Bd. 12 Nr. 2/3 (2024): Nekropolis: Stadt und Tod
Abstract
Als symbolisch aufgeladener und zugleich selbstverständlicher Teil von Gesellschaft schreibt sich das Sterben unweigerlich in das städtische Gefüge ein. Das hat nicht nur mit dem Zusammenhang von Sterblichkeit und den vielfältigen und ungleichen Umweltbedingungen in Städten zu tun. Hier stellt sich immer auch die Frage, wo in einem hochgradig kapitalisierten Boden- und Immobilienmarkt Orte errichtet und aufrechterhalten werden können, die den (noch) nicht umfassend kommodifizierten Praktiken des Sterbens, der Seelsorge, des Gedenkens und Erinnerns Raum geben. Bezeichnet „Nekropolis“ ursprünglich die im altertümlichen Mittelmeerraum oft abseits von Wohngegenden liegende Stätte des Todes, so gibt es heute eine Vielzahl städtischer deathscapes, die die Stadt (pólis) zu einem Ort der Toten (nekrós) werden lassen. Betrachten wir die Stadt aus Sicht von Tod und Sterblichkeit, geraten Aspekte des Städtischen in den Blick, die ansonsten nicht explizit thematisiert werden oder gar vollends verborgen bleiben: von Haushaltsauflösungen bis hin zu Tierkrematorien.
Um die vielfältigen, mit dem städtischen Leben verbundenen Aspekte des Sterbens, der Sterblichkeit und des Todes aufzuschlüsseln, versammelt unser Themenschwerpunkt „Nekropolis“ Aufsätze, Debatten- und Magazinbeiträge und Rezensionen.
Neben dem Themenschwerpunkt erscheinen weitere Aufsätze zu sorgenden Infrastrukturen in Frankfurt am Main, Kindern in der Stadtplanung und zum Gespenst des deutschen Kolonialismus an der Universität Hamburg und eine ganze Reihe an Rezensionen.
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Heft online lesen: sub\urban, Bd. 12 Nr. 2/3 (2024): Nekropolis: Stadt und Tod
Einleitung
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Einleitung
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Titelbild
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Editorial
EinleitungIn Städten lebt ein Großteil der Menschheit. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass auch vorrangig dort gestorben wird. Als symbolisch aufgeladener und zugleich selbstverständlicher Teil von Gesellschaft schreibt sich das Sterben unweigerlich in das städtische Gefüge ein. Während der Tod in den meisten Kosmologien einen unumgänglichen Endpunkt des Lebens markiert, unterliegt das Sterben als Übergangsprozess vom Leben in den Tod vielfältigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen, die aus dem zunächst biologisch-natürlich anmutenden Phänomen durchaus auch ein soziales und gesellschaftlich strukturiertes Phänomen werden lassen. Denn üb…
Aufsätze aus dem Schwerpunkt
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Gegenöffentliche Problematisierung polizeilicher Nekropolitik — Forensic Architecture’s Investigation des Polizeieinsatzes in Hanau
AufsatzWährend wir in Städten derzeit die Aufrüstung der Polizei erleben, problematisieren zivilgesellschaftliche Akteur_innen die Polizei als ausführende Institution rassistischer Nekropolitik. Forensic Architecture, eine interdisziplinäre Forschungsagentur, h…
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Töten und Überleben in der mehr-als-menschlichen Stadt — Die Produktion „abstoßender“ Tiere in Frankfurt und Halle
AufsatzDieser Beitrag schlägt vor, Städte als Räume zu konzeptualisieren, in denen politische Aushandlungen um die Frage des Tötens oder Leben Lassens nichtmenschlicher Lebewesen ausgetragen werden. Städte verstehen wir in diesem Sinne als lebendige – und d…
Aufsätze
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Radikal Sorgende Stadt(‑teilkantine) — Eine Sorgende Ethnographie der ada_kantine in Frankfurt am Main
AufsatzDie Krisenhaftigkeit sozialer Reproduktion macht Formen städtischen Sorgens erforderlich, die derzeit als „shadow care infrastructures“ (Power et al. 2022) diskutiert werden und jenseits dezidiert staatlicher und kleinfamiliärer Sorgekontexte stattfinden…
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Angesprochen und doch ungefragt: zur Rolle von Kindern in der nachhaltigen Stadtentwicklung
