Ansprüche an das Wohnen zu integrieren. Bernhard Hohmann, Thomas Höflehner und Andrea Jany diskutieren ein Projekt, das unterschiedliche Akteure der Stadt Graz zusammenbringt, um Dachgärten als Gegenmittel zu Flächenversiegelung und Flächenkonkurrenz auf Wohngebäuden, aber auch für Gemeinschaftszwecke zu realisieren. Schließlich stellt Marc Amann das geplante Wohnprojekt „Neustart Tübingen“ vor, in dem eine ganze Nachbarschaft entstehen soll, die sozialen und ökologischen Idealen des Wohnens verpflichtet ist. So ist eine breite Palette unterschiedlicher Aspekte der ökologisch und sozial gedachten Wohnungsfrage zusammengekommen. Wir freuen uns darauf, diese Aspekte in künftigen Ausgaben zu ergänzen und in einer Replik zusammen zu binden. Weitere Einreichungen sind also herzlich willkommen.
Diese Debatte ist am 24.04.2020 in Bd. 8, Nr. 1/2 (2020) erschienen.
Beiträge zur Debatte
-
Common Ground — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteDie im Jahr 2020 in Deutschland praktizierte Siedlungs- und Wohnungspolitik erhält in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die soziale und ökologische Lage einen bitteren Beigeschmack. Arm und Reich driften weiter auseinander und einer zielgerichteten ökolo…
-
Dachgärten im Geschosswohnbau — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteDer Trend zur Urbanisierung und Verdichtung von Wohnraum in Kombination mit der globalen Erwärmung zeigt immer deutlichere Auswirkungen auf das Stadtklima. Zur Reduktion der Belastungen für die Stadtbevölkerung sind gebäudegebundene Begrünungsformen eine…
-
Eine Frage der Flächengerechtigkeit! — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteDie derzeitige Wohnungskrise hat eine sozial-ökologische Kernproblematik. Dabei ist die sozial ungerechte und ökologisch problematische Verteilung von Wohnfläche meist unsichtbar und wird weder in wissenschaftlichen noch in aktivistischen Kontexten aus…
-
Gebäude-Energieeffizienz als Katalysator residentieller Segregation — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteDie Energieeffizienz von Wohngebäuden gilt als Win-win-Strategie für Klimaschutz und den Kampf gegen Energiearmut. Doch ist dieser Optimismus wirklich gerechtfertigt? Der Beitrag stellt infrage, dass einkommensarme Haushalte kurz- oder langfristig tatsäc…
-
Klimagerechtes Wohnen? Energetische Gebäudesanierung in einkommensschwachen Quartieren — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteSowohl aktuelle städtische Klimapolitik, als auch klimaaktivistische Bewegungen weisen energetischer Gebäudesanierung einen hohen Stellenwert zu. Hinweise auf die sozialräumlichen Implikationen verstärkter energetischer Sanierung finden sich jedoch zumei…
-
Mehr als Baugruppe und alternatives Wohnprojekt — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteIn Tübingen gibt es jahrzehntelange Erfahrungen mit alternativen Wohnformen und progressiver Wohnraumpolitik. Die Initiative „Neustart Tübingen“ unternimmt aktuell den Versuch, bestehende Leerstellen in der existierenden Breite an Projekten zu schließen.…
-
Münchens sozial-ökologische Stadtentwicklung zwischen Anspruch und Wirklichkeit — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteIn zwei städtebaulichen Entwicklungsprojekten der Stadt München wird eine Verbindung von ökologischem und sozialem Bauen umgesetzt. Dieser Beitrag stellt diese Projekte kritisch vor und fragt nach deren Bedeutung für die Münchner Stadtentwicklung sowie n…
-
Nachhaltiges Wohnen auf dem Dorf? — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteDörfer, Kleinstädte und ländliche Regionen spielen in den kritischen Sozialwissenschaften bislang nur eine untergeordnete Rolle. Noch weniger Beachtung findet die Verknüpfung von ökologischer und Wohnungsfrage in ländlichen Kontexten. Die angloamerikanis…
-
Stadtökologie statt Ökologie — Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“
DebatteDie Rede von der Wiederkehr der städtischen Wohnungsfrage offenbart, dass dem Wohnen eine strukturelle Fundierung zugrunde liegt. Als Komponenten dieses Fundaments lassen sich die kapitalistische Kommodifizierung der Wohnung, das Festhalten am bürgerlich…
-
Wohnen in der Klimakrise — Die Wohnungsfrage als ökologische Frage: Aufruf zur Debatte
DebatteDie Verbindung der sozialen und der ökologischen Frage ist eine der zentralen Herausforderungen linker Politik und kritisch-engagierter Wissenschaft heute. Dafür, wie wenig das bisher gelingt, sind die öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussionen um …