AufsatzDas Thema Nachhaltigkeit ist aus Städten nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile verfolgen zahlreiche Städte eine nachhaltige Stadtentwicklungsagenda und streben damit an, einen Beitrag zum Erreichen der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele der UN zu leisten. H…
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Vom Kolonialinstitut zur Universität — Das Gespenst des deutschen Kolonialismus an der Universität Hamburg
Aufsatz2019 feierte die Universität Hamburg ihr 100-jähriges Jubiläum. Doch wann begann ihre Geschichte wirklich? Das Hamburgische Kolonialinstitut, das von 1908 bis 1919 der wissenschaftlichen Ausbildung von Kolonialbeamten diente, war im heutigen Hauptgebäude…
Debatte
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Thanatostadtforschung — Aufruf zu einer Debatte des Verhältnisses von Stadt, Sterben und Tod
DebatteDie Beziehung zwischen Stadt, Sterben und Tod ist international in verschiedenen Kontexten untersucht worden. Dabei wurden sowohl alltägliche Aspekte des Sterbens als auch krisenhafte Dimensionen untersucht, die die komplexen Wechselwirkungen zwischen de…
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Das Recht der Toten am urbanen Raum — Kommentar zu Johanna Hoerning und Lucas Pohl „Zum Verhältnis von Stadt, Sterben und Tod“
DebatteDas Sterben ist eine alltägliche Praxis, nicht nur in den urbanen Zentren. Doch zeigen sich aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive erhebliche Desiderate. Obgleich seit einigen Jahren eine „neue Sichtbarkeit des Todes“ postuliert wird, verweist dies…
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Die andere Nekropole — Kommentar zu Johanna Hoerning und Lucas Pohl „Zum Verhältnis von Stadt, Sterben und Tod“
DebatteDieser Beitrag widmet sich Massengräbern, Orten des Verschwindenlassens und anonymen Begräbnisstätten. Wurden Deathscapes bisher als Orte der Verbindung zwischen Lebenden und Toten untersucht, handelt es sich hier vielfach um nekropolitische Deathscapes,…
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Der distanzlose Tod — Kommentar zu Johanna Hoerning und Lucas Pohl „Zum Verhältnis von Stadt, Sterben und Tod“
DebatteAnhand der Konzepte der Chronizität und des Extremspektakels geht dieser Beitrag der Frage nach, wie sich über den Tod als konstitutive Kraft urbanen Ganglebens nachdenken lässt. Er beleuchtet, wie der Tod distanzlos wird und was diese Proximität für uns…
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Die Ränder städtischen Lebens: Sterben in der Biopolis — Eine Replik und ein Aufruf
DebatteDas Verhältnis von Stadt und Sterben ist ebenso alltäglich wie außeralltäglich. Betrachtet man die Stadtforschung, so könnte man allerdings zu dem Schluss gelangen, dass es sowohl in seiner Alltäglichkeit als auch in seiner Außeralltäglichkeit ein unsich…
Magazin
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Hinterbliebene Dinge
MagazinWas steht am Ende des Lebens? Neben den Beziehungen zu anderen Menschen und den dadurch hinterlassenen Spuren im Leben anderer stehen am Ende des Lebens auch die angesammelten Besitztümer. Sie erzählen Geschichten vergangener Leben, von Erinnerungen, Rou…
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Der Todomat: ein Hinterlassenschafts-Konfigurator aus der Zukunft
MagazinDer Todomat ist der erste physische Hinterlassenschafts-Konfigurator der Welt. Er ist ein fiktives Artefakt aus einer Zukunft, in der die Menschen ihren Tod selbstbestimmter und nachhaltiger gestalten als heutzutage, in der sie Wünsche und Entscheidungen…
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Können wir feministisch sterben? — Diskussion über die feministisch-geographische Perspektive auf Palliativ-Care
MagazinInnerhalb von verschiedenen Kontexten, die sich im Spannungsfeld der Palliativ-Care im peripheren Raum beobachten lassen, diskutiert dieser Beitrag die geschlechtliche Dimension des Versterbens. Eine feministische Betrachtungsweise ermöglicht eine Abwägu…
Rezensionen
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Sterben weltweit — Rezension zu Danielle House / Mariske Westendorp / Avril Maddrell (2023): New perspectives on urban deathscapes. Continuity, change, and contestation. Cheltenham/Northampton: Edward Elgar.
RezensionDie Neuauflage des 2010 herausgegebenen Sammelbands Deathscapes: Spaces for death, dying, mourning and remembrance (Hg. Avril Maddrell/James Sidaway) beleuchtet neben dem Vor- und Nachwort der Herausgeber:innen Danielle House, Mariske Westendorp und Av…
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Ein Desiderat der historischen Urbanistik — Rezension zu Nina Kreibig (2022): Institutionalisierter Tod: Die Kultur- und Sozialgeschichte der Berliner Leichenhäuser im 19. Jahrhundert. Bielefeld: transcript.
RezensionNina Kreibigs Dissertation untersucht die Entstehung und Entwicklung von Leichenhäusern in Berlin im 19. Jahrhundert und beleuchtet dabei deren Bedeutung aus medizinischer und sozialer Perspektive. Sie zeigt auf, wie diese Einrichtungen als Reaktion auf …
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Paradigma des Pluralen? — Rezension zu Ignacio Farías / Martina Löw / Thomas Schmidt-Lux / Silke Steets (2023): Kultursoziologische Stadtforschung. Grundlagen, Analysen, Perspektiven. Frankfurt am Main/New York: Campus.
RezensionDer erste Band der neuen Buchreihe Kultursoziologische Stadtforschung plädiert für einen integrativen Forschungsansatz und für die Einbeziehung möglichst vielfältigster Perspektiven und Methoden. Die Rezension diskutiert, welche Chancen und Begrenzunge…
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Raum und Kriminalisierung – Abstraktion als Herrschaftsinstrument? — Rezension zu Bernd Belina (2023): Gefährliche Abstraktionen. Regieren mittels Kriminalisierung und Raum. Beiträge 2005-2023. Münster: Westfälisches Dampfboot.
RezensionUrbane Ordnungspolitik durch die Polizei steht seit geräumiger Zeit in der Kritik. Die Aufsatzsammlung von Bernd Belina bietet wichtige Erkenntnisse zu der Frage, wie sich gegenwärtig über Raum und Kriminalisierung eine positivistisch legitimierte Neufor…
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Urbaner Aktivismus zur Wendezeit — Rezension zu Jana Breßler / Harald Engler / Constanze Kummer / Detlef Kurth / Jannik Noeske / Wiebke Reinert / Max Welch Guerra (Hg.) (2022): Stadtwende. Bürgerengagement und Altstadterneuerung in der DDR und Ostdeutschland. Berlin: Ch. Links.
RezensionDer komplexe Band Stadtwende. Bürgerengagement und Altstadterneuerung in der DDR und Ostdeutschland eröffnet neue Perspektiven bezüglich der Erforschung der deutschen Vereinigung von 1990. Herausgegeben von Jana Breßler, Harald Engler, Constanze Kummer…
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Private Gewinne, öffentliche Verluste — Rezension zu Brett Christophers (2023): Our lives in their portfolios. Why asset managers own the world. London: Verso.
RezensionBrett Christophers’ neues Buch Our lives in their portfolios , das die „Asset-Management-Gesellschaft“ analysiert, zählt zweifellos zu den wichtigsten aktuellen Büchern über die gesellschaftlichen Veränderungen durch den Finanzkapitalismus. Es beleuchte…